Motobit: App hilft, Motorradunfälle zu vermeiden
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Motorradfahren ist für viele Menschen vor allem ein Vergnügen. Biker setzen sich auf ihr Gefährt, um zum Spaß, als Sport oder zur Entspannung durch die Gegend zu kurven. Nur wenige nutzen das Fahrzeug als Autoersatz. Im Durchschnitt sind sie dabei zirka 5.000 Kilometer pro Jahr unterwegs, wobei die Saison traditionell am 1. März losgeht und bis Ende Oktober dauert.
Nikolaus Mikschofsky fährt jährlich zwischen 5.000 und 10.000 Kilometer mit seinem Motorrad. Gemeinsam mit Alessio Sevarin und Luca Menato hat der Grazer das Start-up Motobit gegründet, mit der Absicht, das Motorradfahren sicherer zu machen. Dazu war viel Forschungsarbeit notwendig.
Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten
Viele Unfälle passieren aufgrund einer falschen Selbsteinschätzung der Fahrkünste. Die Motobit-App soll Biker*innen dabei unterstützen, die eigenen Fähigkeiten besser beurteilen zu können und so Unfälle zu vermeiden. „Durch eine Analyse des individuellen Fahrverhaltens in Kombination mit Informationen über das Straßennetz kann unsere App im Voraus vor herausfordernden Kurven oder möglichen Gefahrenstellen warnen“, erzählt Mikschofsky der futurezone.
Um einen Überblick über das individuelle Fahrverhalten zu gewinnen, greift die Motobit-App auf die Navigationsdaten sowie auf den Beschleunigungssensor des Smartphones zu. Damit wird die Strecke aufgezeichnet sowie die Geschwindigkeit ermittelt. Dann folgt noch ein weiterer Schritt zur Datennachbearbeitung. „Nach knapp 100 Kilometern lässt sich etwas über das Fahrverhalten sagen“, erklärt Mikschofsky.
Was für Reifen am Fahrzeug montiert sind, oder was für ein Motorrad gefahren wird, müssen die Forscher dafür nicht wissen. „Die meisten Unfälle passieren, weil Fahrer*innen ihre Grenzen nicht kennen. Da spielt die Neuheit des Reifens nur selten eine Rolle“, sagt Sevarin.
Kurven als Gefahr
Doch woran liegt es, dass die meisten Unfälle in einer Kurve passieren? „Dazu muss man das Motorrad seitlich legen, um einen bestimmten Neigungswinkel zu haben. Ab einem bestimmten Punkt merken Fahrer*innen, dass die Geschwindigkeit zu hoch ist, um die Kurve so wie geplant zu fahren oder der Neigungswinkel ist zu gering“, erklärt Sevarin. Das Kernstück der Motobit-App ist deshalb ein sogenannter „Kurvenassistent“. Dieser wurde mit Förderungen des Science Park Graz und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) entwickelt. „Ohne finanzielle Unterstützung hätten wir es nicht geschafft“, so Sevarin.
Durch den Kurvenassistenten werden Biker*innen während der Fahrt, basierend auf ihrem zuvor errechneten Fahrverhalten, vor herausfordernden Kurven gewarnt. Die Warnungen können dabei entweder am Smartphone-Display zu sehen sein, das in einer Halterung am Gerät angebracht ist, oder aber per akustischem Signal, das über ein Bluetooth-Headset übermittelt wird.
Eigenes Armband für Vibrationen
Die verlässlichste Methode, bei der die Reaktionszeit am geringsten ist, ist jedoch ein kleines Armband namens Sentinel. Dies sieht aus wie eine Smartwatch. „Die Entwicklung des Prototyps war ein gefördertes Forschungsprojekt“, sagt Sevarin. Der Grund, warum man sich dabei für ein eigenes Produkt und nicht eine einfache Integration in eine Smartwatch entschieden hat: „Die Vibration am Armgelenk eines Bikers muss aufgrund der verschiedenen Einflüsse wie Wind sehr stark sein“, so Mikschofsky. Bei herkömmlichen Smartwatches kann man die Stärke der Vibrationen nicht kontrollieren. „Sentinel lässt sich auch am Nierengürtel anbringen, so stark sind die Vibrationen“, sagt der Motobit-Gründer.
Die Motobit-App gibt es für Android-Geräte im Play Store. Eine iPhone-Version ist für 2024 angedacht. Sentinel kostet 149 Euro und ist auf der Motobit-Website erhältlich. Die kostenlose Motobit-App kann komplett ohne Sentinel genutzt werden. Es gibt mit Motobit Premium außerdem eine kostenpflichtige Version, die zusätzlich zu den Sicherheitsfeatures noch Funktionen bietet, die dem Vergnügen dienen wie etwa eine erweiterte Touranalyse.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Wichtige Forschung für mehr Sicherheit von Zweirädern
Wie oft kommt es eigentlich zu Ereignissen, bei denen Zweiradfahrer*innen beinahe stürzen, aber es dann doch nicht so weit kommt? Dieser Forschungsfrage widmen sich die beiden Motorradfahrer Nikolaus Mikschofsky und Alessio Sevarin im FFG geförderten Projekt namens „kerb“. „Beinahe-Unfälle werden nie statistisch erfasst“, erklärt Sevarin der futurezone.
Die beiden haben eine geprüfte Methode aus der Arbeitssicherheit so umgestaltet, dass damit auch Beinaheunfälle im Bereich der Motorradsicherheit erkannt werden können. Dabei spielen die Sensoren von Smartphones eine große Rolle. Denn diese sind in der Lage, Beinaheunfälle zu erkennen.
Referenzdaten
Das geschieht etwa, wenn ein Bremsmanöver registriert wird, oder ein Ausweichmanöver. Für diese Forschung gingen die beiden auch in den Wintermonaten Motorrad fahren, um Referenzdaten zu sammeln. „Wir haben gezielt auf öffentlichen Parkplätzen Manöver durchgeführt“, so Mikschofsky. „Zusätzlich hatten wir auch noch die Möglichkeit, an Sicherheitstrainings des ÖAMTC teilzunehmen, um uns die Brems- und Ausweichmanöver genauer zu studieren“, so der Forscher.
Die Erkenntnisse landeten in Folge auch im Produkt der Smartphone-App Motobit. Gefahrenpunkte, an denen es eine statistische Häufung von Beinaheunfällen gegeben hat, werden nun in der App als Warnung für alle Fahrer*innen angezeigt. Damit ist das Ziel der beiden, die Sicherheit der Motorradfahrer im Straßenverkehr zu erhöhen, erreicht.
Fahrzeugdaten erwünscht
Doch das Forschungsprojekt, das im Juni 2022 abgeschlossen wurde, war nicht ihr letztes in diesem Bereich. Aktuell arbeiten die beiden am Projekt „D-Tras“. Dabei geht es darum, dass Fahrzeugdaten herangezogen werden könnten, um die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zu verbessern, die auf den Straßen unterwegs sind.
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