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© APA/AFP/JACK GUEZ / JACK GUEZ

Science

Wie sich der weibliche Körper auf der Reise zum Mars verändert

Ab 2025 will die NASA die nächste bemannte Mondmission starten und anschließend Astronaut*innen auf dem Mond und in der Raumstation Lunar Gateway stationieren. Mitte der 2030er-Jahre ist geplant, dass Menschen um den Mars fliegen und zur Erde zurückkehren – eine Landung auf dem Roten Planeten soll erst später folgen.

Dass Frauen dabei Teil der Crew sein werden, ist unzweifelhaft. "Hinter der Idee, zum Mars zu reisen, steckt das Ziel, eine andere menschliche Existenz [aufzubauen], besonders, wenn die Erde den Bach runtergeht“, sagte vor einigen Jahren der Mikrobiologe und Immunologe Gregor Reid von der Western University in Ontario gegenüber Vice. „Wir werden Frauen schicken müssen.“

Nur 65 Frauen bisher im Weltall gewesen

Doch bevor Frauen auf eine Langstrecken-Mission entsandt werden, ist es wesentlich, die Effekte des Weltraums auf den weiblichen Körper genauer zu erforschen. Studien dazu gibt es bislang wenige. Generell waren von über 560 Menschen, die jemals im All waren, nur 65 weiblich.

Umfangreichere Erkenntnisse will nun die Europäische Raumfahrtagentur ESA generieren. Im Rahmen der Studie ViVALDI hat sie unter anderem 20 Frauen 5 Tage lang in eine Art Wasserbett gesteckt, um die Wirkung der Schwerelosigkeit auf den weiblichen Körper zu erforschen. Hier mussten sie essen, schlafen und andere Bedürfnisse erledigen.

„Ziel dieser ersten Studie ist es, zu prüfen, wie dieses Trockentauch-Modell den menschlichen Körper und unterschiedliche physiologische Systeme (Knochen, Muskel, Immunsystem, Herz, Gehirn etc.) beeinflusst und im Speziellen auch, um zu sehen, wie sich der weibliche Körper dem anpasst“, sagt Angelique Van Ombergen, Fachleiterin für Biowissenschaften bei der ESA, im futurezone-Gespräch.

Für die ViValdi-Studie blieben Teilnehmerinnen in einem Wasserbett

Unterschied nach Individuen

Wie auf der Erde gebe es auch im Weltraum Unterschiede zwischen Individuen. "Zwei Menschen können auf den gleichen Stimulus unterschiedlich reagieren“, sagt die Forscherin. Ohne Erdanziehung verlagern sich im All generell beim Menschen die Körperflüssigkeiten – Muskel- und Knochendichte schwinden. Zudem seien das Immunsystem sowie das kardiovaskuläre System je nach Person stärker oder schwächer angeschlagen.

"Vieles hängt von der Länge der Mission ab: Kürzere Missionen bewirken andere Veränderungen als längere", sagt Van Ombergen und ergänzt: "Wenn wir uns adäquat auf Mars-Missionen vorbereiten wollen, müssen wir uns speziell auf diese Langzeit-Missionen fokussieren."

Analog-Astronaut in Raumanzug in Wüste mit Robotern

In der israelischen Wüste wird bei sogenannten Analog-Missionen für einen Marsaufenthalt trainiert

Frauen anfälliger für Kreislaufstörungen

Generell aber gebe es nicht nur zwischen Individuen, sondern speziell auch zwischen Männern und Frauen Unterschiede. „Zum Beispiel scheinen Astronautinnen im Vergleich zu Astronauten weniger anfällig für Veränderungen des Sehvermögens zu sein, die im Weltall bei längeren Missionen auftreten können“, sagt sie. Auch ein Verlust des Gehörsinns ist bei Frauen - nicht nur im Weltall, sondern auch auf der Erde - weniger wahrscheinlich als bei Männern.

Hingegen seien Astronautinnen anfälliger für orthostatische Intoleranz, also für Störungen des Kreislaufsystems, aber auch für Harnwegsinfekte.

Van Ombergen zufolge sei es jedoch schwierig, starke Schlüsse aus den bisherigen Erkenntnissen zu ziehen, zumal bislang nur wenige weibliche Probandinnen an den Studien teilgenommen hatten. „Es ist möglich, dass sich diese Schlüsse ändern werden, oder dass andere Dinge aufkommen, wenn wir mehrere weibliche Teilnehmerinnen untersuchen“, sagt sie.

Diverse und komplementäre Crews

In Bezug auf Mars-Missionen sollte man laut Van Obergen jedenfalls nicht nach weiblichen und männlichen Potenzialen unterscheiden, sondern vielmehr nach individuellen. „Jedes Individuum ist anders. Stellt man eine diverse und komplementäre Gruppe von Menschen als Crew zusammen, werden wir die beste Aussicht auf einen Missions-Erfolg haben“, so die Forscherin.

Angelique Van Ombergen, Fachleiterin für Biowissenschaften bei der ESA

Eine Mars-Mission werde ihr zufolge nicht nur für den menschlichen Körper enorm herausfordernd sein, sondern auch für die Psyche, besonders weil die Mission länger als je zuvor dauern wird. „Die Distanz zur Erde wird sehr groß sein, Kommunikation wird schwierig sein und auf dem Weg hin und zurück kann den Menschen langweilig werden“, sagt sie. Psychologisch gesehen werde eine solche Mission daher ebenfalls sehr knifflig werden.

Die ViVALDI-Untersuchung lief bis 10. Dezember. Nun werten unterschiedliche Forschungsteams die Daten aus und analysieren sie. Später soll eine ähnliche Trockentauch-Studie mit 20 Männern unter gleichen Bedingungen folgen. „So werden wir wirklich auf die Unterschiede zwischen Männer und Frauen fokussieren können“, so Van Ombergen.

Frauen im Weltall

  • Mehr als 560 Menschen waren bereits im All. Davon waren nur 65 Frauen
  • 1963 flog die erste Frau ins All. Die Kosmonautin Walentina Tereschkowa flog als erste Frau eine Solo-Mission
  • 2019 gab es den ersten „Weltraumspaziergang“ mit ausschließlich weiblicher Besetzung
  • Die Italienerin Samantha Cristoforetti ist im aktuellen ESA-Korps und erst die zweite europäische Astronautin. Um junge Mädchen zu inspirieren, gibt es eine eigene Barbie-Puppe der 44-Jährigen

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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