Wie man private Pkw am Land ersetzt
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Auch wenn man an einem völlig abgelegenen Ort am Land wohnt, mit dem Auto kommt man meistens gut dahin. Je dünner besiedelt die Umgebung ist, desto geringer ist dagegen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Um die Abhängigkeit von Autos und damit verbundenen Kosten und Treibhausgasemissionen zu verringern, bemühen sich viele Regionen in Österreich darum, Alternativen zu schaffen und bisher kaum genutzte Dienste attraktiver zu machen.
Zugverbindungen
Das Rückgrat für die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln im ländlichen Raum sei die Bahn, sagt Lina Mosshammer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bei einer Konferenz am vergangenen Donnerstag: „Wo es ein gutes Angebot an Zugverbindungen gibt, ist der Besitz von Autos um bis zu 17 Prozent geringer.“
Gerade Regionalbahnen hätten ein großes Potenzial, um relativ viele Menschen mit relativ geringem Personalaufwand und sehr geringen Emissionen zu transportieren. In den vergangenen Jahrzehnten sei das Regionalbahnnetz in Österreich laut Analysen des VCÖ allerdings stark geschrumpft. Von ehemals über 4.000 Kilometern an Gleisen seien heute nur 2.281 Kilometer übrig.
Die Revitalisierung nicht mehr genutzter Bahnstrecken sei aber möglich, ein wirtschaftlicher Betrieb ebenso, wie internationale Beispiele zeigen. Eines sei die Vinschgerbahn in Südtirol, zwischen Meran und Mals (künftig Bozen). Sie wurde auf einer Strecke realisiert, die 15 Jahre ungenutzt blieb und ist heute sehr beliebt.
Linien- und Rufbusse
Busse sind das zweite große Standbein des Regionalverkehrs. Ein Erfolgsbeispiel ist der Landbus Unterland in Vorarlberg. 36 Linien versorgen 18 Gemeinden mit insgesamt 215.000 Einwohnern. Auf die Anschlüsse an die Bahn wird genau geachtet. Die Busse chauffieren nicht nur Pendler, sie sind auch außerhalb der typischen Arbeitszeiten in relativ dichtem Takt unterwegs. Am Wochenende fahren die Busse bis 4:00 in der Früh. Auf Nebenstrecken verkehren Anrufbusse.
Kleinbusse oder Sammeltaxis (zusammengefasst oft als Mikro-ÖV bezeichnet) seien gerade in jenen Gebieten perfekt, die besonders zersiedelt sind, etwa im niederösterreichischen Mostviertel. Dort gebe es sehr viele Höfe, die vereinzelt in der Landschaft stehen, wie Barbara Bilderl vom Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) berichtet. Im Sommer 2023 wurde das Angebot VOR Flex Mostviertel West gestartet. Fünf Elektro-Kleinbusse sind unter der Woche im Einsatz. Man bestellt sie 60 Minuten im Voraus per App und wird zu einem fixen Öffi-Tarif im Geschäftsgebiet überall hin gebracht. Die Kleinbusse sind barrierefrei und können auch von Rollstuhlfahrern genutzt werden. Der Dienst sei sofort gut angenommen worden, wohl auch, weil er durch intensives Marketing Bekanntheit erlangt hat.
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Carsharing funktioniert nicht nur in der Stadt
Anfänglich nur in größeren Städten vertreten, setzt sich das Konzept Carsharing auch am Land immer mehr durch. Im Tiroler Kufstein und kleineren Gemeinden drumherum gibt es seit 2018 den Dienst Beecar. Er ist in den vergangenen Jahren sehr gewachsen. Derzeit umfasst er 21 Elektroautos, die an 16 Stationen entliehen werden können.
Es habe sich gezeigt, dass Carsharing den öffentlichen Verkehr nicht ersetzt, sondern gerade durch den guten Ausbau des Öffi-Netzes floriert, sagt Thomas Lins von den Stadtwerken Kufstein. Für die Nutzer sei Carsharing eine optimale Ergänzung, z. B. um Gegenstände zu transportieren. Unterschiedliche Autos decken viele Nutzungszwecke ab.
E-Lastenrad
In Graz und Umgebung existiert mit TIM ein ähnliches Angebot. Hier wird noch stärker auf Multimodalität gesetzt. Neben Autos kann man etwa E-Lastenräder ausleihen. Stationen gibt es in immer mehr Gemeinden, auch in sehr kleinen. Eine gewisse Siedlungsdichte sei aber wichtig, sagt Anna Reichenberger vom Regionalmanagement Steirischer Zentralraum. "Die Mehrheit der Nutzer kommt nämlich zu Fuß zu unseren Standorten."
Blick auf das Ganze
Die fehlende Information, dass es Alternativen zum Privat-Pkw in einem Gebiet gebe, sei laut Experten eines der größten Hindernisse für eine bessere Öffi-Versorgung. „Man muss ein neues Angebot sichtbar machen“, sagt Mosshammer.
Der wichtigste Faktor für die Schaffung von Alternativen zum Privat-Pkw sei eine Gesamtbetrachtung der Situation. Eine kombinierte Raum- und Verkehrsplanung, Koordination zwischen Gemeinden und ganzen Regionen sei notwendig. Fuß- und Radwege müssten mitgedacht werden.
Wer bei seinem Privat-Pkw bleiben will, könne sich immerhin überlegen, andere Personen mitzunehmen und Fahrgemeinschaften zu bilden, sagt Mosshammer. „Bei Pendelwegen liegt der Besetzungsgrad pro Auto bei 1,08 Personen. Wenn mehr Personen im Pkw sitzen würden, reduziert das den Verkehr und Emissionen.“ Das Potenzial, Zweit- oder Drittautos oder sogar überhaupt alle Pkw abzugeben, sei riesig.
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