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Vello Bike+ im Test: Faltbares E-Bike lädt sich selbst

Die Zeiten, in denen man E-Bikes auf den ersten Blick als solche erkannt hat, sind vorbei. Räder mit elektrischer Unterstützung kommen heute in zahlreichen verschiedenen Formen und sind dabei leichter und kompakter denn je.

Besonders klein und handlich sind Falträder. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit ein paar Handgriffen kann man sie zusammenklappen, bekommt sie in fast jeden Lift oder kann sie im Kofferraum verstauen. Auch in den Öffis kann (und darf) man sie so zu jeder Tageszeit mitnehmen.

Das Vello Bike+ ist ein Rad aus Österreich mit elektrischem Motor. Neben dem Faltmechanismus ist eine Besonderheit, dass es sich dank Rekuperation während der Fahrt in bestimmten Situationen auch selbst lädt. Die futurezone konnte das Pedelec im Alltag testen. 

Erster Eindruck und Ausstattung

Das Rad mit Chrom-Molybdän-Stahlrahmen sieht unauffällig nach gewöhnlichem Faltrad aus. Der 250W-Motor befindet sich in der Hinterradnabe. Das System stammt von dem italienischen Unternehmen Zehus, das auch für die Rekuperation verantwortlich ist.

Mit knapp 14 Kilogramm ist das Fahrrad für ein Falt-Pedelec leicht ausgefallen. Mit mäßiger Anstrengung kann man es ohne Probleme ein paar Stockwerke tragen. 

Der Lenker kommt mit ergonomischen Griffen, beim Sattel handelt es sich standardmäßig um einen Selle Royal Viento. Jener ist zwar grundsätzlich nicht unbequem, für den üblichen Stadtverkehr, für Wege ins Büro oder zum Einkaufen, hätte er vielleicht eine Spur breiter ausfallen können. 

Das Rad kommt wahlweise mit Ketten- oder Riemenantrieb. Mein Testbike war mit Letzterem ausgestattet. Ein Riemen hat grundsätzlich eine längere Lebensdauer und ist wartungsarm. Für die Strecken, die man mit einem Stadtrad normalerweise zurücklegt, würde es aber auch eine Kette tun.

Zum Einsatz kommen außerdem hochwertige hydraulische Scheibenbremsen von Shimano sowie Voll-Aluminium-Faltpedale. Und um nicht gleich mit einem Platten dazustehen, wird das Rad außerdem mit den 20-Zoll-Reifen Schwalbe Marathon Original mit Schutzstreifen ausgeliefert.

Fahrgefühl, Reichweite und Selbstladung

Das Rad fährt sich trotz der geringen Größe äußerst sicher und stabil. Zeitweise vergisst man sogar, dass man auf einem Faltrad sitzt.

Knöpfe oder Schalter sucht man auf dem Pedelec vergebens. Um die Unterstützung einzuschalten, muss man während der Fahrt 3 Umdrehungen rückwärts treten. Dadurch wird der Motor aktiviert und auch erst dann kann man sein Handy über Bluetooth verbinden und den Akkustand einsehen oder den Unterstützungsmodus auswählen.

Trotz des durch die Bauweise bedingten kleinen Akku, hält er in der Praxis recht gut durch. Nach knapp 10 Kilometer Stadtverkehr (vom 6. Wiener Gemeindebezirk auf die Donauinsel) mit Turbo-Unterstützungsmodus sank die Kapazität von 100 auf 75 Prozent. Die angegebene Reichweite des Herstellers von 30 bis 50 Kilometer ist also durchaus realistisch.

Die Unterstützung kommt im Turbo-Modus relativ sanft daher, reicht aber für den Wiener Stadtverkehr vollends aus, um einen Großteil der Steigungen ohne größere Anstrengungen bewältigen zu können.

Vergrößert werden kann die Reichweite durch Energierückgewinnung. Dazu ist ein Kinetic Energy Recovery System (K.E.R.S.) integriert. Das funktioniert auf verschiedene Art und Weise, unter anderem durch den Einsatz eines Neigungssensors. Fährt man bergab und tritt, wird die überschüssige Energie rückgewonnen. Tritt man mit den Pedalen nach hinten, ebenso. Beim Fahren bemerkt man dies dadurch, dass das Rad beim Rücktreten nicht “leerläuft”, sondern langsamer wird. Mit etwas vorausschauendem Fahren kann man das etwa nutzen, wenn man auf eine rote Ampel zufährt.

Wie viel Energie man in den Akku einspeist, kann man auf dem Handy sehen. Das motiviert, man sollte sich aber nicht zu sehr davon ablenken lassen. 

Unendlich?

Laut Vello kann man so auf eine “unendliche” Reichweite ohne Steckdose kommen. Ganz bewahrheitet sich das in der Praxis nicht. Zwar ist es durchaus möglich, den ein oder anderen Prozentpunkt in den Akku zurückzuarbeiten bzw. einzusparen, ihn so voll zu bekommen, würde aber eine lange Strecke und viel Muskelkraft erfordern. Nichtsdestotrotz: Auf 3 Kilometer bei mir maximal möglichem, vollem Reintreten lud ich den Akku von 54 auf 62 Prozent auf, kam dabei aber ordentlich ins Schwitzen.

Muss der Akku doch einmal über das Stromnetz geladen werden werden, muss das ganze Rad an die Steckdose: Der Stromspeicher ist nicht entnehmbar. Nach 3 Stunden sollten die 100 Prozent erreicht sein. 

Es klappt

Der Faltmechanismus ist gut durchdacht, erfordert aber ein bisschen Übung. Nach 4 oder 5 Faltungen hat man es in der Regel aber gut raus und es dauert weniger als eine Minute, um das Rad auf eine kompakte Größe von 57 x 79 x 29 Zentimeter zu bringen. Wer nicht tragen möchte, kann das Fahrrad auch an der ausgezogenen Sattelstütze vor sich herrollen.

Noch eine Spur schneller geht das Aufklappen, lediglich einige wenige Handgriffe sind notwendig, um das Rad wieder in einen fahrbereiten Zustand zu bringen. 

App: Mehr Modi als man braucht

Bei der App handelt es sich um die App Bitride - MyBike vom Entwickler des Motorensystems Zehus. Nachdem man sich durch den - etwas mühsamen - Registrierungsprozess navigiert hat, kann man dort zwischen mehreren Fahrmodi auswählen, die entweder Reichweite oder Unterstützung im Fokus haben. Auch kann man die Unterstützung ganz ausschalten. Darüber hinaus bietet die App noch eine Karte an, eine Navigation fehlt. 

Insgesamt könnte man die App durchaus noch etwas optimieren. So finden sich dort etwa kaum Erklärungen, was welcher Modi oder welche Option bewirken. Das muss man erst in der Anleitung nachlesen, die es in der App nur als PDF-Download gibt. Auch ist die hohe Zahl an Modi schlichtweg überflüssig, weniger wäre in diesem Fall mehr.

Mit oder ohne Gang

Das Vello kommt entweder ganz ohne Gänge oder mit einer 2-Gang-Schaltung. Dabei handelt es sich um das Schlumpf-Drive-System, bei dem sich die Übersetzung im Kurbelsatz des Fahrrades befindet. Gewechselt werden die Gänge, indem man mit der Ferse auf die Anschraubstelle der Tretkurbel klopft. 

Klopft man auf die rechte Seite, schaltet man in den alternativen Gang. Je nach Radvariante ist man dann entweder im Speed Drive (1:1,65)  für Geschwindigkeiten über 25 km/h oder im Mountain Drive (2,5:1) für Steigungen. Tritt man auf die linke Seite, landet man wieder im Standard-Gang.

Wie das Zusammenlegen erfordert auch das Schalten ein bisschen Übung. So richtig warm bin ich mit dem System im zweiwöchigen Testzeitraum allerdings nicht geworden. Das lag unter anderem auch daran, dass ich ab und zu versehentlich von Speed auf Normal geschaltet habe, weil ich mit der linken Ferse beim Treten am Kurbelsatz angekommen bin. 

Fazit

Am reinen Klapprad-Aspekt des Vello Bike+ gibt es kaum etwas zu kritisieren. Die Komponenten sind hochwertig und das Fahrrad fährt sich dementsprechend sehr gut. Das Zusammenlegen erfordert zwar etwas Übung, ist insgesamt aber ebenfalls erstklassig gelöst. Ebenfalls positiv zu bewerten ist das geringe Gewicht des Pedelecs. 

Die Unterstützung sowie die Reichweite des Akkus reichen im Stadtverkehr aus, um ohne große Anstrengung die allermeisten Strecken zurückzulegen. Und die Energierückgewinnung ist in der Praxis mehr als nur ein Gimmick, um das Meiste aus dem Bike herauszuholen. Wenn man dazwischen doch einmal Lust hat, sich anzustrengen oder vorausschauend fährt, sind durchaus ein paar Kilometer mehr möglich, ohne an die Steckdose zu müssen. 

Etwas Luft nach oben gibt es bei der Bedienung. Die App ist unübersichtlich und die Verbindung zum Rad will manchmal erst beim zweiten oder dritten Versuch klappen. Auch ist es nicht optimal, dass man erst dann das Handy mit dem Rad verbinden kann, wenn man den Motor durch dreimaliges Zurücktreten aktiviert hat. Will man etwa nur im Fahrradkeller den Akkustand kontrollieren, ist das umständlich. Zwei Probleme, die man mit einer Akkustands-LED und einem Einschaltknopf lösen könnte. 

All die Technik hat ihren Preis: Das Vello Bike+ kostet mit Kettenantrieb in der Basisversion 2.590 Euro, mit Riemenantrieb 2.990 Euro in der Ein-Gang-Variante. Für den Schlumpf-Drive werden 499 (Speed) bzw. 599 Euro (Mountain) fällig.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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