Schuh macht Hindernisse für Blinde „sichtbar“
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Daniela Griessbauer ist blind und ist bei ihrem Testlauf mit dem smarten Schuh InnoMake des heimischen Start-ups Tec-Innovation absichtlich auf eine Wand zugelaufen. Zwei Meter davor haben Vibrationen aus dem Schuh sie vor der Wand gewarnt. „Es gab keine Kollision, obwohl ich mich darauf vorbereitet habe“, sagt sie. Entwickelt wurde der Blindenschuh von Kevin Pajestka, der das Unternehmen mit dem Juristen Markus Raffer führt. Das Projekt wurde unter anderem finanziert von der Förderbank austria wirtschaftsservice (aws).
„Der Schuh erkennt Hindernisse wie Gehsteigkanten, Laternen, Personen oder Wände innerhalb von vier Metern und gibt ein Feedback ab“, sagt Raffer gegenüber der futurezone. Entweder als Vibration im Schuh oder als akustisches Signal aus dem Smartphone. Reichweite und Art des Feedbacks können vom Nutzer frei gewählt werden. Die Elektronik ist im Frontbereich vor den Zehen in einem geschlossenen Gehäuse verbaut (siehe Grafik). „Dadurch konnten auch die Ultraschallsensoren ideal ausgerichtet werden“, so Raffer. Das Hinderniserkennungssystem wird intelligent gesteuert, sodass beispielsweise der Boden während des Gehens nicht als Hindernis gemeldet wird, wenn die Fußspitze zum Boden zeigt.
Standby-Modus
Wird das System nicht benötigt, tragen die Nutzer einen „normalen“ Waldviertler Schuh. „Dazu wird der InnoMake von Algorithmen unterstützt in den Standby gesetzt und wacht nach bestimmten Bewegungen wieder auf“, sagt der Gründer.
Zusätzlich ist im iOS-Appstore die gleichnamige App verfügbar, die wie eine Fernbedienung fungiert und unter anderem den Akkustand anzeigt. „Wir arbeiten auch an einer Deep-Learning-basierten Kameratechnologie, um den Ultraschall zu ergänzen. Der kann nämlich nur Hindernisse erkennen, die vom Boden hervorstehen. Mit der 2D-Kameratechnologie können jedoch auch nach unten führende Treppen erkannt werden“, sagt der Experte.
Unabhängigkeit
Derartige High-Tech-Geräte haben großen Wert: „Innovationen sind der Treiber für die Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen im Allgemeinen und blinden und sehbehinderten Menschen natürlich auch. Denken Sie nur an Vorlesetechnologien“, sagt Klaus Höckner, Vorstand und Aufsichtsrat der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs. Gerade der technologische Wandel der vergangenen zwei Jahrzehnte habe Technologien geschaffen, die einen wesentlichen Beitrag für die Unabhängigkeit dieser Gruppe liefern.
Die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs ist die führende Organisation in diesem Bereich und unterstützt regelmäßig neue Initiativen, Firmen und Projekte. Die wesentliche Frage sei dabei, ob es gelingt, die Innovation alltagstauglich zu machen. „Sie muss praktikabel, leicht anwendbar und natürlich finanziell leistbar sein. Dann kann und wird es sich etablieren“, sagt der Experte. Das könnte InnoMake gelingen. Den Blindenstock kann der Schuh aber noch nicht ersetzen. Um etwa Löcher im Boden zu erkennen, muss er noch optimiert werden, so Raffer.
Der Stock selbst wurde als Hindernis aber ausgefiltert, sodass beides gleichzeitig verwendet werden kann. Getestet werden können die innovativen Schuhe beim österreichischen Händler Videbis GmbH, der auch Vorbestellungen annimmt. Der InnoMake ist zudem für den diesjährigen futurezone-Award am 21. November in der Kategorie „Mobilität der Zukunft“ nominiert. Die Markteinführung ist noch in diesem Jahr geplant.
Technologie als Sehhilfe
Es gibt zahlreiche Technologien, die blinde Menschen oder Personen mit einer Sehbehinderung in ihrem Alltag unterstützen können.
Audio-Navigation
Eine davon hat das junge Start-up Dreamwaves entwickelt. Die gleichnamige App bietet den Nutzern eine intuitive Audio-Navigation, die sie über ihre Route und Ziele informiert. Anstatt des Befehls „Links abbiegen“ hört der Nutzer ein Geräusch von der linken Seite. Dieses kann entweder Musik, eine Stimme oder ein Klang sein, genannt 3D Spatial, also „räumlicher“ Sound.
Hilfe per Klick
Bei Nutzung der dänischen App „Be My Eyes“ können Blinde oder Personen mit eingeschränkter Sehfähigkeit schnell und einfach andere um Hilfe bitten. Per Klick können sie die Unterstützung einer sehenden Person – das Netzwerk besteht aus unzähligen Freiwilligen – anfordern. Die Helfer bieten unterschiedliche Dienste an, unter anderem identifizieren sie über die Smartphone-Kamera Objekte oder lesen Texte vor.
Braille-Display
Braille-Displays, auf denen blinde Menschen lesen können, sind in der Regel sehr teuer. Ein neues, ringartiges Gerät der TU Wien passt nicht nur in die Jackentasche, sondern ist auch um vieles günstiger als bestehende Lösungen. Bei dem Gerät bleibt der Zeigefinger im Inneren eines drehenden Rings, der wie eine Computermaus auf dem Tisch bewegt wird. Die Braille-Buchstaben werden bei jeder Umdrehung neu gebildet. Dadurch entsteht für den Nutzer der Eindruck einer unendlich langen Zeile.
Smartwatch
Auch eine Reihe von smarte Uhren werden für diese Zielgruppe entwickelt. Die in Südkorea entwickelte Dot-Smartwatch ist dabei die erste taktile ihrer Art und sagt mithilfe der sich bewegenden Braille-Schnittstelle nicht nur Datum und Uhrzeit an, sondern schickt auch diverse Benachrichtigungen aus.
Kommentare