Radweg
© Kurier / Jeff Mangione

Science

Künstliche Intelligenz für griffige Radwege

Radwege müssen anders analysiert werden als Straßen für Autos. Dabei könnte künstliche Intelligenz helfen

Menschen bewegen sich heute mehr denn je. Die Verkehrsinfrastruktur ist dadurch vor eine große Herausforderung gestellt. Straßen, Schienen, Rad- und Fußgängerwege sollen gleichzeitg allen Belastungen gewachsen, möglichst langlebig und sicher sein. Wir haben mit Anna Huditz, der Leiterin der Competence Unit Transportation Infrastructure Technologies am AIT Austrian Institute of Technology darüber gesprochen.

futurezone: Das Mobilitätsverhalten vieler Menschen hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren verändert. Radfahren wurde z.B. beliebter. Wird das so bleiben?
Anna Huditz:
Radfahren wurde auch schon vor der Pandemie beliebter, weil mehr Platz dafür da ist. Das ist eine Entwicklung, die sich fortsetzen wird. Wir arbeiten auch ganz intensiv an der Erhöhung der Verkehrssicherheit für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen.

Wie gehen Sie da vor?
Wir setzen zum Beispiel die "Mobility Observation Box" ein. Diese überwacht Kreuzungen und kritische Streckenabschnitte und kann automatisch Konfliktpotenziale erfassen. Sie erkennt über einen Algorithmus heikle Situationen - z.B., ob Autofahrer*innen zu einer gewissen Tageszeit weniger bremsen, oder ob sie an einer Kreuzung immer abbiegen und nicht sehen, dass da Fußgänger*innen queren wollen. Weiß man, woran das liegt, kann man bauliche Verbesserungen schaffen, etwa Gehsteiginseln, die zur Straße vorgezogen werden, damit Fußgänger*innen nicht durch parkende Fahrzeuge verdeckt werden.

Mobility Observation Box des AIT an einer Stange neben Straße

Mobility Observation Box des AIT

Wie wird sich der Autoverkehr entwickeln? Der private Autobesitz ist ja zuletzt wieder beliebter geworden.
Das Verreisen mit dem Auto ist die einzige Mobilitätsform, die derzeit für viele in Frage kommt. Ist die Krise einmal vorbei, werden Menschen Reisen unternehmen wie zuvor auch. Das wird sich dann automatisch wieder weg vom Auto bewegen.

Der Klimawandel ist ein Problem, das die Menschheit länger begleiten wird. Welche Rolle spielt da die Verkehrsinfrastruktur?
Das Versiegeln von Flächen hat einen riesigen CO2-Fußabdruck, etwa durch die Herstellung von ressourcenintensiven Baustoffen. In Zukunft wird sich der Bausektor weg vom Neubau, hin zum Sanieren und Revitalisieren, zur Instandhaltung vorhandener Verkehrsinfrastruktur bewegen. Es werden neue Baumaterialien genutzt werden und künstliche Intelligenz, um Lebenszyklen besser auszunutzen. Und es wird ein Umdenken geben, weg vom Billigsten hin zu umweltverträglicheren Lösungen. Im Hochbau passiert das schon stark.

Wie setzt man so ein Umdenken durch?
Das muss stark von den Auftraggeber*innen ausgehen. Gerade bei großen Projekten liegt das meist in öffentlicher Hand. In den Ausschreibungskriterien muss dann etwa verankert werden, dass der Bestbieter den Zuschlag bekommt, nicht der Billigstbieter. In diesen Bestbieterkriterien muss auch Nachhaltigkeit bewertet werden. Höhere Preise werden ja am Ende durch Einsparungen an anderer Stelle und einen Beitrag zu den Klimazielen wieder wettgemacht.

View of Moracica bridge of Bar-Boljare highway

Durch intelligentes Sanieren halten Bauwerke länger

Wie kann die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur dabei mithelfen, den Klimawandel zu bremsen oder mit den Folgen zurechtzukommen?
Wenn die Verkehrsinfrastruktur einmal errichtet ist, ist baulich nicht mehr viel möglich. Aber es ist schon ein Gewinn, Bauwerke, die ein gewisses Alter erreicht haben, durch intelligentes Sanieren länger Instand zu halten. Ein Beispiel ist das Monitoring von Brücken mit Glasfaser. Da werden ganz sensible Glasfaserkabel verklebt, vereinfacht gesagt wird Licht durchgeschickt und je nachdem, wie es reflektiert wird, kann man Verformungen oder Risse feststellen. Man kann dadurch sehen, wie sich die Brücke bewegt und kann so intelligente Sanierungsmaßnahmen zur richtigen Zeit treffen.

Das AIT hat ja ein mobiles Labor zur Straßenzustandserfassung entwickelt, den "RoadSTAR". Was ist daraus geworden?
Der RoadSTAR ist ein kommerzielles Hochleistungslabor, das ständig weiterentwickelt wird. Das Tolle daran ist, dass man mit 60 bis 80 km/h im fließenden Verkehr fahren und dabei alle Fahrbahnparameter in einer Überfahrt aufnehmen kann. Auf Kamerabildern sieht man dann etwa, wie sich Risse entwickelt haben, Scanner generieren Informationen zur Ebenheit. Das lässt Schlüsse auf die Lebensdauer der Fahrbahn zu. Außerdem überprüft wird die Griffigkeit. Dabei wird eine nasse Fahrbahn simuliert und mit einem Reibungsmesser abgetastet. Das ist maßgeblich für Bremswege. Der RoadSTAR ist auch eingebunden, wenn es um das Testen neuer Fahrbahnoberflächen geht.

Welche neuen Fahrbahnoberflächen?
Bei manchen Autobahnabschnitten wird im Rahmen von Forschungsprojekten die Fahrbahn "gegrindet", also ganz leicht längsgefräst. Das sind nur wenige Millimeter tiefe Rillen. Sie führen zu einem geringeren Rollgeräusch, könnten sich aber je nach Methode negativ auf die Griffigkeit und Haltbarkeit der Fahrbahndecke auswirken. Vonseiten der Straßenerhalter wird da sehr viel ausprobiert und Innovation gefördert.

Die Verlängerung der Lebensdauer der Straßeninfrastruktur scheint beim RoadSTAR jedenfalls zentrales Anliegen zu sein.
Das Ausnutzen des Lebenszyklus sehen wir beim AIT als Kernaufgabe. Wenn man wirklich die Maßnahmen setzt, die notwendig sind, spart das Geld und ist nachhaltig. Wir machen das nicht nur bei Straßen, sondern zum Beispiel auch bei Bahnbrücken. Mit den Wiener Linien wiederum untersuchen wir das so genannte Schienenkreischen, das zu Lärmbelastung für die Anrainer*innen führt. Wir finden aber auch heraus, wo man Schienen baulich anders ausführen muss, weil es zu einem ungewöhnlich hohen Verschleiß kommt. Dadurch rattert die Straßenbahn.

Werden auch Radwege untersucht?
Da gibt es noch wenige laufende Projekte. Wir versuchen aber unter anderem, die Feststellung der Griffigkeit von Radwegen zu digitalisieren. Wir verwenden dabei vom AIT entwickelte Hochleistungskameras, die ursprünglich u.a. für das Geldzählen und -prüfen entwickelt wurden. Eine Griffigkeitsmessung, wie auf der Straße, funktioniert bei Radwegen nicht. Man müsste da mit dem Lkw mit über 60 km/h unterwegs sein, das geht sich auf einem Radweg nicht aus. Deshalb testen wir, ob wir künstliche Intelligenz dafür einsetzen und die Griffigkeit über Bilder herleiten können. Wir sehen es als notwendig an, unsere Verfahren in diese Richtung weiterzuentwickeln.

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit AIT Austrian Institute of Technology

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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