Die Super-Bäume betreiben effizienter Photosynthese.

Die Super-Bäume betreiben effizienter Photosynthese.

© APA/dpa/Moritz Frankenberg

Science

„Supertrees“: Mit genmanipulierten Bäumen gegen die Klimakrise

Kohlendioxid (CO2) ist einer der großen Treiber der Klimakrise. Der Mensch stößt Unmengen davon aus, allein im vergangenen Jahr waren es 36,6 Milliarden Tonnen – so viel wie nie zuvor. Dadurch verstärkt er den Treibhauseffekt, der wiederum die Erderhitzung ankurbelt. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle", warnte UNO-Generalsekretär António Guterres bei der diesjährigen Climate Change Conference. Lenkt der Mensch nicht ein und reduziert seinen Ausstoß, stellt sich die Frage: Wie die überbordende CO2-Menge eingrenzen?

Start-up will Millionen Tonnen CObinden

Photosynthese lautet die Antwort des Start-ups „Living Carbon“, jener Prozess, mit dem Bäume CO2 in Sauerstoff umwandeln. Das US-amerikanische Unternehmen macht die Photosynthese der Pflanzen effizienter, wodurch sie schneller wachsen, und in der Lage sind, mehr COzu speichern als gewöhnlich Bäume. Erste Tests zeigen, dass die „Superbäume" bis zu 53 Prozent mehr Biomasse aufweisen als ihre herkömmlichen Artgenossen. „Die Bindung von Kohlenstoff wird um etwa 27 Prozent erhöht“, hält das Living-Carbon-Team gegenüber der futurezone fest.

Die Vision ist groß: Verdoppelt das Team bis 2030 jedes Jahr seine Anbaufläche, könnten die Bäume während ihrer Lebensdauer 604 Millionen Tonnen CObinden, behauptet Living Carbon. Das entspräche 1,66 Prozent der weltweiten Emissionen des Jahres 2021.

Die genmodifizierten Pappeln (links) sind ihren unveränderten Artgenossen (rechts) nicht nur in Sachen Photosynthese überlegen, sondern wachsen auch merklich schneller.

Bäume mit effizienter Fotosynthese

Wie schafft es das Start-up, aus gewöhnlichen Bäumen „Superbäume“ zu machen? Pflanzen nehmen Sonnenlicht, Wasser und COauf, um zu wachsen. Im Gegenzug scheiden sie Sauerstoff und Glucose aus. Das nennt sich Photosynthese. Ein Schlüsselenzym in der Photosynthese, genannt „RuBisCO“, hat allerdings eine nervige Angewohnheit. Es verarbeitet für gewöhnlich CO2, akzeptiert alternativ aber auch Sauerstoff. Nimmt das Enzym Sauerstoff auf, setzt es COfrei, anstatt es zu binden.

Dieser CO2-verursachende Vorgang nennt sich Photorespiration. Alle Baumarten sind ihm unterworfen. Einige Pflanzen, darunter zum Beispiel Mais und Zuckerrohr, haben aber Methoden entwickelt, um die Photorespiration zu umgehen. Und hier setzt Living Carbon an. Das US-Start-up integriert mittels Gentechnik Gene solcher Pflanzen in Bäume. Diese können dann effizienter Photosynthese betreiben – und folglich mehr CObinden.

Fragwürdiges Offsetting

Eine solche effizientere Photosynthese sei laut Living Carbon notwendig, um die Klimakrise zu bewältigen. „Wir haben den Punkt erreicht, an dem eine Reduzierung der Emissionen allein nicht ausreicht, um unser Ökosystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, meint das Team auf Anfrage. Mit dem Pflanzen der Superbäume sollen Unternehmen entstandene Emissionen kompensieren können. Vor allem auf verödeten Flächen, die sich mit vorhandenen Baumarten nicht mehr profitabel aufforsten lassen, sei dies sinnvoll. „Wir bieten den Landbesitzer*innen die Möglichkeit, ihr Land rentabel zu machen und gleichzeitig COeinzusparen“, heißt es. 

Bei versteppten Flächen sei Aufforstung durchaus sinnvoll, sagt Dagmar Henner, Naturwissenschaftlerin an der Universität Graz, im Gespräch mit der futurezone. „Aber selbst wenn es richtig gemacht wird, ist es kein Allheilmittel“, gibt Henner in Anbetracht der Klimakrise zu bedenken. Auch Biologin Nadine Rühr hält diese und andere Arten von Offsetting für fragwürdig. „Wald ist zwar wichtig für den globalen Kohlenstoffkreislauf, kann die vom Menschen verursachten Emissionen aber nicht ausgleichen“, erklärt die Wissenschaftlerin des KIT-Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen der futurezone. Am besten sei es, so die beiden Forscherinnen, bestehende Waldflächen zu erhalten und zu schützen. 

Was ist Offsetting?

Carbon-Offsetting oder Klimakompensation ist ein beliebtes Klimaschutzinstrument für Unternehmen. CO2-Emissionen, die eine Firma ausstößt, werden dabei durch die Unterstützung eines bestimmten Klimaschutzprojektes kompensiert. Vom Staat erhält sie dann Emissionszertifikate bzw. das Recht, eine bestimmte Menge an verschmutzenden Gasen auszustoßen. Beispiele für Offsetting sind Aufforstung oder Investitionen in erneuerbare Energien.

Offsetting steht immer wieder in der Kritik, eine Art Ablasshandel in der Klimakrise zu sein, der den eigentlichen CO2-Verbrauch von Konzernen unrechtmäßig legitimiert. 

Der richtige Baum am richtigen Ort

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Aufforstung nicht immer gleichbedeutend mit Klimaschutz, wie Rühr erklärt. Das zeige der sogenannte Albedo-Effekt: Weil Bäume dunkler sind als manch andere Oberfläche, absorbieren sie die Sonnenstrahlen. Hellere Oberflächen, wie zum Beispiel ein Schneefeld, reflektieren. Obwohl Bäume COspeichern, können sie auf diese Weise unterm Strich zur Erwärmung beitragen. Nicht auf allen Flächen ist Aufforstung daher zielführend. 

Zum anderen bringt Aufforstung nicht bei allen Baumarten gleich viel. Je älter der Baum, desto mehr CO2 bindet er. Living Carbon tüftelt an Pappeln. Das sind schnellwachsende Bäume, die, je nach Gattung, in etwa 100 Jahre alt werden und damit nicht so viel CO2 speichern können wie langlebigere Arten. Living Carbon meint allerdings, seine modifizierten Bäume würden mehr Biomasse in einem kürzeren Zeitraum ansammeln. Dies könnte die CO2-Speicherkapazitäten der Super-Bäume wiederum erhöhen. 

Hitzestress und Waldbrände

Ein anderer Aspekt, den Rühr ins Rennen führt: Die Klimakrise wird immer mehr zum Stresstest für Bäume. Pflanzen werden künftig mit Wassermangel zu kämpfen haben. „Die Pappel wird gar kein CO2 mehr aufnehmen können, die muss schauen, dass sie nicht vertrocknet“, gibt Rühr zu bedenken. Und den Bäumen Unmengen an Wasser zuzuführen, damit sie überleben, damit sei der Klimakrise nicht gedient, so die Wissenschaftlerin.

Auch Waldbrände sind in diesem Zusammenhang ein nicht zu vernachlässigendes Problem. Ein Paradebeispiel ist das Bootleg Fire im US-Bundestaat Oregon, das im Jahr 2021 etwa 650 Quadratkilometer eines Offset-Waldes dahinraffte. „Wenn Bäume verbrennen, wird CO2 wieder an die Atmosphäre abgegeben", erklärt Rühr. Wald-, Savannen-, Torfmoor- und Landwirtschaftsbrände verursachen pro Jahr CO2-Emissionen von 7,3 Milliarden TonnenEin Flächenbrand kann den positiven Effekt eines Offset-Waldes also rasch auslöschen.

Und generell muss der Zyklus, den Bäume durchlaufen, mitgedacht werden. Denn Pflanzen setzen nicht nur CO2 frei, wenn sie verbrennen, sondern auch wenn sie verrotten. Dann geben sie einen Teil des Treibhausgases wieder an die Luft ab. Wird das Holz beispielsweise zum Bauen verwendet, verlängert sich die Speicherwirkung über die Lebensdauer der Bäume hinaus. Es müsse daher laut den Expert*innen beachtet werden, was mit den Superbäumen am Ende ihres Lebens tatsächlich passiert.

Zahlreiche Offset-Bäume fielen 2021 einem Waldbrand im US-Bundesstaat Oregon zum Opfer. 

Gentechnik-Experten äußern Bedenken

Abgesehen davon, ob die Super-Bäume der Klimaerhitzung standhalten: Gentechnik lässt bei vielen die Alarmglocken schrillen. Die modifizierten Bäume wachsen deutlich schneller als ihre gewöhnlichen Artgenossen. Daher könnten sie auch anders auf ihre Umwelt einwirken. „Wenn man in die Photosynthese eingreift, kann allerhand passieren“, erklärt Helmut Gaugitsch, Experte für Biodiversität beim österreichischen Umweltbundesamt, der futurezone. „Sie könnten andere Bäume und Pflanzen verdrängen. Das kann das Gleichgewicht stören und das ganze Ökosystem durcheinanderbringen“.

Living Carbon entgegnet, dass es nur Bäume pflanzen wolle, die in den entsprechenden Gegenden ohnehin bereits beheimatet sind, vorwiegend in Forstgebieten, in denen kaum bis gar keine Bäume wachsen. „Wir haben nicht die Absicht, unsere Bäume in wilden Wäldern einzusetzen, die keine weiteren benötigen“, betont das Team.

Gentechnik-Experte Christoph Then von der NGO Testbiotech warnt im Gespräch mit der futurezone dennoch vor unvorhergesehenen Langzeiteffekten. Im Gegensatz zu Kulturpflanzen, die nur einmal pro Jahr wachsen, könnten Bäume Hunderte Jahre alt werden. Die Folgen seien daher kaum abzusehen. Genmodifizierte Pappeln, die China in den 1990ern Jahren gepflanzt hat, hätten dort allerdings "noch keinen deutlichen Schaden verursacht", relativiert der Aktivist. 

Langer Weg zur EU-Zulassung

Auch in anderen Teilen der Welt gibt es genmodifizierte Bäume: schnellwachsenden Eukalyptus in Brasilien für die Papierherstellung, kälteresistente Apfelbäume in den USA für die Lebensmittelproduktion. In der EU sind sie ein Randthema. "Es gibt aber in einigen Ländern Freisetzungsversuche, zum Beispiel von Pappeln in Polen oder Spanien", erklärt Biodiversitätsexperte Gaugitsch.

Wie lange es dauert, bis ein transgener Baum hierzulande zugelassen wird, hänge laut dem Experten davon ab, ob es sich um einen Freisetzungsversuch auf begrenztem Terrain zu Forschungszwecken handle oder um eine wirtschaftliche Produktentwicklung. "Ersteres dauert Monate oder ein bis 2 Jahre. Zweiteres mehrere Jahre, weil das Unternehmen detailreiche Daten liefern muss. Das kann man sich vorstellen wie bei einer Arzneimittel- oder Impfstoffzulassung", sagt Gaugitsch. 

Greenwashing oder Teil der Lösung?

Angenommen Living Carbons Unterfangen wäre gentechnisch unbedenklich, praktisch umsetzbar und die Bäume würden am richtigen Ort gepflanzt werden, so laufen die Fäden bei einer Grundsatzdiskussion des Klimadiskurses zusammen: Ist Offsetting oder genauer gesagt Emissionshandel Teil der Lösung? Oder legitimiert er nur den CO2-Verbrauch und lenkt von der einzigen Möglichkeit ab, sie abzuwenden, nämlich einer tatsächlichen Verringerung der Emissionen? Je nachdem, wo man hier steht, sind die Superbäume zu bewerten. 

Statt einer 'Lizenz zum Emittieren' sollten Emissionszertifikate als Anreiz für die Entwicklung von CO2-speichernder Technologien gesehen werden", ist das Living-Carbon-Team der Meinung. Zertifikate könnten dabei helfen eine überprüfbare Kohlenstoffreduktion" voranzutreiben. Es soll künftig genau klar sein, wie viel CO2 mit einem bestimmten Projekt wie den Super-Bäumen kompensiert wird. Am Markt gäbe es derzeit nicht genug „hochwertige" CO2-Zertifikate, diese Lücke möchte das Start-up füllen. Es ist wichtig, dass wir alle verfügbaren Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel nutzen", sagt Living Carbon. Die groß angelegte Kohlenstoffspeicherung ist eines davon."

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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