Giftige Dämpfe im Flugzeug wirken wie Gehirnerschütterungen
Im Februar musste der Delta-Flug 876 vorzeitig abgebrochen werden und die Boeing 717-200 mit Rolls Royce-Triebwerken notlanden. Grund dafür war Rauch, der sich im Flugzeug ausgebreitet hatte. Laut Berichten sei der Rauch so stark gewesen, dass die Sicht in der Maschine stark eingeschränkt war.
Das führt nun erneut zu Gesundheitsbedenken, denn die Dämpfe könnten laut Expertinnen und Experten gesundheitsschädlich sein. Sie wirken laut Ärzten wie Gehirnerschütterungen bei NFL Playern, berichtet das Wall Street Journal.
Wie es dazu kommt
Während des Flugs nutzen fast alle Verkehrsflugzeuge, außer die Boeing 787, sogenannte Bleed-Air-Systeme. Dabei saugen Verkehrsflugzeuge die Frischluft durch die Hilfstriebwerke an. Die Luft wird dann komprimiert und erwärmt und gelangt über die Klimaanlage in die Kabine.
Kommt es aber zu technischen Problemen, wie zum Beispiel dem Versagen einer Triebwerksdichtung, gelangen auch giftige Partikel in das Innere des Flugzeugs und es kommt zu sogenannten “Fume Events”. Wenn die Dichtungen versagen, kann nämlich auch Öl und Hydraulikflüssigkeit verdampfen, was dann zur Ausbreitung von Kohlenmonoxid oder Neurotoxinen führt.
Im Flugzeug riecht es laut Berichten dann nach schmutzigen Socken. Auch Passagier-Sauerstoffmasken helfen nicht gegen die Luftverschmutzung, da sie nicht abgedichtet sind.
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Auswirkungen auf die Gesundheit
Betroffen von dem giftigen Dampf sind nicht nur Passagiere, sondern vor allem Besatzungsmitglieder, die einen großen Teil ihrer Lebenszeit in Flugzeugen verbringen. Sie berichten über Beschwerden wie Atemnot, Schwindel, Herzrhythmusstörungen oder Gedächtnisverlust sowie chronische Erkrankungen.
Der Facharzt für Arbeitsmedizin Robert Harrison sagt gegenüber CBS News, dass es durch diese toxischen Dämpfe zu allgemeinen Problemen des Nervensystems komme. Denn der Rauch gerate zu Beginn zwar in die Lunge, wo er zirkuliert. Schlussendlich lande er aber im Gehirn, wo er sich im Nervensystem ausbreitet.
Bei einer Flugbegleiterin namens Florence Chesson führte diese Rauchbelastung zu immer schlimmer werdenden Symptomen und schlussendlich zu einer chronischen Erkrankung. Ihr Arzt Robert Kaniecki diagnostizierte eine traumatische Hirnverletzung und eine dauerhafte Schädigung des peripheren Nervensystems, die durch diesen giftigen Dampf ausgelöst wurden. Die Auswirkungen seien ähnlich, wie jene, die ein NFL-Spieler bei einem Zusammenprall mit anderen Spielern erfahre.
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Flugbegleiter fordern bessere Sicherheitsstandards
Da Flugbegleiter diesen giftigen Dämpfen besonders häufig ausgesetzt sind, machen diese seit Jahren auf das Problem aufmerksam. Sarah Nelson, die Präsidentin der Association of Flight Attendants-CWA fordert, dass jedes Flugzeug mit einem entsprechenden Filtersystem ausgestattet sein sollte, um zu vermeiden, dass sich die giftigen Dämpfe im Flugzeug ausbreiten. Außerdem wird ein Ende des Bleed-Air-Systems im Rahmen des "Safe Air on Airplanes Act" gefordert.
Seit 2015 erkennen die UN (United Nations) Fume Events als Risiko bei Flügen an. Seitdem kam es aber zu keinen wesentlichen Änderungen, auch wenn Fume Events bereits für bewusstlose Piloten sorgten. Deshalb haben sich Crew-Mitglieder auch geweigert in bestimmte Flugzeuge zu steigen. Crewmitlgieder die solche Vorfälle melden berichten von Druck oder sogar Kündigungen.
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Welche Flugzeuge am häufigsten betroffen sind
Die Recherche des Wall Street Journal zeigt, dass es vor allem bei Flugzeugen der Airbus A320-Familie zu Problemen mit giftigen Dämpfen kommt. Die Auswertung von CBS News zeigt, dass Airbus für rund 61 Prozent der Fälle mit giftigen Dämpfen verantwortlich war. Das sei ungefähr dreimal so viel wie bei Boeing-Maschinen.
Airbus erklärte, dass man alle geltenden Anforderungen der Behörden einhalte und die Flugzeuge kontinuierlich verbessern werde. Delta Air Lines gibt an, die Hilfstriebwerke der A320-Flugzeuge auszutauschen.
Stellungnahmen von Boeing und der FAA
Von Boeing heißt es, dass Untersuchungen zur Luftqualität zeigen, dass Schadstoffwerte in Flugzeugen im Allgemeinen eher niedrig sind und dass Gesundheitsstandards eingehalten werden. Laut der Federal Aviation Administration (FAA) gelten strenge Standards für die Luft in Flugzeugkabinen.
Nur selten komme es zu Defekten, zum Beispiel an der Motoröldichtung, die dafür sorgen, dass sich giftige Dämpfe im Flugzeug ausbreiten. Solche Vorfälle müssen gemeldet und die Probleme behoben werden, bevor das Flugzeug wieder abheben darf, heißt es von der Behörde. Laut den offiziellen Zahlen der FAA komme es zu 330 Vorfällen pro Jahr, bei denen giftiger Rauch in die Kabine gelangt.
Die Analyse des WSJ zeigt aber, dass es deutlich häufiger zu Problemen mit giftigem Rauch komme. 2014 wurden 12 Rauchvorfälle pro eine Million Flüge festgestellt. 2024 waren es 108 pro eine Million Flüge. Die Rate ist also deutlich gestiegen.