Die schnellsten Supercomputer rechnen gegen das Coronavirus
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Forscher setzen auf geballte Rechenleistung, um Covid-19 zu bekämpfen. Dazu werden unter anderem Summit und Sierra genutzt – die 2 schnellsten Supercomputer der Welt.
Das Ziel: Durch Simulationen können Wirkstoffe viel schneller auf ihre Effektivität überprüft werden, als dies mit Labortests möglich wäre. So kann wertvolle Zeit bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gespart werden – was ultimativ Leben retten kann.
8.000 Wirkstoffe in 2 Tagen getestet
Zusammen haben die beiden Supercomputer eine Spitzenrechenleistung von 325 PetaFlops. Das entspricht einer Leistung von 325 Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde, berichtet heise. Zum Vergleich: Der schnellste österreichische Supercomputer, VSC-4, hat eine Spitzenleistung von 3,76 PetaFlops.
Summit erreicht diese Leistung mit 9.216 IBM-Prozessoren mit jeweils 22 Rechenkernen und 27.000 Tesla-V100-Beschleunigerkarten. Forscher haben 2 Tage lang Summit genutzt, um 8.000 Wirkstoffe zu testen. 77 davon zeigten Wirkung, indem sie das S-Protein des Coronavirus SARS-CoV-2 daran hinderten, an Wirtzellen anzudocken. So kann ein Ausbruch der Krankheit Covid-19 verhindert werden.
Jetzt werden die Daten ausgewertet. Außerdem werden neue Forschungsdaten zum Coronavirus hinzugefügt. Mit dem so aktualisierten Modell sollen die 77 Wirkstoffe erneut und ausführlicher in der Simulation getestet werden. Die aussichtsreichsten Wirkstoffe werden dann im Labor getestet.
Antikörper entwickeln
Der Supercomputer Sierra, der ebenfalls in den USA steht, hat 8.640 Power9-Prozessoren und 17.280 Beschleunigerkarten. Er dient der US-Armee üblicherweise zur Forschung an Atomwaffen.
Jetzt nutzen ihn Forscher, um ein möglichst präzises Modell des Coronavirus zu erstellen. Damit sollen als nächstes Antikörper auf ihre Wirkung getestet werden. Diese sollen das Virus angreifen und neutralisieren. Das kann viel Zeit bei der Suche nach einem Medikament gegen das Virus sparen.
Rechenleistung zur Verfügung stellen
Auch wenn man keinen Supercomputer hat, kann man zur Forschung beitragen. Beim Projekt folding@home können User ungenutzte Rechenleistung ihres Computers zur Verfügung stellen, indem die Software heruntergeladen und installiert wird.
Mit der kombinierten Rechenleistung der User soll das Protein, mit dem sich das Coronavirus an den Lungenzellen andockt, entschlüsselt werden. Da sich dieses ständig verändert, wird viel Rechenleistung für die Erforschung aller Formen des Proteins benötigt.
Mehrere Unternehmen beteiligen sich ebenfalls an der Forschung und stellen Leistung ihrer Rechenzentren zur Verfügung. Dazu gehören Intel, Lenovo, Alibaba, Baidu, Huawei und Tencent. In den Vereinigten Arabischen Emiraten stellt Group 42 ihren Supercomputer Artemis für die Forschung zur Verfügung.
Ausbreitungsszenarien aus Wien
In Wien wird unterdessen an der Technischen Universität erforscht, wie sich das Virus ausbreitet. Das Ziel ist so prognostizieren zu können, welche Maßnahmen wirklich helfen und welche nicht. So könnte etwa genauer bestimmt werden, welche Schulen geschlossen und welche Veranstaltungen abgesagt werden sollten, anstatt alles dicht zu machen. Auch könnte so besser berechnet werden, in welchen Gebieten wie viele Quarantänebetten benötigt werden.
Das Modell ist agentenbasiert. In der Simulation werden also einzelne virtuelle Personen abgebildet, die sich nach bestimmten Mustern verhalten und Kontakte haben. Dazu werden Daten der Statistik Austria verwendet, wie etwa regionale Bevölkerungsdaten aus ganz Österreich. Topographische Faktoren (wie etwa Seehöhe) spielen eine Rolle, ebenso wie die von Region zu Region unterschiedliche Mobilität.
Eine Grunderkenntnis dabei ist, dass die Zahl der persönlichen Kontakte der größte Faktor für die Ausbreitung ist. Wenn jeder die Zahl der eigenen Kontakte um 25 Prozent reduziert, sinke der Spitzenwert der Neuerkrankungen um 42 Prozent. Verzichtet man gar auf die Hälfte der Kontakte, sind es sogar über 70 Prozent.
Laut dem Modell sind nicht nur die Hochrisikopatienten die größten potenziellen Verbreiter der Krankheit, sondern auch Einsatzkräfte und pflegende Angehörige. Diese sollten sich laut den Simulationen der TU Wien besonders schützen und in nächster Zeit so weit wie möglich auf Kontakte verzichten.
Kommentare