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Michio Kaku: "Zeitreisen sind zumindest plausibel"

Der US-amerikanische Physiker Michio Kaku ist ein ausgewiesener Experte für die Stringtheorie. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aus der Wissenschaft scheut Kaku auch vor weitgreifenden Prognosen nicht zurück. Er ist vielen Science-Fiction-Fans ein Begriff, weil er in zahlreichen Dokumentationen zur technologischen Zukunft der Menschheit befragt wurde. Wenn es darum geht, ob Zeitreisen möglich sind, ob wir auf dem Mars überleben können oder wie wir unsterblich werden könnten, ist Kaku einer der beliebtesten Ansprechpartner und Redner. Kaku war kürzlich als Keynote-Redner bei der Fachmesse OpenText Enterprise World zu Gast. Die futurezone hat die Gelegenheit genutzt, um ihn über den Spagat zwischen seinen Rollen als Wissenschaftler und Zukunftserklärer zu befragen. Außerdem erklärt Kaku, wo die Menschheit in einigen hundert Jahren stehen könnte.

futurezone: Sie sind Physiker und Futurologe. Wie geht das zusammen?
Als ich acht Jahre alt war, ist Einstein gestorben. Die Leute glaubten, dass seine größte Arbeit, die sogenannte "Theorie von Allem", nie vollendet werden würde. Einstein wollte eine kurze Formel, die ihm erlauben sollte, die Gedanken Gottes zu lesen. Ich wollte wissen, was daran so schwierig sein sollte. Ich habe aber auch gerne ferngesehen. Mit Flash Gordon habe ich Raumschiffe, Strahlenwaffen und Außerirdische kennengelernt. Jahre später wurde mir bewusst, dass die beiden Faszinationen meiner Kindheit, Physik und die Zukunft, eigentlich zwei Seiten einer Medaille sind. Wenn man die Physik versteht, versteht man auch, wie sich die Zukunft entwickeln wird.

Spekulationen über Zeitreisen hört man nicht so oft von Wissenschaftlern.
Es gibt drei Arten von unmöglich. Die erste Kategorie widerspricht den bekannten Gesetzen der Physik. Das Erschaffen von etwas aus dem Nichts zum Beispiel. Aber es gibt auch Dinge, die zumindest plausibel sind. In diese Kategorie gehören Zeitreisen. Falls es möglich ist, wird es tausende Jahre dauern, bis wir so weit sind. Um Zugang zu genügend Energie zu bekommen, müssten wir nämlich mit einem Schwarzen Loch spielen können. Die dritte Kategorie sind Dinge, die für die meisten Menschen unmöglich scheinen, die aber eigentlich durchaus machbar sind. Das sind etwa fliegende Autos. Die sind nur ein Ingenieursproblem und eine Frage der Rentabilität.

In Ihrer Vision kommt die Wissenschaft sehr gut weg. Dabei haben Physiker auch viel schlechtes erfunden. Sind Sie ein Utopist?
Die meisten Wissenschaftler sehen Technologie als zweischneidiges Schwert. Die eine Seite schneidet Ignoranz, Armut und Krankheit. Die andere schneidet unschuldige Menschen. Was moderne Technologie angeht, sehe ich das anders. Das Internet verbreitet Wissen und ermächtigt Menschen. Jeder kann sich im Internet bilden und lernen, dass man nicht in einer Diktatur leben oder leiden muss. Das Internet verbreitet Demokratie und Demokratien bekriegen sich nicht gegenseitig.

Die Aussage, dass das Internet die Demokratie verbreitet, scheint aus heutiger Sicht gewagt.
Das Internet kreiert kein menschliches Verhalten. Es ist nur ein Vergrößerungsglas. Natürlich gibt es Kriminelle. Das heißt aber nicht, dass die Natur des Menschen von Kriminalität bestimmt wird. Der Großteil will einfach ein besseres Leben. Es wird immer Hacker und Kriminelle geben, aber die schreiben nicht die Geschichte, sondern sind nur Randnotizen. Sie können das Unausweichliche nur verzögern. Das Unausweichliche ist die Erschaffung einer demokratischen Gesellschaft, die in Frieden lebt.

Was sagen Sie zu antidemokratischen Tendenzen und Vorstößen in Richtung Überwachungsstaat?
In den 80er-Jahren hat die National Science Foundation entschieden, das damalige Netz zu öffnen und die Technologie kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es gibt in der Geschichte nur sehr wenige solche Beispiele für eine hochgeheime militärische Waffe, die gratis hergegeben wurde. Davor war Orwell's Vision aus 1984 eine mögliche Zukunft, es gab ein Internet und eine Regierung, die es kontrollierte. Fortschritt, Wissenschaft, Medizin, das alles würde zum Teufel gehen, wenn man das Internet abdrehen würde. 1984 ist heute deshalb unmöglich. Was wir heute erleben, sind kleine Übergangsschwierigkeiten. Wenn Historiker die Geschichte unserer Epoche niederschreiben, wird es eine kleine Fußnote geben, die sagen wird “es gab übrigens ein paar Leute, die versucht haben, die Entwicklung zu stören”.

Abschalten kann man das Internet vielleicht nicht, aber man kann die Menschen damit kontrollieren.
Das ist wie zu versuchen, den Ozean mit einem Becher zurückhalten zu wollen. Du kannst so viel Wasser schöpfen, wie du willst, aber es kommt immer mehr.

Muss die Politik der Technologie den Rahmen vorgeben?
Demokratien sind immer ein Durcheinander. In Diktaturen sagt eine Person, wo es langgeht und das passiert dann. Demokratien sind am Ende die beste Lösung, weil alle Teile der Gesellschaft in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Ich denke, dass derzeit Regeln gemacht werden, weil die Technologie menschliche Beziehungen revolutioniert. Das wird eine anstrengende Diskussion werden, aber am Ende werden wir eine Lösung finden.

Wohin wird sich die Menscheit in Zukunft entwickeln?
Wir bewegen uns auf eine Typ-1-Zivilisation zu, nach der Kardaschow-Skala. Die Menschheit ist noch etwa 100 Jahre von Typ 1 (derartige Zivilisationen nutzen alle Energie, die von ihrem Stern auf ihren Planeten abgestrahlt wird) entfernt. Englisch ist bereits eine Typ-1-Sprache, weil sie global genutzt wird. Wir sehen auch den Beginn einer Typ-1-Wirtschaft, mit der EU, NAFTA und anderen Handelsblöcken. Die olympischen Spiele und Fußball sind Typ-1-Sport. Wir stecken in den Geburtswehen einer Typ-1-Zivilisation. Aber derzeit sind wir noch Typ-0, das ist die Barbarei des aus dem Schlammkriechens. Das ist eine gefährliche Situation. Wir schleppen viel Gepäck mit uns herum aus der Typ-0-Phase, etwa Fundamentalismus, Sektierertum, Rassismus, Nationalismus und so weiter. Ich hoffe trotzdem, dass wir Typ 1 erreichen.

Was ist mit Typ 2?
Das wird einige tausend Jahre dauern. Typ 2 bedeutet Unsterblichkeit. Nichts, was die Wissenschaft heute kennt, kann einer Typ-2-Zivilisation gefährlich werden.

Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zu Typ 1?
Wir haben all diese hausgemachten Probleme, weil wir in der Ära der Nationalstaaten stecken. Davor waren wir in der Ära der Provinzen, Kolonien und Siedlungen, jetzt geht es um Nationen. Danach kommt schon Typ 1, eine Zivilisation, die wahrhaft planetar ist. Aber wir schleppen den Ballast früherer Formen von Kultur und Politik mit uns. Die Gefahr einer Selbstzerstörung ist durchaus gegeben. Klimawandel, Atomwaffen und eine Entgleisung der Biotechnologie, das sind drei Dinge, die die Menschheit vernichten könnten.

Welche bedeutenden Fortschritte wird die Menscheit in absehbarer Zeit machen?
Gentherapie, Fusionsenergie, Quantencomputer und das Netz der Gehirne, das uns eine mentale Kontrolle des Internets erlauben wird. Emotionen, Gefühle und Erinnerungen werden über das Netz verschickt werden. Das alles wird nicht in den nächsten fünf Jahren kommen, aber vielleicht in 20. Wir werden die Einführung dieser Technologien ziemlich sicher noch erleben. Auf der anderen Seite wird die Verdoppelung der Rechenleistung unserer Computer alle paar Monate bald ein Ende finden. Das wird die Dinge erstmal verlangsamen.

Wie sieht es mit derr Eroberung des Weltalls aus?
Der Joker sind die privaten Unternehmen. Regierungen arbeiten sehr langsam und vorhersehbar. Bei Privatunternehmen sprechen wir von Visionären, die ihr Scheckbuch zücken. Wir könnten deshalb sogar Staus bei der Anreise zum Mond erleben, unsere Enkel verbringen ihre Flitterwochen vielleicht schon auf dem Mond. Die Raumfahrt wird sich auch für normale Bürger öffnen, weil es Geld zu verdienen gibt. Google will Rohstoffe im Asteroidengürtel abbauen.

Sehen Sie die private Raumfahrt nur positiv?
Es ist gut, wenn Regierungen sich beteiligen, aber sie sind sehr langsam und vorsichtig. Das bedeutet auch teuer. Die Booster-Rakete, die die NASA entwickelt, soll vielleicht einmal pro Jahr zum Mond fliegen, bei Kosten von einer Milliarde pro Start. Das ist zu langsam und zu teuer. Elon Musk sagt, er kann das für einen Bruchteil davon machen. Er muss sich nicht so sehr um Regulierung kümmern und zahlt mit seinem Scheckbuch. Eine Kombination aus beiden Ansätzen scheint mit eine gute Sache zu sein.

Musks Vision von der Besiedkung des Mars klingt nicht sehr glaubhaft. Der Mars bringt Menschen um.
Musk hat seinen eigenen Zeitplan, aber er kennt auch die Gefahr. Für die NASA ist das Risiko inakzeptabel, weil sie eine Serie von Unfällen im All nicht tolerieren könnte. Aber Musk sagt ganz klar, dass es mit seinem Zeitplan Unfälle geben wird. Auf die Frage, ob er selbst zum Mars gehen will, sagt Musk “ja, aber nicht zu Beginn”. Er will nicht dort sterben.

Sie sprechen oft von "perfektem Kapitalismus" als Wirtschaftsmodell der Zukunft.
Das ist der Weg, den die Technologie vorgibt. Einige Leute haben gedacht, die neue Technologie würde den Kapitalismus überschreiben und eine neue Wirtschaftsform gebären. In Wahrheit perfektioniert die Technologie den alten Kapitalismus, der ineffizient und unsicher war. Die Geräte und Algorithmen eliminieren die Unsicherheit.

Geld wird uns also auch in ferner Zukunft begleiten?
Ich glaube ja. Es sei denn, wir erfinden den Replikator, wie es ihn in Star Trek gibt. Dann bräuchten wir kein Geld mehr. Das wird aber noch mindestens 100 Jahre lang über unsere Fähigkeiten hinausgehen. Wenn es klappt, hätten wir quasi magische kräfte und könnten Materie in beliebiger Form nach Bedarf erschaffen. Dann brauchen wir kein Geld mehr sondern sagen nur, was wir wollen und das Gerät stellt es her. Wir werden Geld noch eine lange, lange Zeit nutzen.

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Markus Keßler

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