Im Innenhof des Halden-Gefängnisses in Norwegen blicken zwei Aufseherinnen auf ein Wandgemälde, das einen Gefangenen  zeigt, der mit einer Kugel an einer Kette Kugelstoßen übt

Im Innenhof des Halden-Gefängnisses in Norwegen blicken zwei Aufseherinnen auf ein Wandgemälde, das einen Gefangenen  zeigt, der mit einer Kugel an einer Fußkette Kugelstoßen übt

© Statsbygg

Science

Neue Standards für Österreichs Justizanstaltsgebäude

Haftanstalten können in Österreich sehr unterschiedlich gestaltet sein. Einige Gebäude wurden bereits im 19. Jahrhundert errichtet, manche sind sogar noch älter und waren früher einmal Klöster, andere existieren erst seit kürzerer Zeit. Die Unterbringungs- und Arbeitsbedingungen für Insass*innen und Angestellte sind teilweise sehr unterschiedlich. In einem neuen Forschungsprojekt wird nun eine Bestandsaufnahme der Justizanstalten gemacht und neue bautechnische Standards erarbeitet, die auf die Bedürfnisse aller Nutzer*innengruppen abgestimmt sind.

Interdisziplinäres Forschungsprojekt

ESBH - Effiziente, sichere bauliche Haftgestaltung in Justizanstalten in Österreich, nennt sich das Projekt, das im Zuge des Sicherheitsforschungsprogramms KIRAS initiiert wurde und von der Österreichischen Forschungsgesellschaft – FFG gefördert wird. Die Projektleitung für das interdisziplinäre Forschungsvorhaben haben das Bundesministerium für Justiz, das Bundesministerium für Inneres und die Bundesimmobiliengesellschaft an die FH Campus Wien übertragen.

Von der Fachhochschule bringen Forschende aus dem Kompetenzzentrum für Bauen und Gestalten wie auch aus dem Department Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit, Politik Expertise ein. Zu den weiteren Projektpartner*innen zählen das Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck, die wirtschaftlichen Partner*innen Linienreich Generalplanung & Projektmanagement GmbH und App Informatics ZT GmbH.

Baulich sehr heterogene Justizanstalten

Es gibt Standards zur Gestaltung von Justizanstalten in Österreich, wie Claudia Körmer vom Fachbereich Risiko- und Sicherheitsmanagement der FH Campus Wien erklärt. "Die  Bemühungen diese zu erfüllen, sind groß, in der Praxis können sie aber nicht überall gleich umgesetzt werden." Hildegard Sint vom Fachbereich Architektur – Green Building der FH Campus Wien ergänzt: "Justizanstalten sind baulich sehr heterogen. Daher ist es schwierig die derzeitigen Standards auf alle in gleicher Weise anzuwenden.“

Zu den Justizanstalten werden sowohl Strafvollzugsanstalten, als auch gerichtliche Gefangenenhäuser (für Untersuchungshäftlinge) gezählt. Bei 23 Standorten ermittelt das Projektteam einen baulichen und sicherheitstechnischen Status Quo. Eine Stichprobe von neun Justizanstalten wird dann im Detail untersucht. Die Gebäude werden anhand von Vorort-Besichtigungen hinsichtlich der baulichen Struktur von Abteilungen, Hafträumen und gemeinschaftlicher Infrastruktur analysiert.

Die Erfahrungen und Bedürfnisse von Bediensteten und Inhaftierten werden mittels sozialwissenschaftlicher Methodik erhoben. Mit ihnen werden u.a. Interviews geführt. Befragt werden aber auch Architekt*innen, die bereits am Bau von Justizanstalten mitgewirkt haben. Und es wird nach Best-Practice-Beispielen gesucht, im Inland wie außerhalb Österreichs.

Schlicht, aber nicht ungemütlich: Zimmer für Inhaftierte im norwegischen Gefängnis Halden

Schlicht, aber nicht ungemütlich: Zimmer für Inhaftierte im norwegischen Gefängnis Halden

Umgestaltung alter Gebäude teilweise schwierig

"Wir haben uns drei Haftanstalten im Ausland genauer angesehen", sagt Körmer. Im deutschen Regensburg hat das Projektteam etwa ein aufwendig umgebautes, denkmalgeschütztes Gefängnis besucht, in Finnland das "Smart Prison" Hämeenlinna und in Norwegen das Hochsicherheitsgefängnis Halden.

"Was wir dabei festgestellt haben, ist etwa, dass man es sich sehr gut überlegen muss, ob man ein altes Gebäude umbaut", sagt Sint. "Es gibt da große Barrieren durch den Denkmalschutz. Ein Beispiel sind Fenster, die sehr weit oben positioniert sind und die man nicht umbauen bzw. tiefer positionieren darf. Insass*innen können dann nicht direkt hinausblicken, das wirkt sich nicht günstig auf ihre Psyche aus."

Insass*innen ein halbwegs normales Leben ermöglichen

In Hämeenlinna habe man dagegen gesehen, welche Vorteile die Digitalisierung für Inhaftierte bringen kann, erzählt Körmer. Im Smart Prison erhalten diese Laptops, damit können sie auf das Intranet zugreifen. Überwachte Kommunikation mit der Familie, Telemedizin und Ausbildungsangebote können so genutzt werden. Die Kosten dafür seien laut Körmer akzeptabel, die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, dagegen so groß, dass Finnland das Prinzip nun im ganzen Land umsetzen möchte.

Halden gilt als ein internationales Vorzeigeprojekt, sowohl durch die räumliche Gestaltung als auch durch den Umgang mit Häftlingen. "In Norwegen wurde das 'Import Model' beworben", erzählt Körmer. Der Bevölkerung sei dadurch nähergebracht worden, warum es wichtig sei, Insass*innen ein nahezu normales Leben zu ermöglichen und dadurch die Reintegration in die Gesellschaft vorzubereiten.

Bewegung im Turnsaal: Modern ausgestattete Justizanstalten versuchen Inhaftierte auf eine Rückkehr in die Gesellschaft vorzubereiten

Bewegung im Turnsaal: Modern ausgestattete Justizanstalten versuchen Inhaftierte auf eine Rückkehr in die Gesellschaft vorzubereiten

Ressourcenmangel in Österreich

In Österreich habe man während der Erhebungsphase viel Engagement in den Justizanstalten wahrgenommen. "Einzelne Beamt*innen machen enorm viel. Es gibt Musikgruppen, Landwirtschaft, Insass*innen werden in viele Aktivitäten eingebunden. Wir haben beeindruckende Initiativen kennengelernt", sagt Sint. Andererseits stehe dem oftmals Ressourcenmangel gegenüber, etwa durch zeitaufwendiges Begleiten von Inhaftierten zu Gerichtsprozessen. Auch die Unterbringung sei manchmal problematisch.

Wie Körmer erklärt, sei die Anzahl der Gefangenen in den vergangenen 50 Jahren stark angestiegen. "Die Justizanstalten stoßen seit einigen Jahren an die Grenze der jeweiligen Belagsfähigkeit.“ Die Herausforderungen seien für alle Beteiligten groß. In Gesprächen mit Insass*innen soll genauso wie durch Interviews mit der Justizwache, den Anstaltsleitungen sowie psychologischen und sozialen Diensten herausgefunden werden, welche baulichen Probleme es in den heimischen Justizanstalten gebe und welche Umsetzungen in der Praxis gut funktionieren. "Daraus leiten wir bedarfsorientierte baulich-technische Standards ab, die auf Basis des Status Quo Sinn machen und die erreichbar sind", sagt Sint.

Mit den Ergebnissen des Projekts soll auch ein Ist-Soll-Vergleich entstehen, der die Basis für eine weitere strategische Betrachtung der Gestaltung von Justizanstalten in Österreich bilden könnte.

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen FH Campus Wien und der futurezone.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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