PK MIT PREISVERLEIHUNG KLUB DER BILDUNGS- UND WISSENSCHAFTSJOURNALISTEN "WISSENSCHAFTER/WISSENSCHAFTERIN DES JAHRES 2022"
© APA/GEORG HOCHMUTH / GEORG HOCHMUTH

Science

Das ist der Wissenschafter des Jahres 2022

Der Ökologe und Biodiversitätsforscher Franz Essl ist "Wissenschafter des Jahres 2022". Am Montag, knapp vor seinem 50. Geburtstag am 14. Jänner, hat er die Auszeichnung des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten für seine Vermittlungsarbeit entgegengenommen. Der Botaniker ist seit Jahren Stammgast in der Liste der meistzitierten Forscher weltweit und einer der prononciertesten Hinweisgeber des Landes in Sachen Artenschutz und Klimawandel.

Mit der seit 1994 jährlich durchgeführten Wahl will der Journalistenklub vor allem das Bemühen von Forscherinnen und Forschern auszeichnen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Bewusstsein für die Bedeutung der heimischen Wissenschaft zu steigern. Während mit der Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl (2020) und dem Komplexitätsforscher Peter Klimek (2021) Persönlichkeiten aus der Riege jener Forscher erfolgreich waren, die sich zuletzt stark um das Management der Covid-19-Pandemie verdient gemacht haben, wird heuer mit Essl ein Natur-Wissenschafter gewürdigt, der sich auch als Mahner in Umweltfragen einen Namen gemacht hat.

"Sehr große Ehre"

Essl sieht die Auszeichnung als "sehr große Ehre" an, wie er im Gespräch mit der APA erklärte. Er hofft, dass damit auch die Themen "Artenverlust, Biodiversitäts- und Klimakrise" noch mehr Aufmerksamkeit erfahren. Die Ehrung für "ein, vielleicht sogar DAS gesellschaftliche Zukunftsthema" zeige, "wie wichtig es ist, sich hier zu äußern" - auch abseits der Forschung im engeren Sinne. Der Bereich sollte jedenfalls medial künftig "deutlich mehr Raum bekommen", betonte Essl.

Franz Essl spürte bereits sehr früh seinen Hang zur Natur und zur Biologie. Seine Kindheitserlebnisse auf einem Bauernhof in Oberösterreich waren dafür ebenso prägend wie erste Kontakte zu Wissenschaftern. Der am 14. Jänner 1973 in Linz geborene Ökologe wird neben seiner Forschungstätigkeit auch nicht müde, sich als Anwalt für den Natur- und Artenschutz zu engagieren, und von der Politik mehr Engagement einzufordern.

Das einst selbstverständliche Rodeln

Dass es bei ihm beruflich einmal in Richtung Umweltforschung und -schutz gehen könnte, "war mir tatsächlich immer klar", sagte Essl zur APA. Die Kindheit und Jugend in der oberösterreichischen Provinz habe er zu einem großen Teil draußen verbracht. Mit anderen Kindern wurden Bäche aufgestaut, Baumhäuser gebaut und im Winter gerodelt. Dass letzteres dort heute nicht mehr mit der einstigen Selbstverständlichkeit möglich ist, ist eine der vielen Beobachtungen, die den Ökologen antreiben, sich mit veränderten Rahmenbedingungen in der Natur, eingeschleppten Arten (Neobiota), Biodiversitätsverlust oder Klimawandel zu befassen.

Den früh entwickelten Blick für die Natur schärfte Essl in etwa ab dem Alter von 14 Jahren, als er seine Eltern um erste Bücher zur Bestimmung von Tieren und Pflanzen bat. Mit den zur Verfügung stehenden Werken gelangte der heute am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien tätige Wissenschafter allerdings bald an Grenzen. Bei einer Schulfeier lernte Essl dann einen Biologen kennen, der ihn bei der Vogelbestimmung unter die Fittiche nahm.

Eingeschleppte Pflanzen- und Tierarten

Zusätzlich stieg sein Interesse an Pflanzen. So schloss er sich der botanischen Arbeitsgemeinschaft in Linz an - und senkte dort den Altersdurchschnitt beträchtlich. Zu den Treffen in der Landeshauptstadt kutschierte ihn damals seine Mutter, die ihn wie auch der Rest der Familie bei seinen Ambitionen unterstützte, wie Essl betont. Die Kontakte bestärkten ihn auch im Entschluss, Biologie zu studieren.

"Ich war der Erste in meiner Familie, der in eine andere Stadt zum Studieren gegangen ist. Das war damals, in den Achtzigerjahren, am Land noch nicht so selbstverständlich wie heute", erinnert sich Essl an seine interessengeleitete Studienwahl - eine Herangehensweise, die er jungen Menschen auf jeden Fall empfiehlt.

An der Uni Wien startete er im Jahr 1991. In seiner Diplomarbeit (1997) beim kürzlich verstorbenen "Wissenschafter des Jahres 2012", Georg Grabherr, beschäftigte sich Essl mit der Vegetation und Landschaftsgeschichte des Jaidhaustales in Oberösterreich. Es folgte das PhD-Studium, das im Jahr 2002 in einer Arbeit über Neobiota in Österreich - ein wissenschaftliches Lebensthema für Essl - gipfelte. Als Betreuer fungierte damals ebenfalls Grabherr.

Einer der meistzitierten Wissenschafter weltweit

Von 1999 bis 2003 arbeitete Essl bereits beim Umweltdachverband, um in der Folge am Umweltbundesamt anzuheuern. In diesen beiden Institutionen wurde auch sein Zugang zur Wissenschaftskommunikation gefördert. Im Jahr 2009 legte Essl einen Zwischenstopp an der University of Lincoln in Neuseeland sowie im Jahr 2013 am Centre of Invasion Biology in Stellenbosch in Südafrika ein.

Am Beginn seiner Karriere habe er vor allem im Sinn gehabt, "Naturschutz zu betreiben und viel mehr Freilandarbeit zu machen", mittlerweile hantiert Essl mit großen internationalen Datensätzen in ebensolchen Forschungsteams und kann auf eine Vielzahl an Veröffentlichungen in hochrangigen Forschungsjournalen zurückblicken. In den vergangenen Jahren findet sich sei Name durchgehend in der Liste der meistzitierten Wissenschafter weltweit. Seit dem Jahr 2018 ist Essl Professor an der Uni Wien, zu der es ihn in "einer Art Spirale" in seinem nicht unbedingt geradlinigen Werdegang immer wieder zurückgezogen hat, wie er erklärte.

Mitglied im Biodiversitätsrat

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat sich Essl im Jahr 2019 auch mit anderen namhafte Wissenschaftern verschiedener Universitäten und Experten aus den Bereichen Naturschutz, Museen und Landschaftsplanung zum Biodiversitätsrat zusammengeschlossen. In diesem Rahmen warnt man seither eindringlich vor den "dramatischen Folgen" des Artensterbens und der Verarmung der Ökosysteme. In der jüngeren Vergangenheit sprach sich der nunmehrige "Wissenschafter des Jahres" auch gegen neue Wasserkraft- oder Straßenprojekte aus.

Abseits seiner Aktivitäten als Forscher und Naturschützer geht der Vater zweier Kinder gerne Skitouren oder widmet sich dem Kajakfahren und Klettern. Trotz eines gewissen Mangels an Natur in der Bundeshauptstadt kann Essl das kulturelle Angebot in Wien durchaus schätzen. Auch in innerstädtischer Lage könne er seinen Bedarf an Natur auch in seinem "wilden Garten" ein Stück weit stillen, so der Forscher.

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