IIHS media relations associate Young demonstrates a front crash prevention test on a Tesla Model 3 at IIHS-HLDI Vehicle Research Center in Ruckersville, Virginia

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© REUTERS / AMANDA VOISARD

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Teslas Notbremssystem gibt Rätsel auf

Tesla rühmt sich damit, die sichersten Autos der Welt zu bauen. Dennoch kam es in den vergangenen Monaten zu einer Häufung von Unfällen. Tesla-Autos mit aktiviertem Autopilot rammten abgestellte Einsatzfahrzeuge. Sach- und Personenschaden waren die Folge.

Weil die Unfälle alle nach demselben Schema erfolgt sind, hat die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) eine Untersuchung eingeleitet. Insgesamt werden Fälle aus 3 Jahren untersucht, bei denen 17 Personen verletzt und eine getötet wurde.

Wieso hat das Notfallbremssystem nicht gebremst?

Untersucht werden soll, wieso der aktive Autopilot die mit Warnlicht abgestellten Einsatzfahrzeuge nicht „gesehen“ hat. Ein zweiter großer Aspekt ist, wieso das Fahrzeug nicht sichergestellt hat, dass der oder die Fahrer*in, wie beim Autopilot vorgeschrieben, stets die Hände am Lenkrad haben muss und stets bereit sein muss, das Steuer zu übernehmen. Ein Mensch hätte die stehenden Einsatzfahrzeuge kaum übersehen können.

Laut einem Bericht der LA Times gibt es noch einen dritten Aspekt, der derzeit Rätsel aufwirft: Wieso haben die Teslas nicht gebremst, obwohl sie alle ein Notfallbremssystem an Bord haben?

Bei Tesla heißt das System „Notbremsautomatik“. Laut dem Hersteller kann es „Fahrzeuge, Fußgänger oder Objekte vor ihnen erkennen und bremst automatisch, um den Aufprall abzumindern.“ Laut den Unfallberichten sind die Teslas aber ungebremst in Einsatzfahrzeuge und Hindernisse gekracht.

System ist möglicherweise nicht für Autobahn-Geschwindigkeiten geeignet

Eine mögliche Ursache könnte sein, dass diese Systeme nicht für die hohen Geschwindigkeiten auf Autobahnen ausgelegt sind. Dem widerspricht Tesla in seiner eigenen Betriebsanleitung. Hier wird für die Notbremsautomatik ein Funktionsbereich von 5 bis 145 km/h angegeben.

Dem widerspricht das National Transportation Safety Board. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2020 von 4 Tesla-Unfällen kam die Kommission zum Schluss, dass die Systeme nicht designed oder getestet wurden, um bei konstanten Geschwindigkeiten über 80 km/h zu funktionieren. Tatsächlich testet das renommierte Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) die Notfallbremssysteme nur mit 20 und 40 km/h. Die Tesla-Modelle haben bei diesen Tests immer mit „superior“ abgeschnitten, der Höchstnote des IIHS.

Es gibt aber weitere Indizien, die dafürsprechen, dass etwas mit der Tesla Notbremsautomatik nicht stimmt. Bei einem der untersuchten Unfälle rammte ein Tesla mit 50 km/h ein Feuerwehrauto. Vor dem Crash beschleunigte es sogar noch von 34 auf 50 km/h.

Mehr Beschwerden über Teslas als über andere Autos

Ein weiterer Hinweis ist die Anzahl der Beschwerden über die Notbremssysteme, aufgeteilt nach Automarken. Laut der NHTSA sind das die häufigsten Beschwerden in den USA für 2020 und die ersten 3 Quartale von 2021:

  • Tesla: 131
  • Mercedes-Benz 55
  • Audi 28
  • Volvo 14

Würde man diese Zahlen in Relation zu den verkauften Autos im Jahr 2020 in den USA setzen, wären die Beschwerden über Tesla dreimal so hoch als über andere Marken.

Autopilot unterdrückt die Notbremsautomatik

Was ist bei Tesla anders, als bei den anderen Automarken? Der Autopilot. Expert*innen sehen hier einen plausiblen Zusammenhang. Die Theorie: Sobald der Autopilot aktiv ist, wird die Notbremsautomatik unterdrückt. Auf den ersten Blick macht das keinen Sinn, denn gerade wenn ein übergeordnetes System, in diesem Fall der Autopilot, versagt, sollte doch immer ein Reservesystem vorhanden sein, um Unfälle zu verhindern oder zumindest abzuschwächen.

Missy Cummings, Direktorin des Humans and Autonomy Laboratory an der Universität Duke, erklärt das so: Der Autopilot könnte die Notbremsautomatik unterdrücken um sogenanntes „Phantombremsen“ zu minimieren. „Ich vermute, in einigen Situationen deaktiviert der Autopilot die Notbremsautomatik. Falls sie an wäre, könnte sie Objekte registrieren die gar nicht da sind und abbremsen.“ Die Folge wäre eine ruckelige Fahrt.

Außerdem könnte der Autopilot den Vorzug haben, um Hindernissen auszuweichen. Theoretisch ist das auch die bessere Methode, solange keine anderen Verkehrsteilnehmer*innen gefährdet werden. Würde etwa die Notbremsautomatik mitten im Ausweichmanöver des Autopiloten aktiv werden, könnte das erst recht für Probleme und ein ungewolltes Fahrverhalten sorgen.

Sicherheitssysteme werden für Tests deaktiviert

Mahmood Hikmet, Techniker und Forscher für autonome Fahrzeuge in Neuseeland, sieht das ähnlich. Die Notbremsautomatik kann bei Tests von fahrerlosen Systemen dazwischenfunken. Und Tesla würde derzeit genau das mit seiner „Full Self Driving Software“ machen: Tesla Fahrer*innen sind de facto Tester*innen des Systems, mitten im normalen Straßenverkehr.

„Manchmal werden Basis-Sicherheitsfunktionen deaktiviert, um die Limits der selbstfahrenden Systeme zu testen – idealerweise auf gesperrten Straßen und mit erfahrenen Fahrer*innen“, sagt Hikmet.

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