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Smart-Home-Hersteller: "Nicht alles einsetzen, was technisch möglich ist"

Das oberösterreichische Unternehmen Loxone bietet seit 2009 eine Smart-Home-Komplettlösung für Häuselbauer an. Über 60.000 Smart Homes in 100 Ländern hat das Unternehmen bereits weltweit realisiert. Der Firmensitz befindet sich in Kollerschlag im Bezirk Rohrbach. Das Unternehmen hat weltweit 250 Mitarbeiter, 90 davon arbeiten in der Zentrale im Mühlviertel. Die futurezone hat mit Gründer und CEO Martin Öller in der Loxone-Zentrale gesprochen.

futurezone: Smart-Home-Lösungen gibt es viele am Markt. Was unterscheidet Loxone von den Mitbewerbern?
Martin Öller: Bei unserem Smart Home geht es um den Grundgedanken, dass das Haus von selbst weiß, was zu tun ist. Wir trennen „Gadgets“ und das „echte Smart Home“. Da geht es um mehr als nur eine technische Spielerei. Ein Smart Home bietet viele Vorteile, wenn man es richtig macht. In der Vergangenheit ist leider viel Falsches verbreitet worden.

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Martin Öller, Gründer von Loxone

Was zum Beispiel?
Erinnern Sie sich an den Kühlschrank mit Kamera, der die Milch nachbestellt von vor zehn Jahren? Welcher Kunde braucht einen Kühlschrank, der Milch nachbestellt? Das soll Smart Home sein? Viele werden genau durch solche Beispiele abgeschreckt.

Was genau verstehen Sie unter einem „echten“ Smart Home?
Wenn jemand nur ein Farblicht im Wohnzimmer will, sucht er sich ein passendes Gadget dazu. Bei unserer Lösung werden einem Bewohner im Jahr 50.000 Handgriffe abgenommen. In jedem Raum gibt es die perfekte Temperatur. Etwa im Bad frühmorgens ist es warm. Jeder Raum empfängt einen mit einem schönen Wohlfühl-Licht. Das Haus kümmert sich aber auch um die Sicherheit und schützt nicht nur vor Einbrechern, sondern auch vor Feuer. Und es spart Energie. Das ist der Grundgedanke.

Das ist noch immer sehr abstrakt. Gibt es da vielleicht ein Beispiel?
Viele Menschen haben etwa eine Alarmanlage installiert. Deren Sinn und Zweck ist es, den Bewohner im Fall eines Einbruchs zu alarmieren. Im „echten“ Smart Home sehen wir das anders: Es muss dafür sorgen, dass der Einbrecher wieder flüchtet. Das geht nicht mit Einzellösungen, sondern alle Komponenten, die im Haus verbaut sind, arbeiten zusammen. Im Fall eines Einbruchs fahren etwa alle Jalousien hoch, das Haus wird transparent. alle Lichter blinken, alle Musikzonen verwenden wir als Alarmsirene. Die fangen ganz laut an, Musik zu spielen. Früher war das Rammstein, jetzt haben wir eine eigene Alarmsirene. Wir nutzen dafür alle Möglichkeiten, die das Haus bietet.

Orientiert sich das Haus lediglich an Gewohnheiten der Nutzer oder reagiert es auch auf den Menschen, wenn er sich darin bewegt?
Das Haus muss sich am Nutzer orientieren. Die entscheidende Frage dabei ist, was für Anwendungen man eigentlich automatisiert. Vor zu viel Automatisierung haben die Leute ganz viel Angst. Das Gefühl der Fremdbestimmung, dass man in einem Haus lebt, dass man nicht kontrolliert, ist in vielen Köpfen verankert. Auch wir mussten das erst lernen, dass man nicht alles einsetzen darf, was technisch möglich ist. Als wir unseren Showroom vor 1,5 Jahren eröffnet haben war das ebenfalls eine besondere Herausforderung. Das Entscheidende ist, nicht das zu machen, was technisch geht, sondern das, was der Wunsch der Bewohner ist.

Wollen Bewohner nicht, dass sich das Haus an ihren Wünschen orientiert?
2010 haben wir uns das Smart Home wie einen Wunschkorb vorgestellt. Aber in Wahrheit weiß kein Mensch, was er sich wünschen soll. Die Idee fehlt, es ist zu viel Wolke, als dass man das greifen könnte. Da sind wir in den letzten Jahren dazu übergegangen, einen Standard zu definieren. Wenn ein Kunde Loxone bekommt, wird das Smart Home zuerst mit einem Standard-Setting ausgeliefert. Zwei Monate später gibt es einen Optimierungstermin, bei dem das Heim an die Gewohnheiten angepasst wird.

Was für Einstellungen sind das etwa?
Eine Standardeinstellung ist, dass die Beschattung in der Dämmerung runterfährt, damit es einen Sichtschutz zum Nachbarn gibt. Beim Aufstehen tickt aber jeder unterschiedlich. Die einen wollen, dass die Jalousien unten bleiben, bis man das Haus verlässt andere wiederum wollen gleich Sonnenlicht sehen. Das sind dann Dinge, die angepasst werden.

Was kann man als Kunde selbst umprogrammieren?
Etwa das Einstellen von Lichtstimmungen. Da liefern wir zwar auch Standards aus für Lichtstimmungen, aber da ist jeder anders. Dem einen gefällt Violett, dem anderen Orange. Das stellt sich der Kunde selbst ein. Auch die Heizperiode, also von wann bis wann geheizt wird, kann man vollständig selbst definieren. In einem Jahr schaltet man die Heizung im Mai ab, in anderen Jahren erst im Juni. Das muss jeder selbst bestimmen können.

Was viele bei der Errichtung eines Smart Homes auch abschreckt ist der Preis. Sie sagen, es sei „leistbar“. Geht es ein wenig genauer?
Ein Einfamilienhaus als Richtwert mit 150 Quadratmeter hat etwa einen Aufpreis von 10.000 Euro, wenn man es in ein „echtes“ Smart Home mit allen Komponenten verwandelt. Wenn ich sowieso plane, eine Musik- und Farblichtanlage einzubauen, kommt man bei einem Vergleich mit Einzellösungen meistens drauf, dass eine Gesamtlösung nicht viel mehr kostet. Wir hatten auch schon Fälle, wo es billiger geworden ist.

Wie ist das mit dem Verfallsdatum? Wie lange halten die verbauten Komponenten dann durch?
Bei einem klassischen Gadget, wie z.B. bei einer Farbglühbirne, die per App gesteuert wird, wird keiner eine Träne vergießen, wenn es in zwei Jahren ausgetauscht werden muss. Bei unseren Produkten haben wir einen anderen Anspruch. Die werden gekauft, um den Dienst im Haus 20 bis 30 Jahre zu verrichten. Es ist alles darauf ausgelegt, dass es so lange funktioniert. Wir verbauen etwa keinen Kunststoff an der Sprechstelle außen. Da muss man Glas hingeben, sonst vergilbt es. Vom Material her müssen alle unsere Komponenten eine lange Zeit halten.

Die ersten Smart Homes haben Sie vor fast zehn Jahren ausgeliefert. Musste da schon etwas nachgerüstet werden?
Kunden, die Loxone im Juni 2010 gekauft haben, bekommen auch heute noch alle Updates kostenlos. Das ist ein entscheidender Aspekt. Es ändern sich viele Dinge über die Jahre und Updates werden von uns angeboten. So können wir mittlerweile Photovoltaik-Anlagen in das Heimnetz integrieren. Irgendwann werden Energiebetreiber hier spezielle Tarife anbieten. Wir können dann in Folge ein Lesegerät integrieren. Die Software dazu gibt es von uns kostenlos.

Wie lange?
Das haben wir nicht definiert. Unser Wunsch wäre, das immer zu machen.

Schneiden Sie sich damit nicht ins eigene Fleisch? Firmen wie der Überwachungskamera-Hersteller Nest verlangen sogar Extra-Geld dafür, dass man sich das Video bei einem Einbruch überhaupt ansehen darf.
Unser Geschäftsmodell ist da ganz anders. Wir sind eine Gesamtlösung. Der Kunde kauft die Beleuchtung, den Musik-Server, die Lautsprecher. Wir müssen unser Business-Modell nicht aufs Datensammeln verlagern. „Mein Haus, meine Daten“ ist eine strikte Philosophie von uns.

Kommt das überall gut an?
Das wird ab und zu auch mal belächelt. Vor kurzem hat uns wieder jemand angerufen, um uns schmackhaft zu machen, wie man Geld aus den Daten machen kann. Ich habe ihm dann erklärt, das ist nicht unser Modell. Selbst wenn die ganze Welt sagt „wer die Daten hat, hat die Macht“: Wir wollen in den eigenen vier Wänden Privatsphäre. Die Daten verlassen das Haus nicht. Es gibt keine Cloud, die das zusammensammelt. Das ist eine klare Strategie von uns.

Das ist heutzutage wirklich außergewöhnlich. Viele Unternehmen setzen auf „Big Data“.
Ja, wir schwimmen mit diesem Modell klar gegen den Strom. Ich glaube aber, dass die Menschen wieder sensibler werden und dass Privatsphäre wieder mehr wert sein wird.

Aber Loxone hängt ja auch am Internet, wenn man Dinge im Haus via App steuern kann?
Wenn man will, kann man von der Ferne zugreifen. Aber nur, wenn man will. Das sind Dinge, die man heutzutage erwartet. Wenn ein Kunde sagt, ihm ist das zu heikel, funktioniert Loxone aber auch ohne Internetverbindung wunderbar. Wir haben aber sämtliche Bemühungen unternommen, das alles so sicher wie möglich zu gestalten.

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So sieht der kleine Mini-Server aus, der das Smart Home steuert.

Das heißt, ein Haus, das sich gegen einen wendet, weil es gehackt wurde, wie wir es aus Serien bereits kennen, kann mit Loxone nicht passieren?
Wir haben verschiedene Sicherheitslevels eingebaut, die dem Kunden mehr Sicherheit geben. Wenn man von extern jemandem das Licht ein und ausschaltet, ist das zwar schlimm, keine Frage. Schlimmer wird es allerdings, wenn ein Unbekannter die Haustür aufmachen kann. Das Öffnen der Haustür ist daher zusätzlich mit einem Kennwort abgesichert. Das Deaktivieren der Alarmanlage ist ebenfalls zusätzlich in der App abgesichert.

Was passiert, wenn jemand Security-Schwachstellen findet und meldet?
Wir haben außerdem ein eigenes Security-Team, das sich das Feedback, das wir bekommen, genau anschaut. Mit jedem Update bringt man mehr Stabilität und Sicherheit mit rein. Aber auch die Kunden sind gefordert. Ganz viele Kunden haben ein WLAN und greifen mit dem auf die Steuerung zu. Wenn das WLAN nicht geschützt ist oder die Admin-Zugänge zur Steuerungen in der Standard-Einstellung belassen wurden haben es Angreifer leicht. Man kann die Kunden immer wieder hinweisen „ändere dein Kennwort“. Erstaunlicherweise kümmert es ein paar Kunden dann doch wieder nicht. Mir ist aber noch nie ein Fall bekannt geworden, bei dem das Haus tatsächlich gehackt worden ist.

Sie haben ja auch selbst ein Smart Home.
Ja, die intensivsten Nutzer sind wohl ich und mein Gründungskollege Thomas Moser. Wir hätten uns das nicht installiert, wenn wir jetzt das Gefühl hätten, dass wir damit jetzt unsicher leben.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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