"Man braucht nicht so zu tun, als ob man vom Auto abhängig wäre"
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Der Verkehr ist bekanntermaßen eine der größten Baustellen beim Kampf gegen die Klimakrise. Beim SPEAK OUT Festival der futurezone gab es deshalb auch einen Themenblock, der ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit in der Mobilität bzw. der Mobilitätswende stand. Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis zeigten in einem Vortrag und einem Climate Lab Panel auf, welche Innovationen die Treibhausgasemissionen des Transportsektors bereits senken und auf welche Fragen erst Antworten gefunden werden müssen.
Angefangen mit Rohstoffen
Was Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Mobilität überhaupt bedeutet, schlüsselten Alois Vorwagner und Boschidar Ganev vom Austrian Institute of Technology auf. "Es handelt sich um einen riesigen Themenkomplex", schildert Ganev. Fragen wie menschliche Bedürfnisse und gesellschaftliche Erwartungen, Antriebsformen und Energieträger, die Gestaltung des öffentlichen Raumes, Rohstoffgewinnung und -verwertung, Nutzungsformen von Fahrzeugen, der Einfluss auf die menschliche Gesundheit oder Digitalisierung seien allesamt Teilaspekte des Themas.
Das AIT forsche unter anderem an der Entwicklung möglichst energieeffizienter Herstellungsmethoden für Batterien, bei denen seltene Rohstoffe wie Kobalt durch alternative Materialien ersetzt werden sollen. Ebenso geforscht wird an neuen Methoden zur Zustandsüberwachung von Infrastruktur. "Jedes Jahr mehr für ein Bauwerk bedeutet weniger CO2-Emissionen für Neubauten", sagt Vorwagner.
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Schade um die Primärenergie
Eindeutige wissenschaftliche Befunde gebe es bereits beim Vergleich verschiedener klimaneutraler Energieträger. "Wasserstoff und E-Fuels haben Vorteile gegenüber Batterien bei der Energiedichte, aber alleine schon bei der Herstellung geht sehr viel Primärenergie verloren. Schade!", sagt Vorwagner. Ganev ergänzt: "Durch bestmögliche Nutzung macht man Mobilität am nachhaltigsten. Wenn wir uns schon motorisiert bewegen wollen, dann sollten wir die energieeffizientesten Fahrzeuge wählen, die den Erfordernissen der jeweiligen Anwendung entsprechen."
Neben Technologie Verhaltensänderung notwendig
Ganz klar sei auch, dass man mit Technologie alleine nicht alle Herausforderungen der Mobilitätswende lösen könne. Daneben seien auch neue Regulierungen, neue Geschäftsmodelle und neue Verhaltensweisen notwendig. Genauso sieht das auch die Klimaaktivistin (Fridays for Future) und Buchautorin ("Radikale Wende") Lena Schilling: "Mobilität ist einer jener Lebensaspekte, die wir alle täglich miteinander teilen." Klimaschutz könne beim persönlichen Mobilitätsverhalten beginnen.
Menschen möglichst viele nachhaltige Optionen zu bieten, sei ein Erfolgsrezept, wie Daniela Wieser, Multimodalitätsexpertin der Wiener Linien, erklärt: "Man muss auch jene Menschen miteinbeziehen, die noch nicht so aktiv im öffentlichen Personennahverkehr sind." In Wien werden deshalb neben öffentlichen Verkehrsmitteln auch Mietfahrräder oder stationäres Carsharing angeboten.
Klimaschonendes Pendeln
Sebastian Tanzer von Triply sieht eine große Verantwortung bei Unternehmen: "Was der Arbeitgeber vorgibt, geht oft in den privaten Gebrauch über." Triply biete Firmen ein Tool zur Mobilitätsanalyse und -Planung an, bei denen alle verfügbaren Mobilitätslösungen für Mitarbeiter*innen verglichen und kombiniert werden. Gelinge es, klimafreundlichere Alternativen aufzuzeigen, könne dies einen großen Effekt erzielen, denn 40 Prozent der Gesamtemissionen im Verkehr entfielen auf das Pendeln zwischen Daheim und Arbeit.
An Pendler*innen richtet sich auch der Dienst Carployee, der aus der Beobachtung entstanden sei, wie viele Leute am Arbeitsweg alleine in ihrem Auto sitzen. Wie CEO Albert Vogl-Bader schildert, werden Fahrer*innen per App mit Mitfahrer*innen vernetzt. Dadurch werden Autofahrten reduziert und große Mengen CO2 eingespart. Für die Verhaltensänderung erhalte man einen Bonus. Abhängig vom Unternehmen können dies Freistunden, Urlaubstage oder auch finanzielle Anreize sein.
Fehler eingestehen
Laut Vogl-Bader müsse man bei der Mobilitätswende stets an den Grundsatz "vermeiden, verlagern, verbessern" denken. Abgesehen von technischen Innovationen sei es auch notwendig, sein eigenes Mobilitätsverhalten zu hinterfragen: "Wie viele Flüge müssen sein?" Laut Daniela Wieser müsse man bestimmte Mobilitätsformen auch erst intensiver erforschen, etwa den Betrieb von Bussen mittels Wasserstoff: "Wir wissen oft nicht, wie die Lösung aussieht. Man muss aber auch zugeben können, wenn man sich verrannt hat."
Die Schwäche, Fehler nicht eingestehen zu können, sieht Lena Schilling vor allem bei der Politik: "Zwischen 2000 und 2020 wurden in Österreich über 500 Kilometer Schienen abgebaut und 300 Kilometer Straßen zugebaut. Das war eine strukturelle Entscheidung. Man braucht nicht so zu tun, als ob man vom Auto abhängig wäre." Um die Emissionen im Verkehrsbereich zu senken, sei es wichtig, einen konkreten Plan aufzustellen, "wie wir in 10 Jahren dastehen wollen". Schillings Plädoyer daher: "Setzt euch alle auch mit eurer politischen Stimme dafür ein, dass wir das mit der Mobilitätswende hinbekommen."
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