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Science

Hybridflugzeug mit Turbine im Frachtraum

Bei der Verbrennung von Kerosin setzen Flugzeuge Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) frei, die in hohen Luftschichten unter anderem Ozon verursachen. Das wiederum hemmt die Wärmeabstrahlung von der Erde und treibt die Klimaerwärmung voran. 

Doch auch der Mensch kann gesundheitliche Schäden erleiden, die durch die globale Luftfahrt ausgelöst werden. Laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist sie für 16.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Unter anderem verursachen Stickoxide Asthma oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Diese negativen Auswirkungen wollen die MIT-Forscher mit ihrem Konzept zu einem neuartigen Hybridelektroflugzeug künftig verhindern.

Abgasreinigung

Bei diesem wird die Turbine in den Frachtraum verlagert und mit einem Generator gekoppelt, der Strom für die Motoren erzeugt. Mithilfe eines Katalysators und der Beifügung einer Harnstofflösung in den Abgasstrom werden Schadstoffe wie Stickoxide in Substanzen zerlegt, die unbedenklich sind. Die Idee basiert auf modernen Abgasreinigungssystemen für  Dieselfahrzeuge.  

Da bei Flugzeugen die Turbinen unter den Tragflächen platziert sind, können Abgase bei der Kerosinverbrennung nicht abgefangen und gereinigt werden. Dazu wären bei einem Flugzeug derart große und schwere Anlagen nötig, dass die Aerodynamik laut den MIT-Forschern leiden würde. Daher befindet sich die Turbine bei ihrem Konzept im Frachtraum, wo das Abgassystem installiert werden kann.

Gewicht und Reichweite

Solche Ansätze zur zivilen Luftfahrt seien laut dem österreichischen Luftfahrtexperten Kurt Hofmann höchst begrüßenswert – besonders in der Corona-Krise: „Viele Flugzeughersteller befürchten, dass kein Geld mehr für Innovationen und Planungen in diese Richtung mehr verfügbar ist. Es ist ein positives Zeichen, dass sich Forscher also auch jetzt über Alternativen zum Antrieb von Flugzeugen Gedanken machen.“

„Es hat sich schnell gezeigt, dass es schwierig ist, über lange Strecken eine hohe Anzahl an Passagieren zu befördern.“

Kurt Hofmann, Luftfahrtexperte

Das Problem, das bei solchen Projekten allerdings immer wieder zum Vorschein komme, seien die Nutzlast an Passagieren und Fracht sowie die Reichweite, wie er gegenüber der futurezone sagt. „Es hat sich schnell gezeigt, dass es schwierig ist, über lange Strecken eine hohe Anzahl an Passagieren zu befördern.“ Bei diesem Projekt kann die Anlage außerdem viel Platz im Frachtraum beanspruchen.

Zwar sei laut den MIT-Forschern bei dem neuen Konzept genügend Platz in den Laderäumen vorhanden, dennoch sei laut Hofmann das Gewicht der Fracht wesentlich. Unabhängig von der Nutzlast steigt das Gewicht der Maschine mit dem Abgassystem nur gering. Dadurch erhöht sich der Kerosinverbrauch lediglich um 0,6 Prozent, geht man von einer Größenordnung einer Boeing 737 oder eines Airbus A320 aus. Technisch sei ein solches Hybridelektroflugzeug zwar herausfordernd – grundlegende physikalische Einschränkungen gebe es aber nicht. 

Symbolbild: Boeing 737

„Elektroflugzeuge sind aufgrund der Ausmaße von diversen Batterien und Energiespeicher oft so schwer, dass sie gar nichts mehr befördern können."

Kurt Hofmann, Luftfahrexperte

Schwer aber gut

Zwar kommen bei diesem Konzept im Vergleich zu einem herkömmlichen Flugzeug einige 100 Kilogramm an Gewicht dazu, gegenüber einem vollelektrischen Flieger sei es laut den Ingenieuren aber immer noch die bessere Variante. Denn das zusätzliche Batteriegewicht beträgt hier mehrere Tonnen. „Das ist absolut plausibel“, sagt Hofmann und ergänzt: „Elektroflugzeuge sind aufgrund der Ausmaße von diversen Batterien und Energiespeicher oft so schwer, dass sie gar nichts mehr befördern können. Das Konzept der MIT-Forscher ist daher sehr spannend“, sagt er. 

Die Entwicklung eines Energiespeichers für Elektroflieger, ohne dass das Gewicht der Maschine beeinflusst wird, ist schwierig – auf kurzen Strecken wird sie aufgrund geringerer Reichweiten aber schneller vorangehen, erklärt Hoffmann. Generell besteht großes Interesse an elektrischem Luftverkehr. Unter anderem plant Schweden am Flughafen Åre Östersund einen rein elektrischen Luftverkehr. 

Stickoxid-Reduktion

Den Berechnungen der Wissenschafter zufolge könnten die Stickoxid-Emissionen mit der Hybrid-Elektrik-Lösung um 95 Prozent und die jährlichen Todesfälle um 92 Prozent reduziert werden. Das Zukunftsszenario geht noch weiter in Richtung Umweltschutz. So wären derartige Hybridflieger fast klimaneutral, wenn sie mit synthetischem Kerosin getankt werden, das aus Biomasse oder Kohlendioxid und Ökostrom erzeugt wird. 

Bis es jedoch so weit ist, müssen wir uns laut Hofmann noch mit  fossilen Treibstoffen versorgen. „Der Verbrauch ist aber ohnehin aktuell massiv reduziert. Denn 80 bis 90 Prozent der Weltluftfahrt finden derzeit nicht statt. Dieser Trend soll aber nicht von Zukunftsprojekten abhalten“, sagt er.

Biokraftstoff und drei Flügel

Ein Hybridflugzeug, das durch ein 3-Flügel-Konzept durch die Luft befördert wird – das ist das Ziel des britischen Start-ups Faradair Aircraft für das Jahr 2026. Gemeinsam mit mehreren Partnern arbeitet es an der Realisierung eines nachhaltigen Luftfahrtkonzepts  – bei der Maschine handelt es sich um einen sogenannten „Triple Box Wing BEHA M1H“. Sie soll insbesondere für tägliche Pendlerstrecken eingesetzt werden. 

Die „Box Wing“-Tragflächenanordnung umfasst 3 Flügel untereinander, was eine deutlich geringere Spannweite begünstigt. Das hat den Vorteil, dass die Maschine auch auf kleineren Flugplätzen in Betrieb sein kann. 

300-Meter-Bahn

Zum Starten und Landen benötigt der Hybridflieger nur 300 Meter. Angetrieben wird er durch eine Gasturbine, die 2 Elektromotoren mit Strom versorgt. So können die beiden Propeller angetrieben werden. Um zusätzlich die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, wird der Hybridflieger mit Biokraftstoff getankt. Wenn alles nach Plan läuft, soll der Erstflug in etwa 5 Jahren stattfinden.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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