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Science

Wie man Fleisch und Soja mit Luft und Wasser ersetzen kann

Pasi Vainikka hat einen trockenen Humor. „Historisch gesehen kennen wir uns mit Hasen aus. Wir werfen einen Stein und töten sie. Bei zwei Mikrometer kleinen Mikroorganismen tun wir uns bedeutend schwerer, diese aufzuessen“, sagt der 42-jährige Finne im Gespräch mit der futurezone. Vainikka will mit seinem 2017 gegründeten Start-up Solar Foods nichts weniger, als die Lebensmittelbranche, genauer die Proteinproduktion, revolutionieren.

Klimaschädliches Essen

Proteine, also Eiweiße, kommen in unzähligen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor und sind für unseren Körper von der Energieversorgung bis hin zum Muskelaufbau und dem Hormonhaushalt essenziell. Doch die Klimabilanz von Fleisch, aber auch von proteinreichen Pflanzen, wie der Sojabohne, ist schlecht. „Die Produktion von einem Kilogramm reinen Protein mittels Rindfleisch verbraucht 100.000 Liter Wasser. Bei Pflanzen liegt dieser Wert bei 20.000 Litern“, rechnet Vainikka vor.

Dazu komme die Erzeugung von CO2 und anderen Klimagasen sowie der enorme Landverbrauch, der sowohl bei der Viehhaltung als auch für große Agrar-Flächen in teilweise sensiblen Ökosystemen anfallen. „Das Schlägern und Niederbrennen von südamerikanischem Regenwald, um Anbauflächen für Soja zu erhalten, müssen wir in puncto Nachhaltigkeit erst gar nicht diskutieren“, zeichnet Vainikka ein düsteres Bild von der ressourcenvergeudenden industrialisierten Lebensmittelproduktion.

Bakterium als Lösung

Der von Solar Foods propagierte Ausweg für eine nachhaltige Protein-Produktion klingt futuristisch und im gleichen Moment auch wieder nicht. Ausgangspunkt ist ein Mikroorganismus, der natürlicherweise in der Erde vorkommt. Der Rest erinnert an Prozesse, wie sie etwa beim Bierbrauen angewendet werden. So wird das Bakterium in einem flüssigen Gemisch in einem Kessel gezüchtet.

Anstatt mit Zucker im Fall Alkoholproduktion, wird der von Solar Foods verwendete Mikroorganismus mit aus der Luft entnommenem CO2, reinem Wasserstoff und Nährstoffen gefüttert. Am Ende der Fermentation wird dem Gemisch die Flüssigkeit entzogen. Übrig bleibt ein gelblich-oranges Pulver, das unter dem Namen „Solein“ vermarktet wird und zu 65 Prozent aus Protein, zu 25 Prozent aus Kohlenhydraten und zu 10 Prozent aus Fett besteht. Die Farbe ist wie das gesamte Produkt natürlich und geht auf die darin enthaltenen Carotinoide zurück.

Erneuerbare Energie

Die Herstellung von Protein auf diese Weise soll 100 Mal weniger CO2 als die Rindfleischproduktion und fünf bis zehn Mal klimafreundlicher als der Anbau von Pflanzen sein. Der Wasserverbrauch sei um das 500- bzw. 100-fache geringer. Damit die Rechnung aufgeht, muss das System an erneuerbare Energie gekoppelt sein, die in erster Linie für die Gewinnung von Wasserstoff aus Wasser benötigt wird.

Pasi Vainikka, Gründer von Solar Foods

Das Konzept von Solar Foods sieht folglich die direkte Kopplung von Fabriken mit Solarkraftwerken oder Windparks vor. Der kontinuierliche Preisverfall bei erneuerbaren Energien mache das Konzept bereits jetzt konkurrenzfähig. Mit fünf Euro pro Kilogramm könne man mit Ausnahme von Soja mit vergleichbaren Proteinprodukten mithalten. Die Errichtung und der ökologische Fußabdruck der für die Produktion benötigten Solaranlage ist laut Solar Foods in der Ökobilanz einberechnet.

Vielseitiger Einsatz

Das gelbliche Pulver ist laut Solar Foods geschmacksneutral und kann folglich zur Proteinanreicherung in Lebensmitteln wie Milchprodukten, Gebäck, Nudeln, aber auch pflanzenbasierten Fleischimitaten beigemischt werden. Anfang 2022 sollen erste Produkte wie etwa Joghurts mit Solein im Supermarkt zu kaufen sein. „Aktuell produzieren wir im Labor ein Kilogramm Solein pro Tag. Mit der für 2023 geplanten Fabrik könnten wir auf einen Schlag vier Prozent des Protein-Bedarfs von Finnland abdecken“, sagt Vainikka.

In Zukunft kann über die Mixtur sogar echtes Fleisch im Labor gezüchtet werden. Das komplett natürliche Pulver könnte künftig zudem bei Weltraummissionen zur Versorgung von Astronauten eingesetzt werden. Gespräche mit der ESA diesbezüglich laufen. Damit schließt sich ein weiterer Kreis. Denn die Idee Proteine auf diese Art zu züchten, geht auf eine Idee von NASA-Wissenschaftlern in den 1960er-Jahren zurück, wurde aber nie in die Tat umgesetzt.

 

Über Solar Foods

Das Start-up wurde 2017 in Helsinki gegründet. Es konnte bisher vor allem lokale Investoren begeistern, darunter den finnischen Schokoladehersteller Fazer, der mit anderen Geldgebern zuletzt 3,5 Millionen Euro bereitstellte. Für die Realisierung der ersten Fabrik sind 100 Millionen Euro veranschlagt. Gründer Pasi Vainikka kommt ursprünglich eigentlich aus der Energiebranche und ist auf Erneuerbare Energie und damit einhergehende Technologien spezialisiert.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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