Die Gemeinde Neuhaus in Kärnten hat ihre Wasserversorgung mit Hilfe der FH Campus Wien digitalisiert

Die Gemeinde Neuhaus in Kärnten hat ihre Wasserversorgung mit Hilfe der FH Campus Wien digitalisiert

© Gemeinde Neuhaus

Science

Digitalisiertes Wassernetz erleichtert Umgang mit Trockenheit

Der Klimawandel bringt immer längere Trockenperioden mit sich. Immer öfter sind auch Gebiete in Österreich damit konfrontiert, dass Wasservorräte knapp werden und rationiert werden müssen. Im Sommer 2022, dem viertwärmsten der Messgeschichte, wurden vielerorts Menschen aufgerufen, kein Wasser mehr für Gartenbewässerung, Autowäsche oder Poolbefüllungen zu verwenden, um die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden.

Von der Trockenheit betroffen war auch die Gemeinde Neuhaus an der slowenischen Grenze im östlichen Kärnten. Sie unterzieht ihre Wasserversorgung allerdings einer umfassenden Digitalisierung und erhält dabei wissenschaftliche Unterstützung, u.a. von der FH Campus Wien. Das Management des eigenen Wasserhaushalts konnte dadurch bereits so verbessert werden, dass die Bevölkerung im Sommer nur minimale Einschränkungen erdulden musste. Das Vorgehen könnte anderen Gemeinden nun als Vorbild dienen.

Kleines Team, großer Aufwand

Neuhaus ist Außenstehenden am ehesten durch das futuristische Museum Liaunig ein Begriff. Die Gemeinde erstreckt sich über 36 Quadratkilometer und hat 1035 Einwohner. Das Trinkwasser stammt aus drei Quellen. Es wird in drei Hochbehältern gesammelt und in drei dezentralen Wasserversorgungsanlagen über ein 21 Kilometer langes Leitungsnetz verteilt. Früher wurden die Füllstände der Hochbehälter persönlich abgelesen, was für die fünfköpfige Gemeindeverwaltung einen großen Aufwand darstellte. "Wir haben nicht den Luxus eines großen Teams", sagt Patrick Skubel, Bürgermeister von Neuhaus.

2019 wurden die Hochbehälter mit einer Fernüberwachung ausgestattet, 2021 installierte die Gemeinde mit Hilfe der Kelag-Technologietochter Kelmin über 370 Funkwasserzähler. Sie kommunizieren, genau wie drei ebenfalls 2021 aktivierte Wetterstationen, mit LoRaWAN-Technologie. Damit war die technische Basis für ein verbessertes Wassermanagement gelegt.

Über ein Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) können Sensoren Messdaten aus dem Wassernetz besonders energiesparend übermitteln

Über ein Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) können Sensoren Messdaten aus dem Wassernetz besonders energiesparend übermitteln

Wissenschaft liefert Know-How

Zeitgleich wurden gemeinsam mit dem slowenischen Geologieinstitut Geoloski zavod Slovenije und der Fachhochschule Kärnten eine Strategie für ein nachhaltiges Wassermanagement für die 14 grenzüberschreitenden Gemeinden des Karawanken UNESCO Global Geoparks entwickelt. Des Weiteren wurde 2021 mit der TU Graz eine Forschungskooperation im Rahmen des mehrjährigen Forschungsprojekts "EWA: Entscheidungsfindung in der Wasserversorgung unter der Berücksichtigung von Wandelfaktoren" geschlossen.

Seit Juli 2022 gibt es eine Forschungskooperation mit der FH Campus Wien, durch die ein intelligentes, praktisches Überwachungssystem mit Schnittstellen für die Gemeindeverwaltung und die Öffentlichkeit geschaffen werden soll. "Unser Ziel ist es, eine Gesamtsicht auf die Wasserversorgung zu haben", sagt die Amtsleiterin von Neuhaus, Regina Wiedl, die das Projekt initiiert hat. "Wir wollen genau wissen, wieviel Einspeisungen und Entnahmen es zu jeder Zeit gibt und wir wollen daraufhin die richtigen Handlungen setzen."

Anomalien im Netz erkennen

"In Neuhaus hat man keine Möglichkeit eines 24/7-Monitorings durch Fachpersonal. Es braucht ein Managementsystem für eine kleine Gruppe an Leuten, die mit vielen anderen Dingen beschäftigt ist und sich nebenbei um die Wasserversorgung kümmert", sagt Heimo HIrner, der Leiter des Kompetenzzentrums Vienna Institute for Safety and Systems Engineering der FH Campus Wien. Sein Plan ist es, durch Machine Learning Anomalien im Wassernetz zu erkennen, richtig zu interpretieren und bei Bedarf die Gemeindemitarbeiter*innen zu alarmieren.

Eine meldenswerte Anomalie könnte beispielsweise sein, wenn es plötzlich zu übermäßigen Wasserentnahmen kommt, etwa weil eine WC-Spülung hängengeblieben ist oder weil ein Gemeindebewohner seinen Pool füllt. Wiedl: "Das klingt banal, aber es bringt die Wasserversorgung an den Rand der Belastungsgrenze. Wir wollen, dass Poolbefüllungen geplant werden. Nun erkennen wir sehr schnell, wo die Entnahme stattfindet. Wir können die Person kontaktieren und ihr sagen 'bitte jetzt nicht!'."

Ampelsystem für Bürger*innen

Im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten in den Studiengängen Computer Science and Digital Communications sowie Software Design and Engineering an der FH Campus Wien soll u.a. ein Bürger*innenportal geschaffen werden, auf dem man genau sieht, wie es um den Wasserhaushalt der Gemeinde bestellt ist. Mit einer Art Ampelsystem sollen sich Bürger*innen sofort einen Eindruck von Füllständen und Entnahmen machen können und Dinge wie Poolfüllungen anmelden können. "Wir glauben, je mehr Sensibilität für das Wasser wir bei Bürger*innen schaffen, desto besser werden sie mitarbeiten", sagt Skubel.

Student*innen der FH Campus Wien sollen außerdem dabei helfen, ein lokales Prognosemodell zu kreieren, bei dem Wetter und Niederschläge eingebunden werden sollen, um ein frühzeitiges Eingreifen in das Wassermanagement zu ermöglichen. Hirner: "Wir arbeiten nicht mit theoretischen Daten, sondern mit realen Live-Daten. Aus Forscher*innensicht ist das ein Schatz."

Bürgermeister Patrick Skubel (Mitte) und sein Team sind froh über ihre neuen Möglichkeiten beim Wassermanagement

Bürgermeister Patrick Skubel (Mitte) und sein Team sind froh über ihre neuen Möglichkeiten beim Wassermanagement

Enorme Erleichterung

Das Projekt zeige laut Hirner, welch enormen Nutzen das Internet of Things (IoT) bringen kann. Für kleine Gemeinden wie Neuhaus sei dies eine enorme Erleichterung. "Bevor wir unser neues System gehabt haben, wurden wir von leeren Behältern überrascht. Dann mussten wir sofort Einsatzkräfte alarmieren. Unser Mitarbeiter konnten nicht mehrmals täglich zu den Hochbehältern fahren", erzählt Patrick Skubel.

Durch die digitale Echtzeitüberwachung und mehr Wissen über die Regenerationsfähigkeit der Quellen sei es auch möglich, den Bürger*innen mehr Freiheiten einzuräumen. "Unsere Belastungsgrenzen sind dadurch weiter. Wir haben heuer gesehen, dass wir weiter gehen konnten als andere Gemeinden im Bezirk. Bei einer davon wurden erst Ende Oktober die Wassersparmaßnahmen vom Sommer aufgehoben", schildert Wiedl.

Überschaubare Kosten

Die Kosten für die Digitalisierung seien überschaubar gewesen. Die Installation von Sensoren und LoRaWAN-Funknetzwerk habe zwischen 25.000 und 30.000 Euro gekostet, für Software kamen rund 10.000 Euro dazu. "Wir haben aber tolle Partner, die uns auf nicht monetärer Basis unterstützen", räumt Skubel ein. "Die Summen hören sich nicht dramatisch an, aber für das Budget einer kleinen Gemeinde ist das schon beträchtlich", sagt Hirner.

"Die FH Campus Wien ist nicht auf Gewinn aus. Für Studierende ist das Projekt eine einmalige Gelegenheit, an realen Systemen zu arbeiten. Sie sind auch mit viel Elan dabei, weil ein echter gesellschaftlicher Mehrwert dabei herausschaut und wichtige Impulse in Zeiten der Klimakrise gesetzt werden."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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