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Science

Wie lange Bauteile von Chips halten

Computerchips stecken mittlerweile praktisch fast in allen Geräten. Sie sind in Autos, Handys, Kundenkarten und Waschmaschinen zu finden. In modernen Fahrzeugen sind sogar bis zu 500 Stück davon verbaut. Ein einzelner Computerchip wiederum besteht aus zig Milliarden Kleinstbauteilen. „Die Transistoren sind über die vergangenen Jahre extrem geschrumpft und liegen im Nanometer-Bereich“, erklärt der Elektrotechniker Markus Jech im Gespräch mit der futurezone. „Da sprechen wir schon von atomaren Abmessungen."

Er hat bis vor kurzem am Institut für Mikroelektronik an der TU Wien daran geforscht, wie die Haltbarkeit dieser winzigen Elektronikbauteile bestimmt werden kann. Jech wurde außerdem für seine Forschung und Dissertation mit dem Resselpreis der TU Wien ausgezeichnet.

Markus Jech ist Resselpreisträger 2021

Fehler in den Materialien

Die Kleinstbauteile, die in den Chips stecken, schauen nicht alle gleich aus, sie können auch mit Defekten versehen sein. Das liegt an den Materialien, aus denen die Bauteile bestehen. „Silizium und Siliziumoxid sind niemals perfekt“, sagt Jech. An manchen Stellen fehlt ein einzelnes Atom, an anderen ist das kristalline Gitter nicht so, wie es sein sollte. Manche Bauteile sind mit Atomen der falschen Sorte besetzt. „Dann kommt hinzu, dass im Laufe der Zeit Defekte entstehen, die sich auch auf die Funktionalität des Bauteils auswirken“, so der Elektrotechniker.

Wenn es sich dabei um kleine Defekte handelt, macht es nicht sofort etwas aus und die Computerchips funktionieren weiterhin. „Je länger man einen Chip einsetzt, desto fehleranfälliger werden die Bauteile und Transistoren“, so der Experte. „Einzelne Fehler können noch ausgeglichen werden, aber wenn es zu viele sind, wird das Bauelement eine Fehlermeldung produzieren.“ Jech hat eine neue Methode entwickelt, um auf atomarer Ebene festzustellen, wann ein Bauteil seinen Lebenszyklus beendet. „Als die Teile noch größer waren, hat es gereicht, wenn man makroskopische Simulationen gemacht hat. Doch das funktioniert bei diesen Kleinstteilen nicht mehr."

FILE PHOTO: An Intel Tiger Lake chip is displayed at an Intel news conference during the 2020 CES in Las Vegas

In einem Computerchip stecken zigtausende Transistoren

Besondere Simulationen und Stresstests

Um festzustellen, wie sich die Degradationsphänomene auf die Bauteile auswirken, muss man quantenmechanische Simulationen einsetzen, sowie diese experimentell untersuchen. Jech hat dazu Computermodelle entwickelt. Außerdem wurden die Bauteile im Labor extremen Bedingungen ausgesetzt, wie etwa einer erhöhten Spannung oder Temperatur. Diese Ergebnisse fließen wiederum in Computersimulationen ein. „Nur durch sie kann man verstehen, welche Parameter welche Rolle spielen und wie man aus diesen Experimenten zuverlässige Schlussfolgerungen ziehen kann“, erklärt der Elektrotechnikexperte.

Die Kleinstbauteile aus Silizium sind demnach unter normalen Bedingungen mindestens 7 bis 10 Jahre in Geräten wie Laptops oder dem Smartphone haltbar. Doch am Institut für Mikroelektronik sieht man sich auch neuartige Materialien wie etwa Germanium an. „Das hat eine höhere Beweglichkeit und wäre daher eine Verbesserung für moderne Chips“, sagt Jech. „Unsere Modelle dienen auch dazu, dass Hersteller abschätzen können, welche Materialien gut zusammenpassen, um Prozessschritte zu verbessern.“

Denn beim Zusammenbauen von Chips gleicht kein Transistor seinem Vorgänger. „Man setzt die Bauteile aufeinander auf. Bei den Folgebauteilen kann man nicht mehr so hohe Temperaturen einsetzen wie bei den ersten Teilen. Auch hier ist man auf der Suche nach neuartigen Prozessschritten, bei denen niedrigere Temperaturen eingesetzt werden können“, erzählt der Experte.

Trade-Off zwischen Aufwand, Kosten und Zeit

Viele Chip-Hersteller haben eigene Forschungsabteilungen, die daran arbeiten, die Prozesse zu verbessern. Doch auch die Ergebnisse und Simulationen der TU Wien fließen in die Fertigung von Chips ein. In Österreich gibt es etwa eine Zusammenarbeit mit Infineon. Die Arbeiten und Simulationsmodelle, die an der TU Wien entstehen, werden zudem in kommerzielle Modelle verpackt, die von großen Firmen „überall auf der Welt“ eingesetzt werden.

Dass einzelne Hersteller bewusst schlecht produzierte Chips vertreiben, glaubt Jech übrigens nicht. Jeder will die Transistoren so gut wie möglich verbauen, dass diese lange haltbar sind. „Manchmal ist es aber auch ein Trade-Off darüber, wie viel Zeit und Aufwand ich hineinstecken muss, um einen Prozess zu verbessern“, sagt Jech. Der Elektrotechniker widmet sich jetzt nach sieben Jahren am Institut für Mikroelektronik neuen beruflichen Aufgaben.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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