Intel steckt in tiefer Krise: CEO überraschend zurückgetreten
Intel steckt tief in der Krise. Nach einer Serie von Fehlentscheidungen und verpassten Chancen ist der einst weltgrößte Chip-Hersteller zu einem Übernahmekandidaten geworden. Nun muss sich das Unternehmen einen neuen Chef suchen. CEO Pat Gelsinger ist überraschend zurückgetreten.
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Intel und die verpassten Chancen
Die Smartphone-Revolution fand ohne Intel-Chips statt, bei der Künstlichen Intelligenz hat Nvidia die Nase vorne und auch bei Prozessoren für Laptops, PCs und Rechenzentren steht das Unternehmen unter Druck. Gelsinger wollte die Trendwende einläuten, blieb aber erfolglos.
Der Manager habe am 1. Dezember das Unternehmen verlassen und sei damit aus dem Vorstand ausgeschieden, teilte der Halbleiter-Riese am Montag in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien mit.
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Gelsinger wurde zu Rücktritt gedrängt
Bis ein Nachfolger gefunden ist, soll die Doppelspitze aus David Zinsner und Michelle Johnston Holthaus die Geschäfte bei Intel führen. Zinsner verantwortet bisher das Finanzressort, während Holthaus in einer neu geschaffenen Position die Leitung mehrerer Intel-Sparten übernimmt.
Kreisen zufolge wurde Gelsinger vom Aufsichtsrat zu seiner Entscheidung gedrängt. So habe das Gremium zunehmend das Vertrauen in den Manager und dessen Umsetzung der Trendwende verloren, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider.
Vergangene Woche habe sich der Konflikt dann zugespitzt, als Gelsinger den Aufsichtsrat über die Fortschritte des Unternehmens informieren wollte, inwieweit Intel wieder Marktanteile zurückerobert. Der Aufsichtsrat habe ihn dann vor die Wahl gestellt: Entweder Gelsinger geht in den Ruhestand oder wird gefeuert.
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Sparmaßnahmen bei Intel
Gelsinger verlässt Intel inmitten turbulenter Zeiten. Der Manager kam 2021 als Sanierer zu Intel zurück und hatte seither versucht, den Konzern mit neuen Technologien und Werken bei zeitgleichem Sparkurs auf Vordermann zu bringen. So sollen früheren Angaben zufolge rund 15.000 Arbeitsplätze oder etwa 15 Prozent der Belegschaft wegfallen.
Als Teil der Sparmaßnahmen hatte der Konzern im vergangenen Quartal zudem beschlossen, den milliardenschweren Bau einer Chipfabrik in Deutschland um voraussichtlich 2 Jahre aufzuschieben.
Die Intel-Aktie erholte sich am Montag zwar um fast 4 Prozent auf 24,96 US-Dollar, haben 2024 aber immer noch rund die Hälfte ihres Wertes verloren. Seit dem Zwischenhoch im April 2021 summieren sich die Kursverluste auf fast zwei Drittel.
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Die wichtigsten Stationen der Firmengeschichte
1968 - Robert Noyce und Gordon Moore gründen Intel. Der Firmensitz wird zur Keimzelle für die Transformation des kalifornischen Santa Clara Valley zum weltbekannten „Silicon Valley“. Bereits drei Jahre zuvor hatte Moore das nach ihm benannte Gesetz formuliert, demzufolge sich die Zahl der Transistoren in integrierten Schaltkreisen alle ein bis zwei Jahre verdoppelt.
1971 - Intel stellt mit dem „4004“ den ersten kommerziellen frei programmierbaren Mikroprozessor mit 2300 Transistoren vor. Zuvor konnten Halbleiter nur für eng umrissene Aufgaben genutzt werden, weil die Programmbefehle fest verdrahtet waren.
1981 - Der „8088“ mit 29.000 Transistoren befeuert als Hauptprozessor (CPU) den Personal Computer von IBM und läutet damit den Siegeszug dieser Rechnergattung ein. Auch 40 Jahre später basieren die meisten PC-Prozessoren und zahlreiche Hochleistungschips für Rechenzentren auf Intels „X86“-Architektur.
1987 - Der für sein Motto „Nur die Paranoiden überleben“ bekannte Andy Grove übernimmt die Führung. Er steuert den Konzern durch die damalige Krise der Computerindustrie und festigt die Position des Konzerns als Fels in der Brandung, während die Rivalen AMD und National Semiconductor zu kämpfen haben.
1991 - Die TV-Spots der Marketing-Kampagne „Intel Inside“ werden zu einem kulturellen Phänomen.
1993 - Intel stellt die ersten „Pentium“-Prozessoren vor. Mit 3,1 Millionen Transistoren sind sie 300 Mal schneller als ein „8088“.
1999 - Intel und der „Windows“-Entwickler Microsoft, die wegen ihrer engen Zusammenarbeit oft als „Wintel“ bezeichnet werden, ziehen als erste Technologieunternehmen in den US-Standardwerteindex Dow Jones ein.
1999 - Nvidia stellt seinen ersten Grafik-Prozessor (GPU) vor. Er wird vor allem für Videospiele und Multimedia-Anwendungen genutzt. Intel konzentriert sich dagegen weiter auf die Entwicklung von CPUs und gerät damit bei einer Produktkategorie ins Hintertreffen, die mehr als ein Jahrzehnt später zunächst durch die Kryptowährungsbranche und dann durch den Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) einen Boom erleben wird.
2000 - Explodierende Computerverkäufe während der Internetblase hieven Intels Börsenwert auf ein Rekordhoch von 495 Milliarden Dollar. Bis zum Herbst 2024 schrumpft er auf weniger als 100 Milliarden Dollar zusammen.
2007 - Mit der Vorstellung des ersten iPhone durch Apple beginnt der Siegeszug der Smartphones, den Intel ebenfalls verpasst. Der damalige Intel-Chef Paul Otellini hatte ein Angebot zur Produktion der iPhone-Chips ausgeschlagen, weil der Deal aus seiner Sicht nicht ertragreich genug war. Apple entschied sich daher für Prozessoren, die auf Entwürfen des Chip-Designers Arm basieren und die aktuell in fast sämtlichen Handys verbaut sind.
2014-2016 - Intel verzichtet auf den Einsatz der EUV-Lithografie zur Chip-Herstellung. Firmenchef Brian Krzanich ist der Ansicht, dass die Fertigung mit Hilfe von extrem ultraviolettem Licht (EUV) „niemals funktionieren wird“. Dadurch fällt Intel bei Entwicklung und Produktion hochmoderner Prozessoren etwa fünf Jahre hinter die Konkurrenz zurück.
2017 - Gemessen am Umsatz löst Samsung Intel als weltgrößten Halbleiter-Hersteller ab. Dabei profitiert der südkoreanische Konzern von anziehenden Preisen für Speicherchips Gleichzeitig verliert Intel seine Spitzenposition in der Auftragsfertigung an TSMC aus Taiwan.
2018 - Krzanich muss seinen Posten an den bisherigen Finanzchef Bob Swan abgeben. Dieser schlägt ein Angebot zum Einstieg beim ChatGPT-Entwickler OpenAI aus, weil er nicht an eine baldige Marktreife dieser Technologie glaubt. 2024 wird OpenAI fast doppelt so hoch bewertet wie Intel.
2020 - Durch explodierende PC-Verkäufe während der Coronavirus-Pandemie erreicht Intels Jahresumsatz ein Rekordhoch von 77,87 Milliarden Dollar. Seither gehen die Erlöse unter anderem wegen der wachsenden Konkurrenz durch AMD und Nvidia stetig zurück. Letzterer zieht beim Börsenwert an Intel vorbei.
2021 - Intel holt seinen früheren Technologiechef Pat Gelsinger als Vorstandsvorsitzenden zurück, um den schlingernden Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Der mit viel Vorschuss-Lorbeeren gestartete Manager pumpt Milliarden in den Auf- und Ausbau der Auftragsfertigung.
2021-2024 - Gestützt auf milliardenschwere Staatshilfen will Intel weltweit zahlreiche neue Werke aufbauen und hierfür einen dreistelligen Milliarden-Dollar-Betrag ausgeben. Eines der Projekte ist die „Megafab“ in Magdeburg.
2022 - Beim Börsenwert fällt Intel hinter den Erzrivalen AMD zurück, der seinen Marktanteil bei Prozessoren für PC und Server kontinuierlich ausbaut. Mit einer Palette von KI-Hochleistungsprozessoren fordert Intel den Weltmarktführer Nvidia heraus.
2024 - Wegen einer desaströsen Geschäftsentwicklung zieht Gelsinger die Reißleine und verordnet Intel einen rigiden Sparkurs. Diesem fallen 17.500 Jobs und vorerst auch die geplante Fabrik in Magdeburg zum Opfer. Im November muss Intel nach einem Vierteljahrhundert seinen Platz im Dow Jones räumen. Stattdessen zieht Nvidia in den US-Standardwerteindex ein. Wenige Wochen später verabschiedet sich Konzernchef Gelsinger abrupt in den Ruhestand.