Bezahlen für CO2-Ausstoß: So viel bringt "Offsetting"
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Bei manchen Tankstellen kann man seit Neuestem freiwillig einen Cent pro getanktem Liter zusätzlich zahlen. Damit sollen durch die Verbrennung von Benzin oder Diesel verursachte CO2-Emissionen ausgeglichen werden. Das Geld fließt in ein Aufforstungsprojekt. Neu gepflanzte Bäume sollen dort künftig jenes CO2 aus der Luft holen, das der Autofahrer heute in die Luft bläst. "Offsetting" nennt man solche Maßnahmen, um eigene Emissionen zu kompensieren und somit vermeintlich klimaneutral zu agieren. Das Konzept ist aus mehreren Gründen problematisch.
Ohne Einschränkung
"Das größte Problem ist, dass Offsetting keinen Anreiz bietet, das eigene Verhalten zu ändern", meint Klimaexperte Adam Pawloff von Greenpeace. "Ich kann meine Emissionen kompensieren, alles ist gut und ich kann fröhlich weitermachen wie bisher." Der Erreichung der Klimaziele, um die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts bei unter 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu halten, ist dies nicht zuträglich. Emissionen vermeiden heißt die oberste Prämisse. Offsetting würde es dagegen erlauben, Emissionen sogar zu steigern.
"Offsetting geht immer ein bisschen davon aus, dass man sich in einem isolierten Raum befindet", benennt Pawloff ein weiteres Problem. Ein Beispiel dafür seien etwa CO2-Kompensationen für Flugtickets, die von vielen Fluglinien angeboten werden. Auf jeden Passagier werden dabei der Treibstoffverbrauch und damit einhergehende Emissionen heruntergerechnet. "Nicht einberechnet werden die Herstellung des Flugzeugs, die Förderung von Erdöl, der Bau von Flughäfen etc.", sagt Pawloff. "All diese Dinge würden nicht passieren, wenn man die Entscheidung trifft, nicht zu fliegen."
Willkürliche Rechnung
Die Berechnung von kompensierten Emissionen sei oftmals fragwürdig, führt der Klimaforscher weiter aus. Ein Beispiel seien Offsetting-Projekte, bei denen Dieselgeneratoren in Entwicklungsländern durch Solaranlagen ersetzt würden. "Die Projektbetreiber vergleichen dann einfach zwei Szenarien in der Zukunft: Einmal mit, einmal ohne ihr Zutun. Die Differenz der Emissionen ergibt dann die CO2-Einsparung." Solche Rechnungen seien aber mit Vorsicht zu genießen.
"Die Annahme ist, ein Dorf in Afrika würde über Jahre weiter einen Dieselgenerator betreiben. Dabei werden aber die Kosten für Photovoltaikmodule immer geringer. Es könnte also durchaus sein, dass die Bewohner des Dorfes auch ohne Einfluss von Außen einen Umstieg vollziehen." Ähnlich verhalte es sich mit Aufforstungsprojekten, bei denen davon ausgegangen wird, dass zunächst eine Brachfläche existiert und danach ein Wald darauf steht. "Wenn ich die Brachfläche der Natur überlasse, wächst klarerweise auch etwas." Die Natur kann freilich auch gepflanzte Wälder vernichten. Mit dem Anstieg der weltweiten Temperaturen und damit einhergehender Trockenheit, steigt die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Waldbränden.
Massive Eingriffe
Neben Aufforstung und dem Umstieg auf erneuerbare Energien gibt es eine Reihe weiterer Offsetting-Möglichkeiten. Als besonders aussichtsreich werden Methoden gesehen, um CO2 direkt aus der Luft zu filtern und dauerhaft im Boden einzulagern (Carbon Capture/Direct Air Capture). Derartige Anlagen sind bereits im Einsatz, die damit aus der Atmosphäre abgeschiedenen Emissionsmengen sind aber noch sehr gering. Pawloff sieht die Strategie vor allem wegen ihrer Zuverlässigkeit kritisch. Es könne etwa zu Gaslecks kommen, bei denen in unterirdischen Kavernen eingelagertes CO2 wieder entweicht. Allerdings wurden bereits Verfahren entwickelt, bei denen CO2 dauerhaft im Gestein gebunden wird.
Eine weitere Möglichkeit ist das Ausbringen von Gesteinsstaub am Meer (Enhanced Weathering). Dadurch wird die Fähigkeit der Natur, Treibhausgase selbst abzubauen, unterstützt. Für Pawloff fällt das unter die Kategorie "Geoengineering": "Das sind massive Eingriffe in Ökosysteme, ohne die genauen Auswirkungen zu kennen. So etwas nährt die Hoffnung vieler Menschen, dass man einfach weitermachen könnte wie bisher, ohne seinen Lebensstil großartig zu verändern. Ich sehe diese Möglichkeit nicht. Wir müssen etwas an der Art und Weise, wie wir Energie produzieren und verbrauchen, verändern. Alles andere ist ein Ablenkungsmanöver."
Kommentare