Eichhörnchen isst Nuss

Rote Eichhörnchen werden von invasiven grauen Eichhörnchen bedroht

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Science

Von Eichhörnchen bis Pinguin: 5 KI-Tools, die Tieren helfen

Jeden Tag sterben laut Schätzungen 150 Tierarten weltweit aus. Das liegt zum Beispiel an Landnutzungsänderungen wie der Rodung von Regenwäldern, an Umweltverschmutzung oder dem Klimawandel, der manchen Arten stark zusetzt. 

Das Problem: Forscher schätzen, dass es bis zu 80 Millionen Tierarten geben könnte, ca. 1 Million davon sind der Menschheit bekannt. Das heißt: Wir wissen noch gar nicht, wie gravierend das Artensterben ist, nur, dass dringend Handlungsbedarf besteht. 

Künstliche Intelligenz (KI) kann zu dieser Herausforderung einen positiven Beitrag leisten und Licht ins Dunkel bringen. Hier sind 5 Beispiele für KI-Anwendungen, die Tieren helfen können.

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1. WWF sucht Geisternetze 

Viele kennen die Bilder von Schildkröten, die sich in Netzen verheddern und die problematische Dimension der Plastikverschmutzung in den Weltmeeren aufzeigen. Vor allem sogenannte Geisternetze sind ein Problem. Das sind Fischernetze, die Fischer verloren haben und nun in den Weltmeeren herumtreiben. Knapp 50.000 solcher Netze landen laut WWF jedes Jahr in den Ozeanen. Kompliziert daran ist, dass sie von der Oberfläche aus meist nicht sichtbar sind. 

Ein neues KI-Tool soll helfen, diese Geisternetze zu finden, indem sie Sonardaten auswertet. Diese werden vor allem für die Schifffahrt genutzt, um Unterwassergefahren zu erkennen. Dabei werden Schallwellen Richtung Meeresboden geworfen. Das zurückkommende Signal gibt Aufschluss darüber, ob sich etwas am Meeresboden befindet. Der WWF Deutschland nutzt diese Sonardaten, um Geisternetze zu finden. Die neue KI, die von Microsofts "AI for Good Lab" entwickelt wurde, hilft, die Daten schnell auszuwerten. 

Der WWF nutzt Sonardaten schon seit 2019 und konnte mittlerweile laut eigenen Angaben 26 Tonnen Geisternetze bergen – ein sehr geringer Anteil. Bis zu einer Million Tonnen Fischernetze und Fischereiausrüstung landen laut WWF jährlich in den Ozeanen.

Auf der Online-Plattform der Initiative Ghostnetzero.ai, werden jene Stellen markiert, wo die KI Geisternetze vermutet. Umweltschützer überprüfen die Stellen dann bei ihren Tauchgängen. Die Trefferquote der KI liege bereits bei 90 Prozent. Um sie weiter zu verbessern, bittet der WWF Forschungsinstitute, Behörden oder Offshore-Windkraftbetreiber, weitere Sonardaten bereitzustellen. Taucher können mit der App zur Verifizierung der Daten beitragen. 

2. Was zum Geier geht in der Umwelt ab

Jeden Tag sterben Tiere. Der Tod kann aber auch viel über das Leben aussagen. Geier übernehmen als Aasfresser eine wichtige Aufgabe in Ökosystemen und in Kombination mit KI sind sie besonders gut geeignet, um den Tod zu untersuchen. Die Gaia-Initiative, ein Zusammenschluss aus Forschungsinstituten, Naturschutzorganisationen und Unternehmen, nutzt afrikanische Weißrückengeier für ihre Untersuchungen. 

Im Projekt Gaia-Sat-Iot hängen sie den Tieren einen Rucksack um. Dieser beinhaltet einen satellitengestützten Sender, ein Gehäuse, eine Linse, den Sensor der Kamera, einen Akku, ein Solarpanel und Mikroprozessoren. Die Herausforderung dabei: Damit die Tiere nicht gestört werden, darf der Rucksack nicht schwerer als eine Tafel Schokolade sein. Durch den kleinen Rucksack bekommen die Forscher Echtzeit-Daten und Bilder aus Sicht der Geier. 

Durch die KI werden diese Datenmengen analysiert. Sie erkennt etwa, um welche Art von Kadavern es sich handelt. Das gelinge mittlerweile mit einer Trefferquote von 92 Prozent und sei damit schon sehr genau. 

3 Jahre hat das Team für die Entwicklung des Prototyps gebraucht. Damit kann jetzt herausgefunden werden, ob eine Wildtierkrankheit ausgebrochen ist, ob Umweltgifte im Umlauf sind oder ob Tiere bei der Wilderei illegal getötet wurden. Getestet wurde das Frühwarnsystem beispielsweise in Uganda oder Namibia. 

Gerade wenn Krankheiten ausbrechen, sind solche Früherkennungssysteme sehr wichtig, um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Das Projekt kann auch helfen, die Geier selbst zu schützen. Denn auch die Geier sind durch den Verlust von Lebensraum und Nahrung, als auch durch Vergiftung bedroht. Die Forscher arbeiten bereits an einer europäischen Version mit einer KI für Raben, die sich teilweise von Aas ernähren. So könnten auch bei uns Tierseuchen wie die Afrikanische Schweinepest besser beobachtet werden. 

3. Wie heimische Eichhörnchen gerettet werden könnten

Graue Eichhörnchen kamen vor ungefähr 200 Jahren in das Vereinigte Königreich und vermehren sich seither stark. Gleichzeitig sind sie zu einer Gefahr für die heimischen roten Eichhörnchen geworden, da sie einen Virus übertragen, gegen den sie selbst immun sind. Für heimische rote Eichhörnchen aber ist er tödlich

Squirrel-Agent ist ein KI-System, das invasive graue und rote heimische Eichhörnchen unterscheiden kann. Das klingt einfacher als es ist, denn um die invasiven, nicht gewollten von den heimischen, gewollten Eichhörnchen zu unterscheiden, braucht es mehr als die Fellfarbe. Zum Beispiel geben ihre Schwänze oder Ohren Aufschluss darüber, ob sie zur heimischen oder invasiven Art gehören.

Die KI wurde mit Tausenden von Bildern trainiert, im Vereinigten Königreich getestet und erzielt mittlerweile eine Trefferquote von 97 Prozent. Das Tool wird nicht nur zur Erkennung genutzt, sondern kann auch Eichhörnchen-Futterstellen steuern. Erkennt das KI-System ein rotes Eichhörnchen, bekommt das Tier Futter. Erkennt Squirrel Agent ein graues Eichhörnchen, bekommt dieses eine Verhütungspaste, sodass es sich nicht fortpflanzen kann. 

Entwickelt wurde die KI von Genysys Engin. In Zukunft soll Squirrel Agent genutzt werden, um Individuen anhand ihrer Schnurrhaare erkennen zu können. Die Entwickler hoffen aber auch, das System bald für andere Tierarten verfügbar machen zu können. 

4. Wenn Ziegen an Schmerzen leiden 

Wenn Menschen Schmerzen haben, teilen sie diese Information meist früher oder später anderen Artgenossen mit. Tut Tieren etwas weh, können sie uns das nicht so einfach erzählen. KI könnte bald helfen, zu erkennen, ob Tiere leiden

Am College of Veterinary Medicine der University of Florida haben Forscher die Gesichter von 40 Ziegen gefilmt. Manche davon hatten offensichtlich Schmerzen, andere nicht. Die Videos wurden dann in eine KI eingepflegt. Diese sollte den Unterschied zwischen einer unter Schmerzen leidenden Ziege und einer zufriedenen Ziege erkennen lernen. 

Die Trefferquote der KI beim Erkennen von Schmerz liegt laut den Forschern je nach Modell zwischen 62 und 80 Prozent. Für zuverlässigere Ergebnisse brauche es aber mehr Daten, so die Wissenschaftler. In Zukunft könnte die Methode nicht nur helfen, das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern, sondern auch in der Landwirtschaft nützlich sein. Zum Beispiel, wenn Nutztiere aufgrund von Schmerzen weniger produktiv sind.

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5. Wie Touristenfotos zur Erforschung von Pinguinen beitragen 

Man mag es kaum glauben, aber ja, Menschen machen Urlaub in der Antarktis. Wissenschaftler nutzten ihre Touristenfotos und Künstliche Intelligenz, um eine digitale 3D-Karte der Pinguinkolonien in der Antarktis zu erstellen.

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Genauer gesagt geht es um Adeliepinguine – eine sogenannte Sentinel-Art, die auf Gefahren für den Menschen hinweist. Diese Tiere sind zum Beispiel ein Indikator für das Voranschreiten des Klimawandels. Die Wissenschaftler nutzten Segment Anything, ein KI-Tool von Meta, das Objekte aus Bildern ausschneiden kann, um die Kolonien von  Adeliepinguinen aus den Urlaubsbildern hervorzuheben. Durch menschliche Unterstützung konnte die KI ganze Kolonien in Touristenfotos automatisch identifizieren. 

Laut den Forschern ist die KI eine große Unterstützung, da sie zur Identifizierung nur maximal 10 Sekunden pro Bild braucht. Im Vergleich dazu brauchen Menschen mindestens 1 Minute. Mithilfe der Fotos, Satellitendaten und Höhenangaben konnte zusätzlich ein digitales 3D-Modell der Antarktis erstellt werden. Durch die Identifizierung von Landschaftsdetails in den Touristenbildern konnten die Forscher die Pinguinkolonie im 3D-Modell genau lokalisieren. 

So können sie nachvollziehen, wie sich Pinguinkolonien verändern – also die Größe der Population, aber auch wo sie sich befindet. Das sei hilfreich, da gerade in abgelegenen Regionen nur selten Erhebungen mittels Drohnen oder Flugzeugen durchgeführt werden. Die Arbeit führt aber auch zu einem Zwiespalt bei Wissenschaftlern. Denn manche sind besorgt, dass durch Methoden wie diese Touristen ermutigt werden, solche sensiblen Ökosysteme zu bereisen.

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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