Den Ort und genauen Zeitpunkt von Vulkanausbrüchen vorherzusagen, ist trotz leistungsfähiger Sensornetzwerke schwierig

Den Ort und genauen Zeitpunkt von Vulkanausbrüchen vorherzusagen, ist trotz leistungsfähiger Sensornetzwerke schwierig

© afp

Science

Kann man Vulkanausbrüche vorhersagen?

Im Südwesten Islands, in nur 70 Kilometer Entfernung von der Hauptstadt Reykjavik, rumort es seit einigen Tagen unter der Erde. Ein Vulkanausbruch steht unmittelbar bevor, sagen Expert*innen. Die rund 3.700 Einwohner*innen der Stadt Grindavik wurden bereits in Sicherheit gebracht, weil sich die Epizentren hunderter kleiner Erdbeben im Ort und seiner Umgebung befinden. Wann und wo kommt es nun genau zum Vulkanausbruch? Wie genau kann man das vorhersagen?

„Das hängt davon ab, wie viel uns ein Vulkan über seine Absichten mitteilt“, sagt Boris Behncke, Vulkanologe am Institut für Geophysik und Vulkanologie in Catania. „Manche bereiten ihren Ausbruch heimlich vor und lassen uns erst kurzfristig wissen, dass sich etwas zusammenbraut. Andere kündigen sich mit enormer Präzision an.“ Der aktuelle Fall entspreche der zweiten Kategorie.

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In und um Grindavik ist an der Oberfläche deutlich sichtbar, dass sich tief unten etwas tut

In und um Grindavik ist an der Oberfläche deutlich sichtbar, dass sich tief unten etwas tut

Magma „ziemlich nah“...

Eine Vielzahl an Messinstrumenten protokolliert jede Veränderung in der Gefahrenzone. Neben Seismographen, die Erdbebenwellen aufzeichnen, kommen etwa Gasmessgeräte, Thermometer, Neigungssensoren, Satellitenradar oder Positionsmessgeräte zum Einsatz. Spezielle Sensoren an Hubschraubern führen außerdem Magnetfeldmessungen durch. Wenn die Temperatur von Gestein über einen gewissen Punkt steigt, verliert es seine magnetischen Eigenschaften. Die Veränderungen des Magnetfeldes im Untergrund kann man so auch aus der Luft feststellen, erklärt Robert Supper, Geophysiker von Geosphere Austria.

In Island hat man den Ursprung der vielen Erdbeben in den vergangenen Tagen entlang einer Linie verortet, die knapp an Grindavik vorbei führt. Für Vulkanexperten ist klar, dass es sich dabei um einen „Dyke“ handelt. Das ist ein unterirdischer Riss, auch als Gesteinsgang bezeichnet, durch den Magma in höhere Gesteinsschichten dringt. Durch den Dyke ist Magma nun bis auf eine Tiefe von 1,5 Kilometer hochgestiegen. „Das ist schon ziemlich nah“, sagt Behncke.

Der Dyke bei Grindavik

Der Dyke bei Grindavik

... könnte aber auch stecken bleiben

In Island beginnen Vulkanausbrüche öfter entlang einer Spalte. Das heißt aber nicht, dass die gesamte Spalte aufreißt und überall Magma austritt. „Häufig ist es so, dass sich die Aktivität dann an einer Stelle der Spalte konzentriert“, sagt Behncke. Aus einer Tiefe von 1,5 Kilometer könne flüssiges Gestein relativ schnell bis zur Oberfläche vorstoßen, im Extremfall innerhalb weniger Stunden. Es könne aber auch sein, dass das Magma quasi stecken bleibt. 

In der Vergangenheit sei es schon öfters vorgekommen, dass ein Vulkan hohe Aktivität gezeigt habe, die dann aber wieder zurückgegangen sei, sagt Supper. „Und 2 Jahre später hat es plötzlich gekracht.“ Ob es tatsächlich zu einem Ausbruch komme, hänge davon ab, wie viel Magma aus dem Untergrund nachkomme. Ein weiterer Faktor sei die Art des Gesteins unter einem aktiven Gebiet. „Island ist ein spezieller Fall, weil die Erdkruste dort vorbelastet und relativ schwach ist“, sagt Supper. Die Insel liege am mittelatlantischen Rücken, wo Kontinentalplatten auseinander driften, und befinde sich zusätzlich über einer besonders warmen Stelle, welche die Entstehung von Vulkanen zusätzlich fördere.

Land oder Meer

Wo entlang des Dykes bei Grindavik die Erde aufreißen und Magma austreten könnte, lasse sich trotz aller Sensortechnik und vulkanologischer Erkenntnisse nicht sagen. Der genaue Ort könnte aber unterschiedliche Folgen nach sich ziehen. Laut Behncke gebe es in Island üblicherweise nicht explosive Ausbrüche – zumindest an Land. Durch die Wechselwirkung von heißem, flüssigen Gestein und kaltem Wasser können Explosionen und viel Asche entstehen.

Ähnlich verhielt es sich beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010. Die Aschewolke beeinträchtigte tagelang den Flugverkehr in Teilen Europas. Behncke glaubt nicht daran, dass diesmal die Größenordnung von 2010 erreicht wird. Supper sagt, man könne die genaue Intensität eines Ausbruchs nicht vorhersagen. In Island werde zwar kein „Supervulkan“ entstehen, aber die Bandbreite an möglichen Auswirkungen sei groß.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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