Warum A320-Flugzeuge wegen Software-Fehler nicht starten dürfen
Am 30. Oktober war ein Airbus A320 von Jetblue auf dem Weg von Cancun in Mexiko nach Newark in den USA. Plötzlich sind bei dem Flug B61230 gravierende Probleme mit der Flugsteuerung aufgetreten, was zu einem Horrorszenario an Bord geführt hat.
Die Nase neigte sich stark nach unten und die Maschine ging von allein in einen rasanten Sinkflug über. Unkontrollierter Höhenverlust war die Folge. Die Piloten konnten die Kontrolle über das Flugzeug zurückgewinnen und sicher auf dem nächsten Flughafen notlanden. Mehrere Personen mussten ins Krankenhaus gebracht werden.
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Sonnenstrahlung als Problem
Eine Analyse des Zwischenfalls hat gezeigt, dass intensive Sonnenstrahlung die Datenübertragung im Flugzeug beeinträchtigt hat. Dadurch ist es zu fehlerhaften Informationen gekommen, weshalb die Software falsche Steuerbefehle erzeugte.
Nach Bekanntwerden dieses Problems am 28. November hat die europäische Flugsicherheitsbehörde (EASA) eine dementsprechende "Emergency Airworthiness Directive" (EAD) herausgegeben.
Bei den betroffenen Maschinen der Airbus-A320-Familie muss nachgebessert werden, bevor sie wieder mit Passagieren fliegen dürfen. Der Flugzeughersteller geht davon aus, dass in etwa 6.000 Maschinen davon betroffen sind.
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Was ist das Problem?
Unter bestimmten Bedingungen können hochenergetische Partikel, die auf eine starke Sonnenstrahlung zurückzuführen sind, bestimmte Daten im Flugzeug verfälschen. Bei dem Vorfall von Jetblue wurden beispielsweise Daten verfälscht, die für den zentralen ELAC-Steuerungsrechner (Elevator Aileron Computer) ausschlaggebend sind. Das ELAC-System ist mit den Sidesticks der Piloten verknüpft und sendet die Eingaben an die Höhenrudern am Heck. Dort wird der Neigungswinkel des Flugzeugs kontrolliert.
Wenn also in der Folge von Sonnenstürmen die solare Strahlung auf ein Flugzeug trifft, kann es zu fehlerhaften internen Daten kommen, wodurch die ELAC-Software unvorhersehbar Befehle an die Flugsteuerung weitergibt - im Fall von Jetblue eben einen Sinkflug einleiten. In Extremfällen könnte dies zu hohen Belastungen der Maschine und den Passagieren führen, was in der Folge sogar die strukturelle Integrität des Flugzeugs gefährden könnte.
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Wie kann das Problem behoben werden?
Bevor die betroffenen Maschinen der A320-Baureihe wieder mit Passagieren abheben dürfen, ist es notwendig, dass eine sichere Software-Version aufgespielt wird. In den meisten Fällen sollte ein Rücksetzen auf eine sichere Software-Version vorerst ausreichen.
Die ELAC-Software muss nämlich so programmiert werden, dass sie interne Fehler erkennt und wenn notwendig, selbständig korrigiert. Bei der Datenintegrität und Fehlerkorrektur darf es zu keinen Abweichungen kommen, wie der Jetblue-Vorfall gezeigt hat.
Damit ein ELAC-Steuerrechner bei äußeren Einflüssen zuverlässig funktioniert, könnte es langfristig notwendig sein, die Flugzeuge mit widerstandsfähigerer Hardware auszustatten.
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In Japan ist es zu mehreren Flugausfällen gekommen.
© via REUTERS / KYODO
Wie sieht es derzeit an den Flughäfen aus?
Die Steuerrechner der rund 6.000 betroffenen Flugzeuge müssen umgehend überprüft werden. Erst dann können sie wieder in den Dienst gestellt werden. Das stellt die Airlines vor eine riesige Herausforderung. Auch wenn es bei der notwendigen Wartung der Software bereits rasche Fortschritte gibt, warnen die Fluggesellschaften vor Flugausfällen, Umbuchungen und Verspätungen.
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Die AUA-Mutter Lufthansa hatte kurz nach Bekanntwerden des Problems am Freitagabend mitgeteilt, möglicherweise werde es über das Wochenende zu einer kleinen Zahl von Flugausfällen und -verspätungen kommen.
Air France strich 35 Flüge. Japans größte Fluggesellschaft ANA sagte 65 Flüge wegen des Problems ab. Auch am Sonntag könne es noch zu Störungen im Flugverkehr kommen, hieß es.
Bei American Airlines waren nach Unternehmensangaben 209 Flugzeuge betroffen. Die Fluggesellschaft gab sich aber zuversichtlich, dass bis Samstagvormittag (Ortszeit USA) nahezu alle Maschinen auf dem neuen Software-Stand sein dürften. In den USA läuft wegen des Thanksgiving-Familienfests das verkehrsreichste Reisewochenende des Jahres.