Digitaler Sommelier: Was Wein-Apps können
Wer kennt es nicht: Man ist zum Abendessen bei Bekannten eingeladen und hat keine Ahnung, welchen Wein man mitbringen soll. Oder man hat bereits eine größere Sammlung im Keller stehen, erinnert sich aber nicht, ob dieser eine tolle Rotwein schon ausgetrunken ist.
Oder man sitzt im Restaurant und bekommt ein Glas von einem Weingut empfohlen, von dem man doch schon mal was gehört hatte. Wein-Apps können in allen diesen Situationen hilfreich sein. Die KURIER futurezone hat sich 3 davon – Vivino, CellarTracker und Oeni – genauer angesehen.
Vivino
Vivino ist mit mehr als 65 Millionen Downloads die meistgenutzte Wein-App der Welt. Gleichzeitig ist es ein Online-Marktplatz, was auf der Startseite voller Sonderangebote und Rabatthinweise kaum zu übersehen ist. Man kann Weine nach Typ, Anbaugebiet, Stil, Trauben, Region oder Serviervorschlag filtern und kaufen.
Die Startseite von Vivino sieht eindeutig wie ein Onlineshop aus.
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Für jeden Wein gibt es eine Übersichtsseite, auf der die Wertungen der Vivino-Nutzerinnen und Nutzer sowie Daten zu Herkunft, Geschmacksprofil und passenden Speisen angezeigt werden. Die App schlägt außerdem ähnliche Weine vor und liefert Informationen zur Weinregion.
Auf der Überssichtsseite eines Weines kann man u.a. die Community-Bewertungen ansehen.
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Man kann die Weine in der Vivino-Datenbank mit bis zu 5 Sternen und schriftlicher Rezension bewerten. Je mehr Bewertungen man abgibt, desto treffsicherer verspricht die App in ihren Empfehlungen zu werden. Man kann außerdem private Notizen eintragen und den jeweiligen Wein „zum Weinkeller hinzufügen“, also in der eigenen Sammlung speichern.
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Theoretisch kann man auch per Foto – vom Etikett oder einer Speisekarte – Weine auf Vivino finden. Im Test funktioniert das jedoch sehr unzuverlässig. Ein weiterer Minuspunkt: Die App ist visuell überladen und voller unruhiger Animationen, was sie unübersichtlich macht.
Vivino im Überblick
Vivino eignet sich für Menschen, die schnell gut bewertete Flaschen finden und direkt kaufen wollen.
+ riesige Datenbank
+ viele Bewertungen aus der Community
- überladen und unübersichtlich
- sehr verkaufsgetrieben
CellarTracker
Wie der Name schon sagt, ist die englischsprachige App bzw. Webseite CellarTracker dazu gedacht, den Überblick über den eigenen Weinkeller zu behalten. Über die Suchleiste, den Barcode-Scanner oder ein Foto des Etiketts kann man Weine zur eigenen Sammlung hinzufügen. Dabei kann man u.a. den Aufbewahrungsort oder Details zum Kauf eintragen. Aus dem Preis errechnet die App, wie viel man schon für die eigene Sammlung ausgegeben hat.
Das Design von CellarTracker ist recht text-lastig.
© Screenshot CellarTracker
Hat man eine Flasche ausgetrunken, kann man sie als leer markieren, sodass sie innerhalb der App ins Archiv wandert. Bewertungen erfolgen in CellarTracker nach dem 100-Punkte-Schema. Wer mag, kann anderen Nutzerinnen und Nutzern folgen und deren Verkostungsnotizen lesen, diese scheinen vor allem aus den USA zu stammen. Österreichische Weine sind kaum bewertet.
Die Bezahlversion bietet zusätzliche Funktionen. So errechnet CellarTracker dann anhand durchschnittlich eingegebener Preise sowie öffentlicher Daten aus Weinauktionen den aktuellen Wert der eigenen Sammlung. Außerdem kann man sich benachrichtigen lassen, sobald eine Flasche im eigenen Keller die perfekte Trinkreife erreicht hat.
Für eingefleischte Sammlerinnen und Sammler oder Restaurants könnte die Option individueller Barcode-Etiketten und Wein-Listen nützlich sein: Damit lässt sich ein eigenes Label für jede einzelne Flasche im eigenen Besitz erstellen, was die Verwaltung unübersichtlich großer Weinkeller vereinfacht.
Der Abo-Preis richtet sich dabei nach der Größe der eigenen Sammlung. Für umgerechnet etwa 34 Euro jährlich kann man bis zu 100 Flaschen speichern, 250 Flaschen kosten rund 51 Euro im Jahr, Sammlerinnen und Sammler mit mehr als 2500 Flaschen im Keller zahlen 425 Euro pro Jahr.
CellarTracker im Überblick
CellarTracker richtet sich an Sammlerinnen und Sammler mit großem, wertvollen Weinkeller.
+ nützliche Pro-Funktionen: Etiketten und Listen zur Verwaltung
- kaum Bewertungen für heimische Weine
Oeni
Oeni – kostenlos als Android-/iOS-App und Webseite auf Deutsch verfügbar – stammt aus Frankreich. Das Service stellt die Verwaltung des eigenen Weinkellers in den Mittelpunkt. Wie bei den anderen beiden Apps kann man Wein per Suchleiste oder Foto hinzufügen. Fehlt eine Flasche in der Datenbank, kann man sie händisch ergänzen. Für größere Sammlungen eignet sich der Import via Excel-Tabelle.
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Auf der Übersichtsseite jedes Weins lassen sich bis zu 5 Sterne vergeben, sowie Schlagwörter und persönliche Notizen hinzufügen. Zusätzlich bietet Oeni ein „optimiertes Verkostungsblatt“, wo man den eigenen Eindruck strukturiert festhalten kann: mit wem, wo und zu was man den Wein getrunken hat, welche Temperatur er hatte und wie lange er zuvor dekantiert wurde. Mit praktischen Schiebern kann man Details zu Aussehen, Duft und Geschmack angeben.
Bei Oeni kann man Verkostungsnotizen strukturiert eingeben.
© Screenshot Oeni
Eine Besonderheit an Oeni ist die Funktion „3D-Keller“. Damit kann man eine visuelle Kopie der eigenen Sammlung anlegen, um z.B. auch jene Flaschen schnell wiederzufinden, die in einem Regal von anderen verdeckt werden. Oeni will außerdem dabei helfen, die Lagerbedingungen zu optimieren und gibt deshalb Tipps zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Organisation.
Die "3D-Keller"-Funktion von Oeni ist einzigartig.
© Screenshot Oeni
In der Bezahlversion, die im Jahresabo 49,99 Euro kostet, kann man zusätzlich die optimalen Reifephasen basierend auf den eigenen Lagerungsbedingungen, Speiseempfehlungen und den geschätzten Marktwert des eigenen Weins anzeigen lassen. Die App ist übersichtlich gestaltet und setzt sparsam Emojis ein.
Übersicht Oeni
Oeni ist für die Weinkeller-Verwaltung und persönliche Verkostungsnotizen optimiert.
+ Puristisch und übersichtlich
- keine community-generierten Bewertungen
Online-Lernangebote für Weinbegeisterte
„Wenn es um den Österreichischen Wein geht, kann ich die ÖWM-Webseite empfehlen. Es gibt kein Weinland auf der Welt, das besser dargestellt ist, es ist didaktisch sehr gut“, meint Annemarie Foidl. Sie ist Diplom-Sommelière, Besitzerin der Angerer Alm in Tirol und Präsidentin des Branchenverbands Sommelier Union Austria. Wer sich über die heimischen Weinbauregionen und Rebsorten informieren möchte, sei hier gut aufgehoben.
Als Lernplattform empfiehlt Foidl „SommNinja“, wo man auf verschiedenen Leveln mit Quizfragen sein Weinwissen erweitern kann. Die englischsprachige Webseite richtet sich sowohl an absolute Neulinge als auch an Menschen, die sich auf verschiedene Sommelier-Tests vorbereiten wollen.
Je nach Schwierigkeitsgrad kostet das Abo zwischen 2,99 Euro und 8,99 Euro pro Monat. Die britische Schulungsinstitution WSET bietet über die Karteikarten-Lernapp „Brainscape“ (für Android und iOS) Materialien an, die die Inhalte der offiziellen Lehrbücher aufgreifen und bei der Prüfungsvorbereitung unterstützen sollen.
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Von Wein-Bewertungs-Apps hält die Diplom-Sommelière nicht so viel: „Ich hab schon auch Gäste, die in einer App nachschauen, wie einzelne Weine bewertet sind. Ich finde das schade, wenn man die deshalb einfach abkanzelt, statt sich selber darauf einzulassen.“
Gerade Menschen, die sich noch nicht so viel mit Wein beschäftigt haben, könnten leicht in die Irre geführt werden: „Wenn ich als Neuling nicht weiß, wie über Wein gesprochen wird, dann missverstehe ich vielleicht etwas, das in der App steht. Wenn ich zu einer Weinverkostung, einem Winzer oder in eine Vinothek gehe, oder im Restaurant Wein trinke, dann werde ich im Gespräch beraten, das kann eine App nicht!“