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Science

400 Quadratkilometer Indoor-Fläche für Vertical Farming frei

"Die Lebensmittel-Produktion wird wieder Teil des urbanen Alltags werden", prophezeit Daniel Podmirseg. Für den Vorstand und Gründer des Vertical Farm Institutes ist klar, dass man zur Lösung der Energie- und Klimafrage künftig strukturelle Elemente der Lebensmittel-Wertschöpfungskette in Gebäuden oder Stadtteilen integrieren wird müssen. Die Rede ist von der vertikalen Landwirtschaft.

Gebäude statt Felder

Die Weltbevölkerung wächst, und mit ihr die Urbanisierung. Laut UN-Prognose werden von den neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 die meisten in der Stadt leben. Eine Möglichkeit zur nachhaltigen Ernährung der Stadtbevölkerung könnte in der vertikalen Landwirtschaft liegen, die eine ganzjährige Kultivierung von Nahrungsmitteln auf geringer Fläche erlaubt und lange Lieferwege überflüssig macht. Auf diese Weise sind nicht etwa nur Obst und Gemüse, sondern auch Algen, Pilze, Fische und Krustentiere in Gebäuden kultivierbar.

Dafür braucht es nicht unbedingt von Grund auf neu konzipierte Gebäude, Potenzial liegt auch in bestehenden Immobilien brach. "Es gibt in Österreich ungefähr 400 Quadratkilometer ungenützte Indoorfläche, die man auf alle Fälle für eine Reihe von Produkten aktivieren kann", rechnete Podmirseg, der gestern, Freitag, im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche am Arbeitskreis "Feeding the City - or Is the City Feeding You?" teilnahm, im Gespräch mit der APA vor.

Drei Schiffscontainer

Im interdisziplinär arbeitenden Vertical Farm Institute geht man etwa der Frage nach, was der kleinste vertretbare Raum ist, Lebensmittel anzubauen, der aber auch einen Impakt für die Stadt hat. "Die kleinste Vertical Farm, die wir entwickelt haben und die wir nächstes Jahr realisieren werden, hat 750 Kubikmeter", so Podmirseg. Das sind drei Schiffscontainer, in denen Nährstoffversorgung, zusätzliche Belichtung, Haustechnik und ein Bearbeitungsraum untergebracht sind. Aus diesen Containern heraus wächst dann ein Gewächshaus mit ungefähr sechs Metern Höhe.

Das System besteht aus zwei Zugängen. Auf der einen Seite befindet sich die Gebäude-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Im anderen Teil bewegt ein Paternostersystem die Pflanzen fünf Mal am Tag um die eigene Achse. Dadurch sei es möglich, die Zusatzbeleuchtung auf das nötige Minimum zu reduzieren. Das Prinzip dahinter erklärt Podmirseg so: "Was bei uns die Kilokalorien sind, ist bei den Pflanzen der Tageslichtintegral. Das heißt, am Ende des Tages hat jede Pflanze gleich viel 'Energy for Free' bekommen. Jenen Teil von den Kalorien, die die Pflanze braucht, um die Photosynthese bestmöglich aktiv zu behalten, kriegt sie zusätzlich über eine künstliche LED-Beleuchtung. Es ist praktisch eine Kombination aus beiden."

Produktion über ganzes Jahr

Um diese "super komplexe Maschinerie" bestmöglich umsetzen zu können, brauche es Expertisen aus unterschiedlichsten Feldern. "Wir sprechen hier von IoT (Internet of Things; Anm.), Softwareentwicklung, Steuerungs- und Regelungstechnik, Gebäudetechnik, Energieproduktion, Automatisierung, die gesamte Intralogistik", sagt der VFI-Geschäftsführer. Obwohl man vertikale Landwirtschaft auch mit kleinerem technischen Aufwand betreiben könne, liege der Fokus auf Hightech. "Das Ziel ist es, über das gesamte Jahr kontinuierlich Lebensmittel zu produzieren." Die Philosophie dahinter wird nicht zuletzt von UNO-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) bestimmt, und jeweils von der Frage: "Macht das noch Sinn?".

Aktuell beschäftigt sich das Team um Podmirseg mit verschiedenen Projekten, die sich hauptsächlich im Maßstab unterscheiden. Zum einen möchte man den Ruthnerturm, ein historisches Turmgewächshaus im Wiener Kurpark Oberlaa, "ins 21. Jahrhundert bringen". Forschungsfrage dabei ist, die Material- und Energieflüsse zu verstehen und zu optimieren. Beim Projekt Zukunftshof in Rothneusiedl dagegen steht eine Grundfläche von ca. 10.000 Quadratmetern für ein laut Webseite "visionäres Stadtlandwirtschafts-Konzept" zur Verfügung, das unter anderem auch Gastronomie und Abfallwirtschaft beinhaltet.

Zudem sollen im Rahmen eines "Horizon 2020"-Projekts mit 20 Partnern moderne Erkenntnisse über die Lebensmittel-Versorgungskette als Empfehlungen auf die Entwicklung von Masterplänen für die Stadtentwicklung übertragen werden, so Podmirseg: "Das heißt, wir berücksichtigen schon von vornherein Räume, die für die Lebensmittelproduktion gewidmet werden."

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