Die Schraube erinnert an das Gebiss von einem Haifisch.

Die Schraube erinnert an das Gebiss von einem Haifisch. 

© Surgebright

Science

Diese Schraube bohrt sich in Knochen wie ein Haifischzahn

Bei Knochenbrüchen oder orthopädischen Eingriffen werden oft Schrauben aus Metall verwendet, um die Knochen wieder zusammenzufügen. Ein österreichisches Unternehmen hat stattdessen eine Schraube aus humanen Spenderknochen entwickelt, die im Unterschied zu Metallschrauben im Körper verbleiben kann. Orthopäd*innen und Unfallchirurg*innen verwenden die Knochenschrauben bereits, hinter denen jahrelange Entwicklungsarbeit und Forschung steckt. 

Die „Shark Screw“ („Haischraube“), heiße so, „weil sie weiß ist und ganz viele Gewinde-Zähne hat, wie ein Hai“, erklärt Lukas Pastl, Geschäftsführer des Unternehmens Surgebright. „Der Vorteil ist, dass sie nicht mehr entfernt werden muss und eine große Heilungswahrscheinlichkeit besteht“, erklärt er.

Kitten mit Knochen

Die Idee, dass man mit Knochen im menschlichen Körper Dinge reparieren könnte, gab es der Medizin schon lange. „Es gab allerdings keine Möglichkeit, den Spenderknochen zu sterilisieren. Wegen Infektionskrankheiten ist man dazu übergegangen, das aus Metall zu machen“, erklärt Pastl. Mittlerweile hat sich aber viel getan – und das Sterilisieren ist sicher geworden. „Wir sind allerdings die ersten, die aus Spenderknochen hochwertige Transplantate machen, die auch einen mechanischen Anspruch haben“, meint Pastl.

Verschiedene Ausführungen der Schrauben werden angeboten.

Verschiedene Ausführungen der Schrauben können eingesetzt werden.

Schrauben brachen oft auseinander

Die Idee dazu hatte sein Vater, der Orthopäde Klaus Pastl, der 1995 mit der Herstellung von Schrauben aus menschlichen Knochen begonnen hat. „In unserer Familie kannte jeder die Idee. Nachdem sich kein geeigneter Produzent fand, haben wir dann gesagt, dass wir das selber umsetzen müssen“, erklärt Pastl. Allerdings brachen ihre Knochenschrauben häufig nach dem Einsetzen. Deshalb wandte sich Familie Pastl an das Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE) in Graz, ein Institut der Austrian Research Cooperative (ACR), deren Forschung durch das BMWA unterstützt wird.

Dort erhielten sie die Unterstützung von Harald Plank. „Klaus Pastl hatte eine großartige Vision mit dieser Schraube. Sie erkannten, dass es mehr braucht als mechanische Tests. Sie wollten die Morphologie und die innere Struktur des Knochens besser verstehen“, erklärt Plank. 

Die Oberschenkelknochen, aus denen die Schrauben gemacht werden, stammen von menschlichen Spender*innen. „Vielleicht klingt es makaber, aber am Anfang war nicht klar, an welcher Position des Knochens die höchste Festigkeit zu erwarten ist“, erläutert Plank. Dank der Mikroskop-Untersuchungen des ZFE fanden sie die Wurzel des Problems und wussten, warum die Knochenschrauben so oft brechen. Schuld war der Trocknungsprozess bei der Herstellung – der Knochen trocknete zu schnell, daher bauten sich im Inneren Spannungen auf, die ihn beim Einsetzen brechen ließen. Durch die Analysen des ZFE konnte das Problem behoben werden.

Ein Röntgenbild zeigt 2 Schrauben in der großen Zehe.

Ein Röntgenbild zeigt 2 Schrauben in der großen Zehe. 

Oberschenkelknochen werdengebadet und bestrahlt

Die Herstellung funktioniert so: Aus den Oberschenkelknochen werden Würfel herausgeschnitten, die in Chemikalien eingeweicht, bestrahlt und anschließend getrocknet werden. Eine Fräse macht dann Schrauben daraus. „Ich kann mich bis heute an den Tag erinnern, als mich der Klaus angerufen und mir erzählt hat, dass er einige Schrauben verbaut hat und keine davon gebrochen ist“, erzählt Plank. „Da habe ich gemerkt, dass das meine Forschung tatsächlich jemanden hilft“. 

Patient*innen mit verschiedenen Leiden können von der Knochenschraube profitieren. „Hallux Valgus, eine Verkrümmung der großen Zehe wird korrigiert, indem man den Knochen durchschneidet. Man bohrt ein Loch, schneidet das Gewinde hinein und dreht dann die Schraube hinein“, erklärt Pastl. „Der Organismus erkennt sie als Knochen an und durchblutet sie sofort mit eigenen Zellen und Gefäßen. Das Skelett erneuert sich permanent – in diesem Prozess wird die Shark Screw integriert. Nach einem Jahr ist sie im Schnitt nicht mehr vom menschlichen Skelett unterscheidbar“, so Pastl.

Start in den USA

Nun wollen die Österreicher auch auf dem US-Markt durchstarten: „Die ersten Shark Screws sind in Amerika schon eingesetzt worden“, erklärt Pastl. Mit einigen Partnern läuft der Start seit Juli 2023 langsam an. Zu schnell wollen sie dabei nicht vorgehen, sondern einen Schritt nach dem anderen gehen.

*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.

Woher kommen die menschlichen Knochen?

Wenn wir sterben, bleiben die Knochen lange als letzter Rest von uns zurück. Nach den Zähnen sind es die härtesten Bestandteile unseres Körpers. Wie andere Organe können Knochen noch während Lebzeiten gespendet werden – oder danach. Vorrangig geht es dabei um die langen Röhrenknochen, etwa den Oberschenkelknochen oder Teile des Beckenknochens

In Österreich sind solche Spenden  kaum verbreitet, wie Wolfgang Weniger, Professor für Anatomie von der Medizinischen Universität Wien der futurezone erklärt. Als eine der wenigen österreichischen Einrichtungen betreibt etwa das Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt eine Knochenbank. Hier werden v. a. entnommene Hüftgelenksköpfe von Lebenden aufbewahrt, die stattdessen ein künstliches Gelenk erhalten. Die Spenden werden geprüft und bei minus 70 bis 80 Grad Celsius tiefgefroren, bis sie verwertet werden. 

Knochen können aber auch nach dem Tod gespendet werden, wie für die „Shark Screw“. Sie stammen von Spendern aus Deutschland und den USA. Dort gebe es Kliniken, die solche Spendeverfahren abwickeln, wie Lukas Pastl, Geschäftsführer des Unternehmens Surgebright, erklärt. 

Bei uns sind solche Knochenspenden, die ähnlich wie Organspenden ablaufen, keine Routine. Organ- oder Gewebe-Entnahme für medizinische Zwecke sind grundsätzlich nur erlaubt, wenn sie Leben retten oder wissenschaftlichen Zwecken dienen. Kliniken und Universitäten dürfen solche Spenden hier normalerweise nicht kommerziell nutzen. Jede andere Verwendung müsste vertraglich geregelt werden. 

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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