Das österreichische Spin-off Innophore wurde von NVIDIA bei der CES in Las Vegas als Schlüsselpartner für die KI-Zukunft gefeatured..

Das österreichische Spin-off Innophore wurde von NVIDIA bei der CES in Las Vegas als Schlüsselpartner für die KI-Zukunft gefeatured. Es macht KI-Software für Protein-Analyse.

© Innophore GmbH

Science

NVIDIA will mit KI-Firma aus Graz neue Medikamente erforschen

Im Körper und in der Natur sind Proteine wie ein Aufräumtrupp. Ihr Einsatz ist immer gefragt, wenn etwas kaputt ist, repariert oder umgebaut werden muss. Ohne diese Baustoffe würden Menschen zerfallen, denn sie machen Muskeln, Haut und Haare fest. Auch bei biochemischen Abläufen sind sie wichtig – Proteine schützen uns in Form von Antikörpern etwa vor Krankheiten. Weil sie so wichtig sind, möchte man möglichst viel über sie wissen. 

Das österreichische Forschungsunternehmen Innophore hat sich den Bausteinen des Lebens verschrieben und simuliert sie und ihr Verhalten am Computer. Damit können etwa neue Medikamente entwickelt und umweltschonende Reinigungsmittel geschaffen werden; sogar Autoreifen und Plastikmüll werden damit biologisch abgebaut.

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Kimberly Powell, Vize-Präsidentin von Gesundheit bei NVIDIA (links), NVIDIA-CEO Jensen Huang und Christian Gruber (rechts), Forscher, CEO und Mitgründer von Innophore. 

Im Rampenlicht

Wie beachtlich die Leistung des Grazer Unternehmens ist, wurde kürzlich bei der Technikmesse CES in Las Vegas deutlich. Dort wurde Innophore bei der Eröffnungsrede von NVIDIA-Chef Jensen Huang gezeigt, weil der Konzern im österreichischen Unternehmen einen wichtigen Partner sieht, um mithilfe von KI neue „Wirkstoffe gegen Krankheiten zu finden“. NVIDIA stellte Innophore nämlich Rechenleistung zur Verfügung, die damit das Proteom des Menschen – also die Gesamtheit aller Proteine im Körper – entschlüsselt haben.

Große Zukunftspläne

Der Chemiker und Innophore-Chef Christian Gruber ist aus San Francisco gerade wieder mit Neuigkeiten zurückgekommen, wie er der futurezone erzählt. „Wir werden unsere Partnerschaft verstärken. NVIDIA würde gerne ein neues allumfassendes, biologisches Modell erstellen. Nicht nur vom menschlichen Organismus, wie wir es mit NVIDIA im vergangenen Jahr gemacht haben: Es wird auf Pathogene, Bakterien, Pilze und Tiersysteme erweitert. Das werden wir jetzt zusammen umsetzen.“ 

Jungforscher sollen dann mit der neuen Protein-Simulation arbeiten und dafür Preise von NVIDIA bekommen. „Für uns ist das natürlich grandios, weil wir dadurch die Leute vom MIT, Stanford und Berkeley und die von österreichischen Universitäten dazu kriegen, mit unserer Technologie zu arbeiten“, meint Gruber.

Fakten

Das Proteom ist die Gesamtheit aller menschlichen Proteine. Den ersten Modell-Datensatz des aller Proteine eines durchschnittlichen  von europäischstämmigen Menschens hat Innophore mit NVIDIAs Hilfe erstmals entschlüsseln können. Die Rohdaten wurden veröffentlicht.

Mehrere hundert Millionen Stunden an CPU-Rechenstunden hat NVIDIA Innophore im Rahmen der Partnerschaft zur Verfügung gestellt. Damit könnte man Zehntausende Jahre lang ein rechenintensives Computerspiel wie Cyberpunk 2077 spielen.

Natur am Computer kopieren

Computerdarstellungen von Proteinen macht Innophore von Anfang an. „Bei uns geht es darum, ein biochemisches oder biologisches System am Computer abzubilden, um Vorhersagen über die Wirkung von etwas treffen zu können – etwa, wie eine andere Virenvariante sich verhält. Oder welche Nebenwirkungen ein gewisses Medikament auf den Menschen hätte“, erläutert Gruber. „Das meinen wir, wenn wir von Modell sprechen. Technisch ist das heute meistens KI-basiert, weil das eine unglaubliche Geschwindigkeit erlaubt.“ 

Gewissermaßen könne man ihre Software auch mit ChatGPT vergleichen. „Es ist ein Modell, das mit einem gewissen Datensatz trainiert ist und darauf basierend Fragen beantworten kann“, erklärt Gruber. Bei ChatGPT ist die Grundlage viel Text, bei Innophore Proteinwissen. 

Mit der KI-Software Cavitomix von Innophore können Proteineigenschaften für verschiedenste Anwendungen erforscht werden. 

COVID-19

Schon in der Pandemie half Innophores Software dabei, das COVID-Virus, seine Mutationen und das Verhalten im menschlichen Körper besser zu verstehen. Viren sind mittlerweile nicht mehr der Hauptfokus. Nun geht es um die Analyse von ganz verschiedenen Proteinen für mannigfaltige Anwendungen. 

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Eine der wichtigsten sieht Gruber in der personalisierten Medizin. Viele Menschen erleben etwa, dass Medikamente bei ihnen, im Unterschied zu anderen, nicht wirken – wegen biologischer Unterschiede, die man mit Innophores Software feststellen kann. „Wenn sich Menschen sequenzieren lassen, kostet das nicht mehr viel, um die hundert Dollar. Wir könnten diesen Datensatz mit unserem Standard-Genom abgleichen und die Unterschiede automatisiert herausarbeiten“, erklärt Gruber. Auf dieser Basis könnte man personalisierte Behandlungen entwickeln, die maßgeschneidert für einzelne Patienten sind.

Schlaue Europäer

„Wir sind in Europa ein fantastischer Wissenschaftsstandort, es gibt viele Talente und gute Köpfe“, sagt Gruber: „Man glaubt immer, alle gehen in die USA. Aber eigentlich kommt vieles davon aus Europa.“ Hinter wissenschaftlichen Durchbrüchen im Tech-Bereich stecken oft europäische Niederlassungen, wie Google DeepMind in London, wenn man genau hinsieht. Die europäischen Beiträge würden oft untergehen, meint der Innophore-Chef. 

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Fakten

NVIDIA wurde 1993 in Kalifornien gegrünet. Es gilt als führender Hersteller von Grafikprozessoren (GPUs). Zu Beginn des Krypto-Hypes erlebte NVIDIA einen Boom, weil sich einige Kryptowährungen mit GPUs besonders gut „schürfen“ lassen.

Seit ein paar Jahren gibt es den nächsten Boom. Die GPUs eignen sich sehr gut für das Trainieren von Künstlicher Intelligenz, weshalb sie in vielen Rechenzentren zu finden sind. Das macht NVIDIA mit 3,5 Billionen Dollar Börsenwert zum derzeit wertvollsten Unternehmen der Welt, noch vor Apple und Microsoft.

Innophore wurde 2017 als Spin-off der Universität Graz gegründet. Das Unternehmen hat neben seinem Hauptsitz in der Steiermark auch eine Niederlassung in San Francisco. Sein neuestes Produkt ist die Proteinanalyse-Software Cavitomix für das Aufspüren von Medikamenten-Nebenwirkungen. Mit der Innophore-Kooperation entwickelt NVIDIA seine BioNeMo-Plattform weiter, mit der u. a. Medikamente entwickelt werden.

In China und den USA sei v. a. die Energie billiger, die für die benötigten Rechenzentren so wichtig ist. „Wir sollten schauen, dass es Europa gut geht und wir unsere Position, die wir uns hart erarbeitet haben, beibehalten und stärken“, sagt Gruber.

„Partnerschaften mit großen Tech-Konzernen sind für uns extrem wichtig. Einerseits wegen der manchmal zur Verfügung gestellten Computerleistung. Wir könnten das nicht bezahlen und hätten das in Österreich nicht. Sie eröffnen uns aber auch Zugänge zu anderen Partnern.“ Auch mit Google und Amazon habe man schon zusammengearbeitet. Das ehrgeizige langfristige Ziel von Innophore ist es, alle Proteine der Welt in einem einzigen Modell zu simulieren.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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