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"Langweilig zu sein, ist gut für Apple"

Was war im vergangenen Jahr nicht alles an Apple kritisiert worden: Das Design des iPhone 7 sei wenig inspiriert, der Wegfall der Kopfhörerbuchse unsinnig und die Geräte teuer, kritisierten auch wir von der futurezone. Ähnliches las man vielerorts über das neue Macbook Pro, das auf herkömmliche USB-Anschlüsse (Typ A) verzichtete. Dazu kam die Häme über den kabellosen Kopfhörer, der erst mit monatelanger Verspätung ausgeliefert werden konnte.

Missverstandenes Apple

"Apple hat eines der besten und gleichzeitig am wenigsten verstandenen Geschäftsmodelle der Branche", sagt der renommierte Analyst und Apple-Kenner Horace Dedius von Asymco zur futurezone. "Jeder konzentriert sich auf die iPhone-Verkäufe und lässt völlig außer Acht, dass allein Apples Geschäft mit Services mit über sieben Milliarden Dollar Umsatz und Wachstumsraten von fast 20 Prozent praktisch so groß wie das von Facebook ist“, sagt Dediu.

Dass es der Konzern geschafft habe, mit Erträgen aus dem App Store, aber auch durch das eigene Garantie- und Reparatur-Programm, das von Kunden dazugekauft werde, sowie Musik-Streaming und Cloud-Speicher das reine Hardware-Business zu einem Service-Geschäft zu transformieren sei eine Leistung, die meist völlig übersehen werde, meint Dediu. In der Tat zeigte sich Cook bei den Wachstumsaussichten in diesem Bereich ambitioniert. Der Umsatz soll in den kommenden vier Jahren auf 50 Millarden Dollar pro Jahr verdoppelt werden.

"Langweilig ist gut"

Aus dem nun vorgelegten besten Quartal in der Geschichte Apples mit über 78 Millionen verkauften iPhones lassen sich die über die vergangenen Monate geäußerten Kritikpunkte in der Tat nicht herauslesen - im Gegenteil. Tim Cook zufolge wäre das Ergebnis sogar noch besser ausgefallen, wenn der Konzern die hohe Nachfrage vorab besser eingeschätzt hätte. Vor allem beim größeren iPhone 7 Plus hätten Lieferengpässe das Wachstum geschmälert.

Dem immer wieder gehörten Einwand, dass Apple im Vergleich zu den Jahren unter Steve Jobs zunehmend langweilig und wenig kreativ wirke, kann Apple-Analyst Dediu sogar etwas Positives abgewinnen. "Unter Steve Jobs war Apple dazu verdammt, in fast magischer Weise Hit um Hit abzuliefern. Das mag für Medien und die Apple-Fanbase aufregend gewesen sein, aus Investorensicht war es aber schrecklich."

Tim Cook als Anti-Magier

Dass nicht klar gewesen sei, wie man den nächsten Produkt-Hit lande bzw. was passiert, wenn der Magier - in dem Fall Steve Job - weg ist, habe für enorme Verunsicherung gesorgt. Tim Cook habe bewusst einen anderen Weg gewählt und suggeriere nun: "Mag sein, dass wir langweiliger geworden sind, aber wir wissen genau, was wir tun und sind erfolgreich damit."

Dass Apple in der Öffentlichkeit oftmals weiterhin mit einer völlig überzogenen Erwartungshaltung zu kämpfen habe, sei teilweise aber auch selbstverschuldet. "In vielerlei Hinsicht ist die offensive PR- und Marketing-Strategie bei Produkt-Launches gleichgeblieben. Steve Jobs hat diese Brücke zwischen Geschäftsentwicklung und Produktpräsentation durch sein Showtalent perfekt geschafft. Tim Cook tut sich da sichtlich schwerer", sagt Dediu.

"Apple niemals wie Microsoft"

Die Gefahr, dass Apple durch seine Erfolge zum selbstgefälligen Microsoft der Anfang 2000er-Jahre werden könnte, sieht der Apple-Kenner nur bedingt. Zum einen nehme Apple Kundenfeedback weiterhin sehr ernst und perfektioniere Produkte nach dieser Prämisse. Zum anderen müsse sich Apple im Vergleich zu den anderen führenden Branchenkonzernen wie Google, Microsoft, Facebook und Amazon seit jeher weitaus stärkerem Wettbewerb stellen.

"Apples Geschäft gilt, wie die niedrige P/E-Ratio zeigt, als besonders verwundbar. Ich denke, das hängt wohl damit zusammen, dass es von den fünf genannten Firmen der einzige Nicht-Monopolist ist. Google hat bei der Suche und dem damit verbundenen Werbegeschäft, Microsoft bei (Business-)Software, Facebook bei Social Media und Amazon im Online-Handel keinen ernstzunehmenden Konkurrenten."

Apple hingegen müsse sich in sämtlichen Geschäftsfeldern ständig von neuem gegen Mitbewerber beweisen. "Dass sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen können, wird ihnen auf lange Sicht helfen, relevant und erfolgreich zu bleiben", ist Dediu im futurezone-Gespräch überzeugt.

iPhone vs iPad

An der Rolle des iPhones als wichtigster Cashcow wird sich in nächster Zeit wohl wenig ändern. „Das iPhone wird auch die nächsten zehn Jahre ein großartiges Geschäft sein“, prognostiziert Dediu. Auch Analystin Milanesi von Creative Strategies sieht aktuell nichts im Portfolio, das dem iPhone den Rang ablaufen könnte. „Apple versucht vieles, um nicht so stark vom iPhone abhängig zu sein. In Wahrheit haben aber alle Elektronik-Hersteller das Problem, dass ihr Geschäft mit dem Erfolg ihrer Smartphones steht und fällt.“

Wer ein Haar in der Suppe der aktuellen Quartalszahlen finden möchte, könnte das in den sinkenden Verkaufszahlen des iPads tun. Ein Minus von 19 Prozent auf 13 Millionen verkaufte Geräte lässt nichts Gutes vermuten. Den Marktkennern zufolge ist aber zu früh, die Tablet-Kategorie abzuschreiben. „Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass Apple im vergangenen Quartal viele neue Käufer gewinnen konnte, die bisher noch kein iPad besessen haben. Zwar aktualisieren Besitzer ihre Geräte weitaus weniger oft als im Smartphone-Segment, die gesamte Nutzerzahl wächst aber dennoch“, sagt Milanesi.

"Apple Watch zu früh"

Was die Apple Watch betrifft, die sich laut Apple ebenfalls so gut wie noch nie verkauft haben soll, glaubt Dediu, dass der Konzern eigentlich zu früh dran war. "Diese Kategorie, die durch Apple volumenmäßig eigentlich erst relevant wurde, befindet sich erst in ihrem Anfangsstadium. Steve Jobs hätte vermutlich entschieden, noch ein bis zwei Jahre zu warten, bis das Produkt ausgereifter gewesen wäre und der Markt etablierter. Andererseits hat es Apple jetzt auch nicht wirklich geschadet", ist Dediu überzeugt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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