Die NASA fürchtet, zu wenige Astronaut*innen für ihre Missionen zu haben.

Die NASA fürchtet, zu wenige Astronaut*innen für ihre Missionen zu haben.

© NASA

Science

Im All fehlt es an Astronauten

Es ist der Kindheitstraum vieler Menschen: Einmal ins Weltall fliegen, sich einmal schwerelos fühlen und einmal aus einem kleinen, runden Bullauge auf unseren blauen Planeten blicken.

Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich diesen Traum erfüllen. Für 55 Millionen Dollar pro Kopf fliegt das private Raumfahrtunternehmen Axiom Space sogar zur internationalen Raumstation ISS. Damit diese Flüge auch glatt ablaufen, muss laut NASA mindestens eine Ex-Astronaut*in dabei sein, die für die Sicherheit der Mission sorgt.

Diese sind rar, etwas mehr als 200 pensionierte NASA-Astronaut*innen gebe es momentan auf der Welt. Wie viele davon als Weltraum-Sherpas für private Flüge ins All zur Verfügung stehen, ist unklar. Noch seltener sind allerdings aktive Astronaut*innen, denn wie so viele Arbeitsbereiche ist auch die Raumfahrt von Fachkräftemangel betroffen.

NASA warnt vor zu wenigen Raumfahrer*innen

Die NASA warnte etwa Anfang des Jahres, dass ihr schlicht und ergreifend die Astronaut*innen fehlen. Zu den Hochzeiten im Jahr 2000 waren fast 150 Raumfahrer*innen bei der NASA beschäftigt, momentan zähle man nur noch 44 Aktive. Das sei für Flüge zur ISS noch ausreichend. Für die ab 2025 geplanten, jährlichen Artemis-Missionen zum Mond sei man aber unterbesetzt. An mögliche Expeditionen Richtung Mars sei erst gar nicht zu denken.

“44 Astronaut*innen sind eine relativ große Gruppe”, sagt Rüdiger Seine, Leiter der Astronautenausbildung beim Europäischen Astronautenzentrum in Köln, der futurezone. “Viele davon sind allerdings in ihren Missionen gebunden oder werden am Boden gebraucht”, erklärt der Experte. Außerdem hätten die USA viel mehr Flüge, die sie zu besetzen haben.

Fakten zu Astronaut*innen

Knochen
1 bis 2 Prozent an Knochenmasse verliert eine Astronaut*in wegen der Schwerelosigkeit pro Monat im All – auch wenn sie dort Sport macht.

Euronauten
Momentan verfügt die Europäische Raumfahrtorganisation ESA über 7 aktive Raumfahrer*innen aus Italien, Deutschland, Dänemark, Frankreich und England. Die Italienerin Samantha Cristoforetti ist die einzige Frau der Truppe.

878 Tage
hat der russische Kosmonaut Gennadi Iwanowitsch Padalka insgesamt auf mehreren Missionen im All gebracht – so viele wie niemand sonst.
 

Der derzeitige Mangel an Astronaut*innen ist zum Teil auf einen Anstieg an Pensionierungen in den Jahren zwischen 2004 und 2012 zurückzuführen. Etwa 90 Raumfahrer*innen hängten ihren Raumanzug in der Zeit an den Nagel. Momentan gehen etwa 3 pro Jahr in Pension. 

USA rekrutierte 10 neue Astronaut*innen

Nachschub brachte eine Bewerbungsrunde im Jahr 2020, bei der sich mehr als 12.000 US-Amerikaner*innen bewarben. Nur 10 davon begannen im Jänner 2022 ihr zweijähriges Training, sie sollen einen Teil des Kernteams bei den kommenden Artemis-Missionen bilden.

“Dabei müssen sie aber zuerst Erfahrung sammeln, etwa bei ISS-Flügen - und das dauert”, meint Seine. Allein bei der ESA dauere die Grundausbildung etwa ein Jahr, das Missionstraining dauert noch einmal 2 Jahre.

Auch das Auswahlverfahren für NASA-Astronaut*innen hat es in sich. Grundvoraussetzungen sind etwa ein Masterabschluss in einem wissenschaftlichen Fach wie Physik, Geologie, Mathematik, Ingenieurswesen oder Informatik. Auch mit einem abgeschlossenen Medizinstudium kann man Raumfahrer*in werden. Alle Kandidat*innen müssen jedoch über mindestens 2 Jahre Berufserfahrung verfügen, oder über 1.000 Flugstunden als Jetpiloten absolviert haben.

Auch ESA sucht

Auch die europäische Weltraumorganisation ESA suchte im vergangenen Jahr wieder nach Kandidat*innen, mehr als 22.000 haben sich gemeldet, davon knapp 500 aus Österreich. “Im Moment stehe man bei etwa 50, 4 bis 6 davon sollen im nächsten Jahr in die Grundausbildung starten”, verrät Seine. “Das reicht für die Beteiligung an den ISS- und Artemis-Missionen.” Außerdem wolle man auch nicht zu viele Menschen ausbilden, die dann nicht ins All fliegen können. Das habe auch finanzielle Gründe. „Allein die Ausbildung für eine 6-monatige Mission auf der ISS kostet zwischen 1,3 und 2,8 Millionen Euro“, sagt Seine.

Obwohl auch die Anforderungen an die ESA-Astronaut*innen hoch sind, sei die wissenschaftliche Ausbildung bei der ESA nicht das Wichtigste. “Die meisten Astronaut*innen sind keine Wissenschaftler*innen, sondern Laborassistent*innen, Monteur*innen oder Tüftler*innen, die das Schiff am Laufen halten. Da ist der passende Charakter entscheidend.” Und auch die körperlichen Voraussetzungen seien nicht mehr so streng, wie sie früher einmal waren. „Früher war bereits eine Zahnfüllung ein Ausschlusskriterium. Das ist heute nicht mehr so“, verrät Seine.

Parastronauten geplant

Im vergangenen Jahr konnten sich erstmals Anwärter*innen mit körperlichen Beeinträchtigungen bewerben, konkret mit Einschränkungen der Beine und Kleinwuchs. „Mit unserem Parastronautenprojekt wollen wir die Voraussetzungen untersuchen, die es braucht, um Leuten mit Behinderung eine Chance für den Beruf zu geben“, sagt Seine. Dabei gehe es nicht darum, Menschen einfach ins All zu schießen, sondern darum, ein vollwertiges Crewmitglied zu erhalten.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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