CORONAVIRUS: PK "AKTUELLES" - REDLBERGER-FRITZ
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Virologin: Im Herbst drohen wieder strengere Maßnahmen

Während das Coronavirus im Alltag vieler Österreicher in den vergangenen Wochen kaum noch eine Rolle spielte, tritt COVID-19 durch das Bekanntwerden einiger Fälle von Dutzenden Neuinfizierten wieder stärker ins Bewusstsein. Wir haben mit Virologin Monika Redlberger-Fritz von der Medizinischen Universität Wien darüber gesprochen, was uns in den kommenden Sommerwochen an der Coronavirus-Front erwartet.

futurezone: Von Dienstag auf Mittwoch gab es in Österreich über 100 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2. Wie laut läuten da die Alarmglocken?
Monika Redlberger-Fritz: Das ist schon ein deutlicher Anstieg. Wenn die Zahlen morgen oder übermorgen wieder runtergehen, war das nur ein Ausreißer. Wenn es die nächsten Tage so weitergeht, sieht man, dass da eine gewisse Dynamik dahintersteckt. Dann müsste man die Modellrechner bemühen, um herauszufinden, wie es mit dem Verlauf der Pandemie weitergeht.

Viele Menschen haben mit einem ruhigen Sommer gerechnet, u.a. wegen der Hitzewirkung. Nun gibt es Prognosen, die einen rapiden Anstieg der Infektionszahlen im Sommer voraussagen. Wird der Sommer doch ungemütlich?
Das kann ich nicht voraussagen, aber letztendlich ist es so, dass wir in ganz Europa eine zunehmende Aktivität verzeichnen können - wegen der Zurücknahme der Gegenmaßnahmen. In Österreich sind wir in der Situation, dass sich das Virus noch nicht so stark ausgebreitet hat. Der Staat hat die Möglichkeit, frühzeitig auf lokale Ausbrüche zu reagieren.

Wenn man nun im Sommer ins Freibad geht, wie sicher kann man sich dort vor einer Coronavirus-Ansteckung fühlen?
Wenn man draußen an der frischen Luft ist, ist man relativ sicher, vor allem, wenn man es schafft, zu Fremden einen Mindestabstand einzuhalten. Man muss sich davor hüten, in Menschenmengen zu sein. Aber auch hier muss man sich keine großen Sorgen machen, wenn man eine Maske aufsetzt.

Sommer-Prognose des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC)

Am Donaukanal - der oft als Negativbeispiel genannt wird - sitzen die Menschen ja auch im Freien. Wenn sie nicht gerade kuscheln, ist der Aufenthalt dort wirklich so gefährlich?
Wenn man einen Mindestabstand einhält, spricht nichts dagegen. Das Verhalten vieler Menschen am Donaukanal entspricht aber nicht dem. Man sieht Menschentrauben, Leute stehen Körper an Körper aneinander. Das ist gefährlich.

Weiß man schon, wie sich das Ende der Maskenpflicht in Supermärkten ausgewirkt hat?
Das kann man jetzt noch nicht sagen. Man erkennt erst mehrere Wochen später, wie sich bestimmte Maßnahmen ausgewirkt haben. Nur weil die Maskenpflicht gefallen ist, heißt das nicht, dass man keine Masken tragen darf. Ich würde das immer noch empfehlen, vor allem zu Stoßzeiten. Dann macht das sehr viel Sinn.

Das Schuljahr ist ja bald zu Ende. Was ist für die Ausbreitung des Virus schlimmer: Kinder in der Schule oder Kinder in den Ferien?
Eine provokante Frage. Es kommt wohl auf das Freizeitverhalten an. Wenn sich Kinder draußen im Freien aufhalten, würde ich weniger eine Gefahr sehen, aber wenn ich an den Herbst denke, wo sich Schüler wieder mehr in Innenräumen aufhalten werden... Wir wissen ja, dass sich Kinder schwerer infizieren, aber das bedeutet nicht, dass sie sich nicht infizieren. Es gibt also ein Infektionsrisiko.

Am Anfang der Krise hat man immer wieder von "The Hammer and the Dance" gehört. Der "Dance" wird es ja notwendig machen, Gegenmaßnahmen nicht nur ab-, sondern auch wieder anzuschalten. Wird das gelingen?
Die aktuellen Lockerungen der Maßnahmen zählen zum "Dance". Man kann die Maßnahmen auch so lange lockern, bis man sieht, dass die Erkrankungen wieder ansteigen. Dann muss man wieder Gegenmaßnahmen einführen. Ich denke, unsere Politiker haben während der ersten Welle bewiesen, dass sie das können und ich habe vollstes Vertrauen, dass sie das wieder tun können.

Wird uns die viel zitierte "zweite Welle" früher erreichen, als gedacht?
Ich hoffe, dass uns die zweite Welle über den Sommer erspart bleibt, aber das steht und fällt mit der Zusammenarbeit der Bevölkerung. Wenn wir Grundmaßnahmen einhalten, die Hände waschen, Maske tragen und Abstand halten, dann haben wir es in der Hand, diese zweite Welle hinauszuzögern. Wie es dann im Herbst wird, das wage ich momentan nicht vorherzusagen. In geschlossenen Räumen wird das Virus leicht übertragen. Ich denke, dass dann möglicherweise wieder strengere Maßnahmen notwendig sein werden.

US-HEALTH-VIRUS-BEACH-HEAT

Wie gut kennt man denn die Krankheit mittlerweile?
Wir können immer noch nicht alle Fragen, die wir zum Coronavirus haben, beantworten, aber wir haben schon extrem viel gelernt. Das gab es bisher noch nie, dass es so schnelle Fortschritte bei der Erforschung eines Virus gegeben hat. Bei vielen Viren gibt es immer noch Aspekte, die nicht endgültig geklärt sind. Über die langfristigen Auswirkungen des Coronavirus weiß man noch gar nichts.

Sie meinten in einem ZiB-2-Interview, bei einem Anstieg der Infektionszahlen muss jedes Land die Situation für sich begutachten. Ist es bei der Bekämpfung der Pandemie wirklich am besten, so kleinteilig vorzugehen?
Das A und O ist es, großflächige Ausbrüche zu verhindern. Deshalb ist engmaschiges Screening wichtig, um Infektionsketten aufzudecken. Man hat das jetzt in Salzburg und Linz gemerkt, wo kleine Cluster entdeckt und gestoppt wurden. Schafft man das nicht, wie in Deutschland, wo ein Cluster im Hintergrund geschwelt hat, riskiert man einen regionalen Shutdown. In Portugal ist es ähnlich, wo Lissabon abgeriegelt wurde. In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, diese Infektionsketten ganz frühzeitig zu detektieren.

In Bayern können sich alle Bürger künftig auf Wunsch kostenlos testen lassen. Wie sinnvoll ist es, unkoordinierte Tests durchzuführen?
Wenn man solche Aktionen macht, sollte man das möglichst kleinräumig machen. Aber wenn das in so einem großen Rahmen passiert, könnte das problematisch sein. Man muss ja mit seinen Testkapazitäten haushalten. Wenn man Screenings macht, die gar nicht notwendig wären, dann kann man sich dadurch einen Schaden eintreten.

In welchen Ländern ist denn die COVID-19-Entwicklung derzeit am besorgniserregendsten?
In Nord- und Südamerika. Man sieht, dass die Länder dort extrem hohe Aktivitätszahlen haben und die weiter ansteigen. In den USA und Brasilien gibt es noch keine Abflachung. Auch Indien und Südafrika sollte man genau betrachten. Dort lässt sich die Situation nicht 100-prozentig abbilden, weil dort weniger getestet wird.

PERU-HEALTH-VIRUS-COMMON GRAVE-PROTEST

Im peruanischen Iquitos wurden eilig massenhaft neue Gräber für Corona-Opfer angelegt

Der "schwedische Weg" wird ja oftmals kritisiert. Aber wie sie unlängst sagten, wird es noch lange dauern, bis ein Impfstoff vorhanden sein wird. Könnte es sich langfristig vielleicht doch als besser erweisen, wenn sich die Bevölkerung möglichst rasch selbst immunisiert?
Wenn man die jetzige Situation betrachtet, hat Schweden eine steigende Anzahl an Neuinfektionen und Todesfällen. Es kommt darauf an, um welchen Preis sich ein Land die Grundimmunität erkauft. Auf die Art verliert man viele Menschen. Wenn man die Krankheit eindämmt und dann mit einer Impfung Grundimmunität aufbaut, kann man viele Todesfälle verhindern.

Die USA kaufen derzeit sämtliche Bestände von Remdesivir auf. Einige Beobachter fürchten, dass es ähnlich ruppig zugehen könnte, wenn einmal ein Corona-Impfstoff vorhanden ist. Kann man da mit internationalen Konflikten rechnen?
Es ist schon möglich, dass das auf uns zukommt. Aber es muss doch auf zwischenstaatlicher Ebene zu lösen sein. Es könnte ja sein, dass die EU da einspringt. Aber ich bin keine Politikerin, ich kann das nicht entscheiden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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