
Karin Tausz ist Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
“Wir müssen die Freiheit von Wissenschaft und Medien schützen”
Karin Tausz fungiert bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) seit Herbst 2023 als Geschäftsführerin neben Henrietta Egerth. Im Interview mit der futurezone spricht sie unter anderem über Wissenschaft in Zeiten von Fake News, die Rolle einer starken Medienlandschaft und das Zusammenspiel zwischen Forschung und Wirtschaft.
futurezone: Momentan hat man das Gefühl, es geht überall nur um KI, KI, KI - welche Rolle spielt das Thema für die FFG?
Karin Tausz: Wir sehen natürlich, dass sich beim Thema KI sehr viel tut - vor allem in Amerika, aber auch in Asien. Und dass wir in Europa Aufholbedarf haben. Österreich liegt beim Thema Digitalisierung eher im Mittelfeld und jetzt kommt eben auch noch KI dazu. Was wir aber schon auch sehen, ist, dass wir hier auch große Stärken haben, was die Anwendung von KI betrifft. Und genau das fördern wir auch. Wir haben dazu verschiedene Programme und Schwerpunkte gelegt, wo wir Frontrunner bei dem Thema sein wollen. Von 2022 bis 2024 hat sich die Anzahl der Projekte in dem Bereich fast verdreifacht. Bei den Förderungen sind uns einerseits die Anwendungen wichtig, aber auch die Voraussetzungen - also etwa High-Performance-Computing (HPC). Wir bemühen uns, auch hier ein wichtiger Player in Europa zu sein.
Welche Schwerpunkte abseits von Künstlicher Intelligenz liegen bei der FFG derzeit im Fokus?
Grundsätzlich ist es vorweg wichtig zu sagen, dass wir eine dreijährige Finanzierungsvereinbarung haben - die läuft jetzt von 2024 bis 2026 - damit wir Unternehmen, aber auch Forschungseinrichtungen, eine gewisse Investitionssicherheit geben können. Zusätzlich zum Jahresprogramm haben wir immer auch die Flexibilität, Schwerpunkte setzen zu können. Derzeit sind das weiterhin das Thema Klimaschutzthemen wie Energiewende, Mobilitätswende, und auch die Transformation der Industrie, Schlagwort Dekarbonisierung. In den nächsten Jahren werden natürlich digitale Schlüsseltechnologien, dazu zählen auch KI, Mikroelektronik und neue funktionelle Werkstoffe, noch ein stärkerer Fokus sein. Und ein Thema, das für mich wunderbar beides miteinander verbindet und ungemein an Bedeutung gewinnt, ist das Thema Kreislaufwirtschaft, besonders Kreislaufwirtschaft in der Produktion.
Wie würden Sie den Wissenschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich bewerten? Wo sind wir gut, wo weniger?
Wenn man es mit Zahlen belegen will, dann sind wir im Benchmarking im Moment noch gut aufgestellt. Wir haben in Österreich eine High-Performance-Computingvon 3,34 Prozent. Das heißt, wir liegen eigentlich über dem europäischen Zielwert von 3 Prozent, weil die Forschungsquote in Europa ist ja unter 3 Prozent liegt. Wir stehen nicht schlecht da, und auch wenn man sich das Fördersystem anschaut, wird das international sehr gut bewertet. Also die Governance, das Angebot, dass es eine Unterstützung gibt, sowohl für die wissenschaftlichen Institutionen, von Ideenfindung, Entwicklung bis hin zur Markteinführung, als auch Start-ups, KMU und große Unternehmen, ist gut. Was uns nicht so gut gelungen ist, ist die Verbreiterung der Innovationsbasis für KMU. Da haben wir Unternehmen, die wir noch nicht erreicht haben.
In aller Welt erfahren Rechtspopulisten gerade einen Aufschwung, damit einher geht auch eine steigende Wissenschaftsskepsis. Macht Ihnen das Sorge?
Natürlich macht es mir Sorge. Ich glaube, dass die Menschen durch die Krisen der letzten Jahre, und allen voran natürlich Covid, verunsichert sind. Dann haben wir gerade diese geopolitischen Veränderungen, auch das erzeugt wahnsinnige Verunsicherung. Wir haben die technologischen Veränderungen, wo man erstmal mitkommen muss. Das heißt, es ist für die Menschen sehr schwierig, sich irgendwo festzuhalten und mit diesen vielen Veränderungen umzugehen.
Wie kann man hier gegensteuern, was kann man tun, um dieser Verunsicherung und eben auch diesen wissenschaftsfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken?
Das Wichtigste ist wohl, man versucht Vertrauen aufzubauen. Wissenschaft soll uns dazu dienen, die Welt besser zu verstehen, sie uns zu erklären und damit auch die Gesellschaft mit all ihren Facetten. Und das Erste, wo wir sicher mehr daran arbeiten müssen, sind Fakten. Faktenbasiert zu argumentieren. Sie haben die rechtspopulistische Seite angesprochen. Da geht es nicht um Fakten. Die erzählen einfach die “bessere” Geschichte, wo man sich leichter festhalten kann, die den Menschen dann genau diese vermeintliche Sicherheit gibt. Da kommen auch die Medien ins Spiel, denn wo wird mir denn die Welt gezeigt? Das Zweite ist, dass man eine Wachsamkeit braucht und die ist natürlich auch gerade von den wissenschaftlichen Organisationen und den Universitäten gefordert.
Viele Menschen scheinen allerdings nicht mehr zwischen Fakten und “alternativen Fakten”, also irgendwelchen Falschinfos, unterscheiden zu können oder sogar zu wollen.
Wir müssen jetzt die Freiheit der Wissenschaft und auch die der Medien schützen. Es ist wichtig, dass kritische Medien und Qualitätsjournalismus gefördert und nicht eingeschränkt werden. Und man muss jungen Menschen, eigentlich schon in der Volksschule, Medienkompetenz beibringen. Da geht es nicht nur darum, wie man Technologien einsetzt, sondern z. B. um die Frage: “Wie unterscheide ich überhaupt News?”. Oder: “Wie bilde ich mir eine Meinung?”.
Wissen zu viele Menschen vielleicht gar nicht, wie Wissenschaft funktioniert, wie wissenschaftliche Prozesse überhaupt ablaufen?
Ich glaube, gerade hier haben die Krisenjahre auch durch eine gewisse Vermischung von Wissenschaft und Politik dazu beigetragen, dass Menschen überfordert waren und ohne Vorwissen Entscheidungen für sich und ihre Familien treffen mussten, wo sie sich eigentlich nicht auskannten. Das ist meine persönliche Einschätzung. Wir als FFG sind natürlich bemüht, die Wissenschaftskommunikation voranzutreiben. Wir machen das unter anderem damit, dass wir erfolgreiche Forschungsprojekte auch vor den Vorhang holen, dass wir immer wieder Success-Storys publizieren und bei Veranstaltungen und Ähnlichem präsentieren.
Dann machen wir gleich mit erfolgreichen Projekten weiter: Wo finden aus Ihrer Sicht derzeit die spannendsten Innovationen statt?
Da gibt es natürlich viele Dinge. Zum Beispiel bei der Verdichtung von Wasserstoff. Da haben wir in Österreich mit HyCentA Research ein Forschungszentrum für Wasserstoff, das auch international für Erfolge sorgt. Wir haben aber genauso Erfolge im Bereich der klimaneutralen Städte. Und wenn wir eher auf die Technologieebene gehen, würde ich sagen, die Biotechnologie. Da gibt es viele Hidden Champions, wo einiges passiert, ebenso bei Greentech und nicht zuletzt haben wir in Österreich eine Stärke bei der Quantentechnologie. Und was vielleicht in der öffentlichen Wahrnehmung untergeht ist auch der Bereich der Weltraumforschung.
Wie wichtig ist die Vernetzung zwischen Forschung und Unternehmen? Und wie gut funktioniert das in Österreich?
Im Bereich der angewandten Forschung ist es wirklich sehr gut. Das gelingt natürlich auch durch die Förderprogramme, die wir haben: Ich meine da auch vor allem die Kompetenzzentren, also COMET (Anm. Competence Centers for Excellent Technologies mbH ). Da geht es genau darum: Wie kann ich die Wissenschaft, die Universitäten und angewandte Forschungseinrichtungen mit dem Bedarf der Unternehmen vernetzen? Wie bringe ich die auch dazu, nicht nur in Projekten zu denken, sondern in langfristigen Strategien und Visionen? Ich würde sagen, in dem Bereich sind wir wirklich gut aufgestellt. Da, wo wir sicher noch mehr tun werden und müssen, ist dieser Brückenschlag von der Grundlagenforschung eben in die angewandte Forschung beziehungsweise in die Produktentwicklung.
Gerade naturwissenschaftliche und technische Bereiche sind nach wie vor vielfach stark männerdominiert. Wo sehen Sie den größten Aufholbedarf, was Frauen betrifft?
Der Anteil von Frauen bei wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Forschungseinrichtungen ist etwa bei 25 Prozent. In den wissenschaftlichen Bereichen von Unternehmen, die Forschung betreiben, liegt er währenddessen nur bei 17 Prozent. Das ist noch schlechter. Da gibt es ganz einfach noch sehr viel zu tun, bis wir hier auch wirklich ein paritätisches Verhältnis haben. Daher bin ich ein Fan von allen Maßnahmen, die da hinführen. Ich stehe auch dazu, dass man hier Quoten festlegt. Wir haben natürlich auch Förderprogramme explizit in Richtung Diversität und Gleichstellung und Chancengleichheit. Wir haben auch teilweise in den Programmen Förderkriterien, wo das eine Qualitätsbeurteilung ist. Wo ich schon sagen kann, was sich deutlich verbessert, das ist die Sichtbarkeit. Da geht es um Dinge wie die Sichtbarkeit auf Panels, aber auch Frauen in Spitzenpositionen.
Wo sehen Sie noch die größten Hürden für eine wirkliche Gleichstellung?
Es liegt ganz offenbar oft noch an den Strukturen in den wissenschaftlichen Organisationseinheiten, aber das ist genauso in den Unternehmen. Uns beschäftigt das wirklich und die Förderagenturen und die angewandten Forschungseinrichtungen haben gesagt, wir müssen uns da zusammentun und schauen, wie wir das verbessern können. Wir müssen schauen, ob es an der sogenannten gläsernen Decke liegt, ob Arbeitsumfeldkulturen verantwortlich sind, usw.
Hatten Sie im Laufe Ihrer Karriere je das Gefühl aufgrund Ihres Geschlechts merklich benachteiligt zu sein bzw. “mehr” tun zu müssen als männliche Kollegen?
Ein Learning für mich war, dass in Bezug auf Erfolge männliche Kollegen schon immer sehr laut geschrien haben, und dass man da als Frau vielleicht schon mehr tun muss als notwendig. Und was ich immer wieder gehört hab: Man sollte als Frau halt auch mal bei Dingen weghören oder so. Und da sage ich: Nein, das muss man nicht.
Wenn Sie 5 Jahre in die Zukunft blicken, wie sollte der österreichische Forschungsstandort dann aussehen, dass Sie sagen würden, Sie sind zufrieden?
Erstens, und da sind wir derzeit ja gut darin, dass wir weiterhin ein attraktiver Standort für Menschen sind, die hier wissenschaftlich arbeiten wollen - denn wir brauchen Spitzenkräfte. Das heißt, sie müssen hier Möglichkeiten vorfinden, an spannenden Themen langfristig gut finanziert, mit guten Partnern aus der Industrie oder den Unternehmen arbeiten zu können. Das Zweite ist, dass wir es dann geschafft haben, Forschungsergebnisse gut in den Markt zu übersetzen und dafür auch entsprechendes Risikokapital haben. Und das Letzte wäre vielleicht noch, dass wir es schaffen, schnell auf Veränderungen zu reagieren, uns entsprechend aufzustellen in den Themen, in den Förderungen und in dem Ergebnis am Markt.
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