© ESA/CNES/Arianespace

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Zu Besuch im Bunker: Bange Stunden beim Start des James Webb Teleskop

Kurze Zeit vor dem Start sind alle Beteiligten nervös. Jeder kennt seine Aufgabe, alles läuft wie ein Uhrwerk. Eine gewisse Anspannung gibt es aber trotzdem, vor allem bei einer so teuren Fracht, wie dem James Webb Weltraumteleskop. Nach etlichen Verzögerungen ist das Startfenster nun für den 25. Dezember zwischen 13:20 und 13:52 Uhr angesetzt. In dieser Zeit muss alles perfekt sein für den Start, vor allem das Wetter. 

Dafür gibt es eine eigene Wetterstation auf dem Geländer des ESA-Weltraumbahnhofs in Kourou, Französisch-Guayana. Das Centre Spatial Guyanais liegt mitten im tropischen Regenwald in Südamerika, weshalb die Gefahr durch Gewitterstürme oder Winde in großen Höhen omnipräsent ist.

Vor dem Start holt die Wetterstation daher Informationen ein, per Satelliten und einen Wetterballon, der in über 30 km Höhe Messungen vornimmt. Bis kurz vor dem Start wird das Wetter überwacht und an die Verantwortlichen weitergegeben, damit alle Voraussetzungen perfekt sind. 

Ariane-5 wird bereit gemacht

Die Rakete Ariane-5 wurde am 23. Dezember auf Schienen zu ihrem Startplatz ELA-3 gebracht, gezogen von einem kleinen blauen Bus. In ihrer Spitze befindet sich bereits das zusammengeklappte Teleskop. An ELA-3 angekommen wird sie mit Flüssigwasserstoff und Flüssigsauerstoff betankt. Unter ihr befinden sich Feuerschächte, die später die Flammen gezielt ablenken, damit sie nicht unkontrolliert alles verbrennen.

Tonnenweise Wasser dämpft den Schall

Ariane-5 ist voll betankt und beladen etwa 500 Tonnen schwer. Damit entwickelt sich beim Start eine ohrenbetäubende Lautstärke, die für jeden in der Nähe ein sicheren Hörverlust zur Folge hätte. Deshalb entleeren sich eine Million Liter Wasser auf den Starttisch.

Das dämpft den Schall ab, ähnlich wie sich Geräusche reduzieren, wenn man im Schwimmbad den Kopf unter Wasser steckt. Durch das brennende Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch und das Ammoniumperchlorat der Feststoffbooster, das mit Aluminiumpulver reagiert, entsteht bei der Zündung eine so enorme Hitze, dass die vielen Tonnen Wasser einfach verdampfen.

Einblick ins "Cockpit"

Kontrolliert wird das alles 4 Kilometer entfernt im "Cockpit" der Ariane-5, dem Centre du Lancement 3 (CL3). Näher kommt man bei einem Start nicht an die Rakete heran. Die Fremdenlegion hat das Areal evakuiert und gesperrt. Das Gebäude selbst ist ein Bunker. "Hier fühle ich mich persönlich sicher", sagt Jean-Marc Durand, Chef von Arianespace in Französisch-Guayana bei meinem Besuch vor Ort. Er wird beim Start dort sein. Das CL3 ist luftdicht und mit einer Klimaanlage ausgestattet, um die Personen während eines Starts vor Rauch und giftigen Gasen zu schützen. 

120 Personen werden dort vor dem Start die Rakete überprüfen und sich um die Betankung kümmern. Es gibt ein Wartefenster von 30 Minuten, in dem Probleme noch behoben werden können, bevor der Countdown beginnt. Im Kontrollraum CL3 befindet sich aber auch ein Schalter, der alles zum Stillstand bringen kann. "Alles ist schon programmiert, niemand fasst mehr etwas an. Es gibt keinen Knopf für den Start, nur einen um ihn anzuhalten", erklärt Durand.

Ein Schalter stoppt den Start

7 Minuten vor dem Start wird die Kontrolle an den Computer übergeben. Geht dann noch etwas schief, wird der Schalter betätigt. Dann werden alle Prozesse angehalten und der Countdown wird auf -7 zurückgesetzt. Alles wird nochmals überprüft. Entscheidet CL3, dass nun alles seine Ordnung hat, wird grünes Licht zum "Salle Jupiter" gesendet.

Das ist der Kontrollraum, in dem alle Daten zusammenkommen. Hier sitzen alle Verantwortlichen von NASA und ESA, sowie  Zuschauer*innen, die den Start mitverfolgen. 58 Personen sitzen im Kontrollzentrum, 230 Plätze gibt es oben auf den Besucherrängen. Einr der wichtigsten Personen ist Jean-Luc Voyer, der Director of Operations. "Wir sind alle nervös in den Momenten vor dem Start, denn alles muss perfekt sein", erklärt er.

"Décollage"

Die Generalprobe wurde bereits am 19. Dezember erfolgreich durchgeführt. Alle Beteiligten wissen genau, was sie zu tun haben. Einen weiteren Testlauf wird es 3 Stunden vor dem Start geben. "Dann werden alle Schalter, Knöpfe und Systeme nochmals geprüft", sagt Voyer. 2 Stunden vor dem Start wird dann die Telemetrie überprüft, also ob die Videoverbindung zu Ariane-5 steht. 20 und 10 Minuten vor dem Start finden die letzten beiden Briefings statt. Hier geht es vor allem darum, die Daten aus der Wetterstation zu analysieren. 

Und dann rückt der große Moment immer näher. Voyer wird den Countdown durchführen, natürlich auf französisch. Einen kleinen Ausblick auf diese spannenden Sekunden gab er mir vor Ort:

Zunächst sagt er: "Vorsicht, das ist das letzte Signal vor dem großen Finale". Dann zählt er von 10 herunter, bis er "Top" sagt - und schließlich die erlösenden Worte "Allumage" (Zündung) und "Décollage" (Abheben) ertönen. Dann hebt sich die Rakete in den Himmel und bringt das James Webb Teleskop ins All. 

30 Minuten Bangen

Ganz getan ist die Arbeit damit im Salle Jupiter noch nicht, nur in CL3 kann man sich nun zurücklehnen. Etwa 30 Minuten Bangen und Hoffen folgen, bis Webb auf dem richtigen Weg ist. Nach 2:21 Minuten werden die Feststoffbooster getrennt, nach 3:26 Minuten klappt die Nutzlastverkleidung wie eine Muschel auf und gibt das Teleskop frei - dieses Ereignis wird man beobachten können, denn es wurden entsprechende Kameras angebracht. Nach 8:47 Minuten wird die Hauptstufe abgetrennt und nach 27:07 Minuten ist Webb ganz auf sich allein gestellt. 

Wie die Reise dann weitergeht, lest ihr hier. Der Start wird nach aktuellem Plan am 25. Dezember um 13.20 Uhr stattfinden. Die futurezone wird das Ereignis mit einem Live-Ticker begleiten. 

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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