Medikamente in Rekordzeit: Forscher entwickeln Highspeed-Technologie
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Weltweit arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an einem Heilmittel für COVID-19. Bis ein Impfstoff oder Medikament aber tatsächlich entwickelt wird, kann es mehrere Jahren dauern. Insbesondere dann, wenn ein Medikament bisher noch nie in der präklinischen Studie war. Laut Markus Zeitlinger, Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien, müsse man in diesem Fall – ähnlich wie auch bei Impfstoffen – mit 8 bis 12 Jahren rechnen.
Bekannte Moleküle
Mit einem nicht ganz neuen Medikament kann man dem Experten zufolge aber schneller vorankommen. „Daher versucht man, auf Moleküle zurückzugreifen, die wir schon haben und klinisch getestet wurden“, sagt er. Unter anderem würde das Medikament Remdesivir, das ursprünglich gegen Ebola entwickelt wurde, als Mittel gegen das neue Coronavirus angedacht. „Damit kann ich sofort für Patienten mit COVID-19 einsteigen, weil bereits Studien mit Menschen durchgeführt wurden. Das gilt etwa auch für Hydroxychloroquin, Camostat oder die HIV-Kombinationstherapie – hier gibt es schon eine riesige Sicherheitsdatenbank“, so der Experte.
Anders als bei der Erforschung von Impfstoffen (siehe unten) gehe es bei jener von Medikamenten grundsätzlich um kleine Sprünge: So können Medikamente helfen, den Krankheitsverlauf zu mildern, sodass weniger Menschen im Spital landen, oder Patienten auf Intensivstationen höhere Überlebenschancen haben. „In den nächsten Wochen oder Monaten wissen wir, welche Medikamente aus dem bekannten Kreis solche kleinen Sprünge schaffen werden“, sagt Zeitlinger.
Schnellere Produktion
Ist der Wirkstoff einmal gefunden, kann das Medikament hergestellt werden. Der Wirkstoff fungiert laut Johannes Khinast, Forscher an der TU Graz und Geschäftsführer des RCPE-Forschungszentrums, wie ein Mikrochip. Wie auch der in ein Gerät eingebaut werden muss, müsse der Wirkstoff in ein Medikament verarbeitet werden.
Doch auch das braucht im Allgemeinen Zeit: „Normalerweise wird in Chargen produziert – nach jedem Schritt wird die Anlage abgestellt und das Zwischenprodukt getestet. Die normale medizinische Produktion inklusive Wirkstoff dauert in der Regel zwischen einem halben und ganzen Jahr“, sagt er.
Das könnte sich bald ändern. Denn RCPE hat eine „High-Speed-Technologie“ entwickelt, mit der die Produktion von Medikamenten enorm beschleunigt werden und zusätzlich in Österreich – „wir sind zu 90 Prozent von China und Indien abhängig“ – vonstattengehen kann. „Der große Unterschied zum herkömmlichen Produktionsansatz ist, dass bei uns das Material von Anfang bis Ende durch die Anlage durchfließt – ohne Stopp“, sagt er.
Die Qualitätsüberwachung verliefe in Echtzeit. Somit könnten Medikamente in ein bis zwei Tagen und im großen Maßstab produziert werden. „Wir sind schon dabei, für gewisse Wirkstoffe, die international erfolgversprechend sind, sogenannte Syntheserouten zu entwickeln. Das sind die chemischen Reaktionsschritte, die je nach Medikament zwischen 5 und 20 Schritte umfassen können“, sagt Khinast.
Errichtung der Anlage
Erforscht wurde das Schnellverfahren gemeinsam mit Oliver Kappe und Eva Roblegg – ebenfalls Forscher an der TU Graz – innerhalb der vergangenen 6 Jahre. Nun gehe es darum, eine zertifiziere Anlage zu bauen, die es erlaubt, nach den Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und -umgebung – genannt „GMP“ (Good Manufacturing Practice) – zu produzieren.
Stärkste Waffe
RCPE sei dazu bereits mit dem Land Steiermark, den Ministerien und der EU im Gespräch. Die TU Graz habe zudem bereits zugesagt, Räumlichkeiten für die Anlage zur Verfügung zu stellen. Die habe laut Khinast den Vorteil, sehr klein zu sein. „Wenn wir das jetzt umsetzen können, könnten wir in 6 bis 9 Monaten bereits mit vorhandenen Wirkstoffen produzieren“, sagt er.
Bis dahin ist jeder noch auf sich gestellt. Laut Markus Zeitlinger sei unsere stärkste Waffe derzeit nicht die Behandlung, sondern nicht krank zu werden.
Einfachere Entwicklung von Impfstoffen
Laut dem Pharmakologen können Virostatika (Virenhemmer) häufig nicht im eigentlichen Sinn heilen. „Bei Impfstoffen ist das anders, weil sie sowohl das Individuum schützen als auch eine Herdenimmunität erreichen können.“ Die Entwicklung von Impfstoffen ist aber langwierig.
In der Regel geht man laut Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien von rund 10 Jahren aus. „Etwa 5 Jahre dauert die Arbeit in den Forschungslabors“, sagt sie. Wurde eine Substanz entwickelt, folge die präklinische Testung mit Tierversuchen. Erst wenn diese erfolgreich sind und Versuche zur Sicherheit gemacht wurden, könne der Impfstoff-Kandidat in die klinische Testung kommen.
Corona ist Ausnahme
Dabei werden unter anderem Verträglichkeit und Immunität überprüft. In der dritten Phase werden laut Expertin schließlich an mehr als 2.000 Menschen Wirksamkeit und Nebenwirkungen erfasst. Im Falle von Corona habe sich die Impfstoffentwicklung aber beschleunigt. „Es werden Impfstoff-Plattformen verwendet, die man sich wie Gerüste vorstellen muss. In die bringt man bestimmte Erreger oder Erregerteile ein“, so Wiedermann-Schmidt. Diese Gerüste können etwa Virus-ähnliche Partikel sein, in die die genetische Information des gewünschten Antigens hineinkommt.
„Da es vor COVID-19 schon SARS-1 gegeben hat, wurden derartige Plattformen schon verwendet und konnten nun adaptiert werden. Damit können nun Impfstoffkandidaten schon innerhalb von ein bis drei Monaten in die klinische Testung übergehen“, sagt die Spezialistin. Überschlagsmäßig müsse man bis zur Zulassung noch mit 12 bis 18 Monaten rechnen. „Dabei muss aber alles gut laufen. Nächstes Jahr schon einen Impfstoff zu haben, der an gesunden Menschen angewandt werden kann, ist sehr optimistisch.“
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