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Wie Big Data die Industrie verändert

Die Weidmüller Gruppe unterstützt Firmen aus der Industrie bei der digitalen Transformation. Beim IoT Forum CE, das am 16. und 17. Mai im Congress Center der Wiener Messe stattfindet, werden auch die Datenanalyselösungen des deutschen Traditionsunternehmens Thema sein. Die futurezone hat im Vorfeld der Veranstaltung mit Carlos Paiz Gatica, Produktmanager für Industrial Analytics bei Weidmüller über den Einsatz von Big Data in der industriellen Fertigung gesprochen.

futurezone: Warum sollten Unternehmen Industrial Analytics einsetzen?
Carlos Paiz Gatica:
Industrial Analytics ermöglicht, aus Produktions- und Maschinendaten Mehrwert zu erzeugen. Diese Daten aus der Produktionsanlage bilden die Basis, um beispielweise die Produktqualität oder die Produktionslinien zu überwachen. Davon profitieren zwei Gruppen: Anlagenbetreiber und Maschinenbauer. Für Anlagenbetreiber bedeutet die Nutzung von Industrial Analytics, dass Wartungsaufgaben besser geplant werden und kritische Komponenten zustandsorientiert ausgetauscht werden können. Das reduziert die Betrieb- und Wartungskosten enorm.  Für Maschinenbauer ermöglichen Industrial Analytics die Einführung von neuen Geschäftsmodellen, bei denen Endkunden für die Leistungserbringung bezahlen (zum Beispiel der produzierten Teile) und nicht für die Maschine selbst. Damit die Verfügbarkeit garantiert werden kann, müssen Wartungsaufgaben automatisiert werden. Die Fähigkeit, Maschinenfehler weit im Voraus zu erkennen, ist dazu eine Voraussetzung.

Vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintanance) und vorausschauende Qualitätssicherung (Predictive Quality) sind an sich nichts Neues. Welche neue Qualität bringen Datenanalysen?
In der Qualitätssicherungsstrategie kommen Modelle zum Einsatz, die den Zustand einer Maschine oder eines Prozesses vorhersagen können. Industrial Analytics hebt diesen Ansatz auf einer neuen Ebene. Auf der einen Seite geht es um die Qualität der Vorhersagen, die mit maschinellem Lernverfahren, Domain-Know-how, und einer geeigneten Datenqualität erreicht werden kann. Auf der anderen Seite geht es um die Minimierung des Aufwandes, um individuelle Vorhersagemodelle für Fertigungsprozesse, Maschinen oder kritischen Komponenten zu erstellen. Die Vorhersagemodelle werden in einem ersten Stritt für einen Maschinentyp entwickelt. Dann werden die Modelle ein einer Trainingsphase individuell für jede Maschineninstanz adaptiert, sodass für die Überwachung einer Maschine auch individuelle Produktionsbedingungen berücksichtigt werden können. Das ermöglicht eine ganz andere Qualität der Vorhersagen.

Dabei spielt Feature Engineering eine große Rolle, das auch beim IoT Forum Thema sein wird. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Entwicklung von Industrial Analytics Lösungen fängt mit einer Phase an, wo Maschinendaten, die über einen bestimmten Zeitraum aufgenommen wurden, offline analysiert werden. Es wird eine Reihe von Analysemethoden auf die Beispieldaten angewandt, um herauszufinden, welche Daten relevant sind, welche Vorverarbeitung der Daten notwendig ist und welche Lernalgorithmen die besten Erkenntnisse liefern. Hier spiel das Feature Engineering, das heißt die Ableitung von Merkmalen aus den Rohdaten, eine wesentliche Rolle. Denn es geht darum, vorhandene Daten in geschäftsrelevantes Wissen zu überführen. Das ist direkt aus dem Rohdaten nicht immer möglich. Hinter Feature Engineering verbergen sich die Identifikation von relevanten Zusammenhängen in den Rohdaten und die Ableitung von Informationen, die zum Beispiel das Training eines robusten Vorhersagemodells ermöglichen. In den Prozess involvieren wir sehr stark den Kunden, denn es geht am Ende darum, deren Domänen-Know-how bestmöglich zu nutzen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich für industrielle Anwendungen dann aus den Daten das Maximum rausholen lässt, wenn das Wissen über maschinelle Lernverfahren mit Domänenwissen kombiniert wird.

Carlos Paiz Gatica ist bei Weidmüller für Industrial Analytics zuständig.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Um ein Echtzeit-Monitoring-System beim Schweißvorgang zu realisieren, sowie um Kosten- und Ressourcen durch eine gezielte Wartung einzusparen, setzt beispielsweise die Grenzebach Maschinenbau GmbH eine maßgeschneiderte Industrial-Analytics-Lösung von uns ein. Grenzebach bietet mit seinen Rührreibschweißanlagen ein innovatives Fügeverfahren zum Verbinden von Metallen, Legierungen und Mischverbindungen. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Grenzebach konnten unsere Data Scientists die aussagekräftigsten Features identifizieren, separieren und auf deren Basis ein Modell entwickeln, welches präzise Vorhersagen ermöglicht. Dadurch werden Grenzebachs Kunden in die Lage versetzt, proaktiv zu reagieren. Sie können während des Schweißprozesses eine Aussage über die Qualität der Schweißnaht treffen und die gegebenenfalls schlechte Schweißstelle über eine visuelle Darstellung der Schweißnaht lokalisieren.

Wie ist die Bereitschaft in der Branche Industrial Analytics einzusetzen?
Viele mittelständige Unternehmen haben erkannt, dass das Potenzial bei der Nutzung von Maschinen- und Produktionsdaten sehr groß ist. Nicht alle Unternehmen haben allerdings das Know-How, noch die Ressourcen um Analytics Lösungen zu entwickeln. Wir positionieren uns hier als Partner diese Firmen, und bieten maßgeschneiderte Lösungen an. Zeitgleich beobachten wir, dass die Umsetzung von Smart Services im Moment noch primär bei den Innovations- und Technologieführern stattfindet. Allerdings steigt die Bedeutung des Themas langsam an und auch die Priorität bei den Unternehmen wächst. In einigen Branchen ist ein regelrechter Wettbewerb entbrannt. Wer es als erster schafft, neue datengetriebene Services auf den Markt zu bringen, erhöht deshalb den Druck auf die Wettbewerber enorm. Ich bin überzeugt, dass das Thema Analytics eine zunehmende Bedeutung erlangen wird. Denn die Erkenntnisse aus Analytics-Anwendungen schaffen die Voraussetzungen für Effizienzgewinne entlang der Wertschöpfungskette und ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Wer diese Möglichkeiten nicht nutzt, läuft Gefahr, zukünftig Wettbewerbsnachteile zu erleiden.

Worauf sollten Unternehmen achten, die ihre Produktionsabläufe automatisieren und digitalisieren wollen?
Nach wie vor sind Neumaschinen auf lange Laufzeiten ausgelegt. Der Maschinenbau kommt noch aus einer Zeit, in der man lange sehr standardisiert vorgegangen ist. Doch Maschinen werden billiger und haben kürzere Laufzeiten und in Zukunft wird größtmögliche Flexibilität gefragt sein. Die Kunden selbst müssen künftig noch flexibler sein. Wenn die Maschine günstiger ist, kann das Unternehmen je nach sich verändernden Anforderungen häufiger eine besser passende, neue Maschine anschaffen. Gleichzeitig steigt das Tempo der Neuentwicklungen zurzeit stark an. Vor einiger Zeit ging es lediglich um die Vernetzung der Maschinen untereinander, dann spielte das Thema Daten zusehends eine Rolle. Dies intensiviert sich im Moment, weil die Internetschlagzahl das Tempo drastisch erhöht. Derzeit beschäftigen sich viele Unternehmen mit der Frage, wie diese Produktionsleitsysteme miteinander vernetzt sind und was kann man damit machen kann. Stichworte auf dem Weg dahin sind Prozessoptimierung, Stammdatenbereinigung, Informationsdurchgängigkeit und natürlich über welche Datenmengen wir sprechen. Diese Themen müssen Unternehmen angehen, um von der Digitalisierung und Automatisierung zu profitieren.

 

Wie verändert die Digitalisierung die Branche?
Es gibt aktuell viele verschiedene Anforderungen an die Fabrik der Zukunft. Zum einen muss sie auf echter Machine-to-Machine-Kommunikation basieren, zum anderen über ein flexibles Produktionssystem, mit dem schnell unterschiedliche Produkte hergestellt werden können. Viele dieser Entwicklungen werden zurzeit unter dem Begriff Industrie 4.0 und Smart Factory subsumiert: Das sind die Verkettung und Vernetzung von Maschinen oder Anlagen, eine deutlich stärkere Dominanz der Software, die verstärkte Durchdringung von Automatisierungslösungen aber auch das Erfassen und Auswerten von Datenmaterial zur vorbeugenden Wartung. Es gilt, die markante Zunahme von interdisziplinären Fragestellungen durch entsprechende Teams zu beherrschen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, neue Überlegungen bei der Produktionsoptimierung anzustellen und neuartige Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen zu entwickeln. Eine Maschine wird nicht mehr fertig ausgeliefert, sie passt sich flexibel an zukünftige Anforderungen an. Das kann mithilfe von Softwareupdates, modularen Erweiterungen, erneuerten Vernetzungen oder entsprechende Redesigns erfolgen. Auch der Maschinenbauer wird sich verstärkt um seine Kunden und deren Geschäftsmodelle bemühen müssen. Neben Ansätzen wie Fernwartung werden neue Beratungsleistungen und Services entstehen. Es gilt, Innovationen schnell und kompetent umzusetzen.

 

Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem IoT Forum CE entstanden.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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