© ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay), G. Anselmi;

Science

Das sind die ersten Bilder von Europas neuem Weltraumteleskop Euclid

Europas neues Weltraumteleskop Euclid hat seine ersten 5 atemberaubenden Aufnahmen zur Erde geschickt. Auf der Jagd nach Dunkler Materie nimmt es weite Flächen des Universums auf. Daraus soll schließlich eine dreidimensionale Karte entstehen. Für die ersten Bilder wurden Objekte gewählt, die sowohl die Öffentlichkeit begeistern als auch wertvolle Erkenntnisse für die Wissenschaft liefern.  

„Um Dunkle Materie zu kartieren und zu verstehen ist es notwendig, die Millionen von kleinen, weit entfernten Galaxien aufzunehmen. Aber auch mit den Einzelbildern lässt sich erstaunliche Forschung betreiben“, erklärt Francine Marleau, Leiterin der Euclid-Forschungsgruppe für Galaxienentstehung und Entwicklung von der Uni Innsbruck im Gespräch mit der futurezone. Sie war zudem an den Vorschlägen für die Auswahl der ersten Bilder beteiligt.

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Perseus Cluster

In diesem Bild sieht man 1.000 Galaxien aus dem Perseus Cluster. Über 100.000 weitere schwach leuchtende Galaxien sind im Hintergrund sichtbar, deren Licht teils 10 Milliarden Jahre zu uns unterwegs war. Mithilfe des Infrarotspektrometers können Astronom*innen und Kosmolog*innen ihre Entfernung bestimmen.

Anhand der Form der Galaxien lässt sich die Verteilung der Dunklen Materie berechnen. Das soll Aufschluss darüber geben, wie diese kosmische Komponente das Universum formt. Ohne sie wären die Galaxien gleichmäßig verteilt. Doch die Gravitation, die von Dunkler Materie ausgeht, sorgt dafür, dass sich Strukturen bilden. Sie schaffen ein kosmisches „Netz“ aus Galaxien.

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Zwischen den Galaxien werden außerdem freie Sterne sichtbar, die durch die Schwerkraft, die von den Galaxien ausgeht, zwischen sie gezogen werden. Ihre Position verrät Forschenden mehr über die Entwicklung dieser Regionen. 

Barnards Galaxie

Die schwach leuchtenden Zwerggalaxien sind unter anderem das Forschungsfeld von Francine Marleau. Sie hatte die Barnard Galaxie (NGC 6822) als Kandidaten für die ersten Euclid-Bilder vorgeschlagen und ist von der Komplexität des Bildes begeistert. Die Galaxie ist nur 1,6 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und lässt daher einen besonders detaillierten Blick zu.

„Weil sie so nah ist, können wir die einzelnen Sterne sehen. So kann man deren Eigenschaften extrahieren und nachvollziehen, wie die Galaxie entstanden ist“, erklärt die Forscherin. "Wir glauben, dass Zwerggalaxien die Bausteine von Galaxien sind". Sie formen sich und verschmelzen anschließen zu größeren Galaxien, so die Theorie.

Die violett gefärbten Bereiche sind Gebiete, in denen Sterne geboren werden. Gleichzeitig finden sich im Bild Sternenhaufen, die mitunter die ältesten Objekte im Universum darstellen. Die Sterne dort entstanden alle aus dem gleichen ursprünglichen Material und tragen daher die „Geschichte“ der ersten Sternenformationen in sich.

Kugelsternhaufen NGC 6397

Ähnlich verhält es sich beim Kugelsternhaufen NGC 6397, der sich 7.800 Lichtjahre entfernt in unserer Milchstraße befindet. Bisher war es unmöglich, seine komplexen Strukturen in Gänze auf ein Bild zu bekommen. Das Euclid-Bild macht es möglich, die besonders interessanten, schwach leuchtenden Sterne am Rand des Clusters zu beobachten. Normalerweise werden sie durch die helleren jüngeren Sterne im Zentrum überstrahlt.

Dort begeben sich Forscher*innen auf die Suche nach sogenannten „Gezeitenarmen“. Durch die Interaktion mit anderen Galaxien wurden Sterne wie in eine Art langem Schweif von ihrer ursprünglichen Galaxie weggezogen. „Wir vermuten, dass sämtliche Sternenhaufen in der Milchstraße so etwas haben, gesehen haben wir sie aber bisher nur bei einigen“, erklärt ESA-Forscher Davide Massari in einem Statement.

Findet man allerdings keinen Gezeitenarm, könnte ein Ring aus Dunkler Materie dafür sorgen, dass Sterne dem Cluster entkommen. Je nachdem, ob er gefunden wird, oder nicht, können die Forscher*innen die Verteilung von Dunkler Materie ablesen.  

Pferdekopfnebel

Der Pferdekopfnebel, auch bekannt als Barnard 33, im Sternbild Orion ist ein durchaus bekanntes Bild. Die Region ist mit 1.375 Lichtjahren Entfernung die nächstgelegene Sternengeburtsstätte. Forscher*innen suchen hier nach bisher unentdeckten Baby-Sternen und Planeten von der Größe des Jupiter.

Die malerische „Landschaft“ entsteht durch den Stern Sigma Orionis. Seine Strahlung ist stark genug, die kosmischen Molekül- und Staubwolken im Hintergrund zum Leuchten zu bringen und die optimalen Bedingungen für die Sternenformation zu schaffen. Die Wolken im Vordergrund sind kalt und geben weniger Licht ab, weshalb sie dunkler erscheinen und sich die namensspendende Formation eines „Pferdekopfes“ abhebt.

Spiralgalaxie IC 342

Doch nicht nur die kleinen Zwerggalaxien können in ihrer Gänze erfasst werden. Auch größere Galaxien werden komplett sichtbar. Zwar wirkt dieses Bild der Spiralgalaxie IC 342 für Astro-Fans fast schon ordinär. Doch Euclid ermöglicht es Forschenden, einzelne Sterne und Sternenhaufen innerhalb der Galaxie zu identifizieren.

Das wird Forschenden verraten, wie sich die Sterne und die gesamte Galaxie entwickelt hat. Anhand der Ergebnisse lassen sich dann Rückschlüsse auf unsere Galaxie ziehen. Da wir uns in ihr befinden, ist es schwierig, die Milchstraße in der Gesamtheit zu studieren, wie es mit ICR 342 möglich ist, teilt ESA-Forscherin Leslie Hunt in einer Pressemeldung mit.

So entstehen gestochen scharfe Aufnahmen

Die ESA betont vor allem, wie gestochen scharf die Bilder sind. Um das zu erreichen, muss das Teleskop enorm still gehalten werden. Es hat einen Spielraum von Millimetern. "Als dürfte man sich aus 24.000 Metern Höhe über dem Bullseye einer Dartscheibe nicht bewegen", vergleicht es Euclid-Flugleiter Michael Schmidt

Während das James Webb Teleskop mit Nahaufnahmen und einzelnen Details begeistert, ist Euclids Stärke, mit der gleichen Auflösung einen 100-Mal größeren Teil des Himmels abzudecken, erklärt Schmidt. Diese genauen Aufnahmen werden helfen, ein Drittel des Himmels zu kartografieren.

Sonnenaktivität machte Probleme

Wurde das Aufnahmeziel anvisiert, muss das Teleskop erkennen, dass die richtige Region im Fokus ist. Dafür besitzt es einen Fine Guidance Sensor, der an nur einem Stern seine Position bestimmen kann. Allerdings hat dieser Sensor zunächst für Probleme gesorgt. "In den ersten Bildern waren Artefakte zu sehen und das waren Fehler durch die erhöhte Sonnenaktivität."

Das zeigte sich in Form von Streifen auf den Bildern. Während das noch herausgerechnet werden konnte, machten Artefakte Probleme, die nur als Punkte sichtbar waren. Sie konnten nicht von Sternen unterschieden werden. "Man hat teilweise mehr Strahlungseffekte als Sterne gesehen und da musste der Hersteller in Rekordzeit von einem Monat eine neue Software entwickeln, die das filtern kann", so Schmidt. Daher wurden die ersten Euclid-Bilder mit 6 Wochen Verspätung geliefert, um zu garantieren, detaillierte und scharfe Bilder des Universums zu erhalten.

3D-Karte des Universums

Eine wichtige Besonderheit an alle diesen Bildern ist neben ihrer Schärfe auch die hohe Geschwindigkeit, in der sie aufgenommen wurden. Für jede Aufnahme wurden jeweils mehrere Aufnahmen mit einer Belichtungszeit von 17 Minuten über einen Zeitraum von nur einer Stunde gemacht. Einzig für das Bild des Perseus-Clusters wurde über einen Zeitraum von 5 Stunden belichtet. Andere Teleskope brauchen dafür mehrere Tage.

Bis zum 27. November wird der Performance-Test abgeschlossen. Anschließend werden die Instrumente anhand der bisherigen Daten weiter kalibriert. Anfang Jänner beginnt die eigentliche Arbeit an der Kartierung. In den kommenden 6 Jahren wird das Teleskop 40.000 Einzelbilder aufnehmen, die zur bisher genauesten 3D-Karte des Universums zusammengesetzt wird.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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