Was wir über die Expansion des Universums wissen und was nicht
Messungen des James-Webb-Weltraumteleskops zeigten vor wenigen Tagen, wie wenig wir über die Ausdehnung des Universums eigentlich wissen. Die Studie im Fachmagazin Astronomical Journal bestätigte erneut, dass die Expansionsrate höher ist, als es auf Basis früherer Messungen zu erwarten wäre.
Seit 2019 bestätigten Messungen der Teleskope Hubble und Webb immer wieder, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, und dass es Diskrepanzen zwischen den Messwerten gibt. Wir erklären, was wir über die Ausdehnung wissen – und was noch unbekannt ist.
Wie kann man sich die Expansion vorstellen?
„Der leere Raum dehnt sich im Laufe der Zeit aus. Die Ausdehnung findet in allen Richtungen gleichmäßig statt“, erklärt der Astrophysiker Tim Schrabback von der Universität Innsbruck. Vergleichen kann man das mit einem Blaubeer-Muffin.
Wenn die Zutaten in die Backform kommen, sind die Beeren im dichten Teig nah beieinander. Erst durch das Backen geht der Teig auf und sie bewegen sich voneinander weg. Die Beeren stehen in diesem Vergleich für die Galaxien und der Teig für den leeren, also interstellaren, Raum.
Die Größe der Blaubeeren ändert sich aber nicht und auch das lässt sich übertragen. „Galaxien sind von der Expansion ausgenommen, unsere Milchstraße löst sich nicht durch die Expansion auf“, sagt Schrabback.
Einen Mittelpunkt hat die Ausdehnung nach aktuellem Kenntnisstand nicht. Sie findet überall statt, wo sich leerer Raum befindet. „Von uns aus gesehen scheinen sich die Galaxien zu entfernen. Den gleichen Eindruck hätten wir aber auch, wenn wir uns in einer anderen Galaxie befänden“, erklärt er.
Wie schnell dehnt es sich aus?
„Dass sich das Universum ausdehnt, ist beobachtungstechnisch sicher“, stellt Schrabback fest. Die Expansionsrate wird mit der Hubble-Konstante beschrieben. Sie beschreibt die aktuelle Geschwindigkeit, mit der sich Objekte zu entfernen scheinen. Gemessen wird sie anhand von Objekten, die von der Erde aus beobachtet werden und sich von ihr wegbewegen.
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„Die Expansionsrate ist nicht so leicht zu messen, je nach Messmethode ergeben sich hier leicht unterschiedliche Werte, die sich etwa im Bereich von 67 bis 73 km/s pro Megaparsec (Mpc) bewegen“, so Schrabback. Ein Megaparsec ist eine Entfernungseinheit und entspricht 3,26 Millionen Lichtjahre. Je weiter 2 Galaxien voneinander entfernt sind, desto schneller bewegen sie sich voneinander weg. Bei 2 Megaparsec Abstand wäre ihre Beschleunigung voneinander weg also doppelt so hoch.
4 Messarten, 4 Messwerte
Berechnet man die Expansionsrate durch Daten des Planck-Weltraumteleskops, das die kosmische Hintergrundstrahlung aus dem frühen Universum erforscht hatten, kommt man auf einen Wert von 67,4 km/s/mpc. Für diese Berechnung muss man davon ausgehen, dass das kosmische Standardmodell korrekt ist.
Misst man im nahen Universum anhand sogenannter Cepheiden, also pulsierender Sterne, kommt man auf eine Expansionsrate von etwa 72 km/s/mpc. „Ob diese Diskrepanz auf systematische Messfehler zurückzuführen ist, oder einen Hinweis auf einen neuen kosmologischen Effekt jenseits des aktuellen Standardmodells der Kosmologie liefert, lässt sich wohl noch nicht abschließend beurteilen“, so Schrabback.
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2 neue Messungen aus diesem Jahr (hier und hier) anhand anderer Sterne kommen erneut auf unterschiedliche Messwerte, die dazwischen liegen. Sie nähern sich aber stärker dem Wert an, der anhand der kosmischen Hintergrundstrahlung ermittelt wurde.
Verschiedene Messwerte für die Hubble Konstante
Je nachdem, welche Messmethode man anwendet, ändert sich auch die Hubble-Konstante. Bei dieser Diskrepanz spricht man von der "Hubble-Tension", bzw. "Hubble-Spannung".
- Cepheiden: 72 km/s/mpc
- Tip of the Red Giant Branch (TIGB): 69,85 km/s/mpc
- J-Region Asymptomic Giant Branch (JAGB): 67,96 km/s/mpc
- kosmische Hintergrundstrahlung: 67,4 km/s/mpc
Wieso beschleunigt sich die Expansion?
Anhand weiter entfernter Objekte kann man außerdem bestimmen, dass sich die Expansion beschleunigt. Warum das so ist, ist nicht klar. Eigentlich würde man annehmen, dass die Ausdehnung langsamer wird, je länger sie dauert. Die NASA vergleicht das mit einem Glas, das man herunterwirft und dessen Bruchstücke immer schneller von uns wegfliegen würden, statt irgendwann liegenzubleiben.
„Um diese Beobachtung zu beschreiben, wurde die Dunkle Energie eingeführt“, erklärt Schrabback. Worum es sich dabei genau handelt, wissen Forscher aber bis heute nicht, denn man konnte sie bisher weder sehen noch messen.
Was könnte Dunkle Energie sein?
Nach jetzigem Stand müsste sie aber 68 bis 71 Prozent des Universums ausmachen. Diese Zahl ergibt sich aus verschiedenen kosmologischen Messungen, wie der Vermessung der Expansionsrate in verschiedenen Phasen der kosmischen Geschichte.
Eine mögliche Erklärung für Dunkle Energie ist die Vakuumenergie. „Sie besagt, dass die Energie des Vakuums nicht 0 ist, sondern es eine geringe Energiedichte hat“, so Schrabback. Das könnte sich beispielsweise daraus ergeben, dass der leere Raum gar nicht leer ist, sondern sich darin winzige Teilchen- und Antiteilchenpaare extrem schnell erzeugt werden und einander wieder vernichten.
Diese Quantenfeldtheorie würde nach aktuellem Stand aber eine höhere Energiedichte voraussetzen, als kosmologische Messungen ergeben. Auch hier bleiben also noch viele Fragen offen.
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Euclid soll Dunkle Energie erforschen
„Die Expansion des Universums bleibt eine der spannendsten Fragen in der Kosmologie“, sagt Schrabback. Licht ins Dunkle soll unter anderem das europäische Weltraumteleskop Euclid bringen. Damit soll ein Teil des Universums kartiert werden. Durch die Vermessung der Galaxienverteilung und der Messung des Gravitationslinseneffekts lassen sich Rückschlüsse auf die Verteilung der Dunklen Energie ziehen (mehr dazu hier).
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