Was humanoide Roboter jetzt schon können und wann sie uns ersetzen
Weißer Klavierlack, auf Hochglanz poliert. An der Front prangt der Mercedes-Stern. In der Fabrik des deutschen Autobauers läuft nicht etwa ein neuer Pkw vom Band, sondern ein Roboter herum.
Seine Kamera-Augen finden Fehler, die Menschen nicht wahrnehmen. Sein Antriebssystem ist stärker als Muskeln. Er wird nie krank und braucht keinen Urlaub. Seine Tätigkeit in den Werkshallen: Im Schleichtempo Kisten tragen, was menschliche Arbeiter*innen 5-fach so schnell erledigen könnten.
Sollen uns diese humanoiden Roboter wirklich bald ersetzen oder ist das alles bloß eine utopische Hochglanz-Werbekampagne?
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„Die Entwicklung geht gerade sehr rasant“, bestätigt Christian Ott, der an der TU Wien zu humanoiden Robotern forscht. Grund dafür ist nicht ein technischer Durchbruch, sondern der Automobilkonzern Tesla. 2021 kündigte CEO Elon Musk mit Pauken und Fanfaren an, Roboter bauen zu wollen. Dadurch stieg das Interesse bei anderen Autobauern und es folgten millionenschwere Investitionen.
Mehr Experimentierfreude mit teuren Robotern
Der Geldsegen ermöglichte es plötzlich, dass die Roboter-Entwickler mehr Risiko bei den teuren Maschinen eingehen und diese für den Fortschritt auch mal kaputt gehen lassen konnten. Das ermöglicht es, zu Experimentieren und beschleunigt die Entwicklung. Die sprunghafte Verbesserung von Künstlicher Intelligenz half zudem, die Fähigkeiten der Roboter auszubauen.
Der Einsatz in Fabriken vermittelt jetzt den Eindruck, die Technologie sei schon ausgereift. Ein klarer Vorteil ist etwa, dass die Roboter bestimmte Bewegungsabläufe immer exakt gleich und präzise ausführen können. Dabei verlieren sie nie ihre Konzentration.
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Langsam, wenig belastbar und unflexibel
Doch einige Dinge konnte die jahrzehntelange Forschung bisher nicht lösen und daher überwiegen noch die Nachteile. Die Roboter können laut Ott zwar schwere Objekte heben, dann aber nicht oder nur gemächlich gehen. Machen sie langsame Schritte, kann sie der kleinste Fehltritt aus dem Gleichgewicht bringen. Mit schnellen Tippelschritten meistern sie unebenes Terrain, sind aber weniger belastbar. So können aktuelle Roboter zwischen 25 und 50 kg heben, oder 3 km/h bis 5 km/h gehen - aber eben nicht gleichzeitig.
In Werbevideos für den Roboter „Apollo“ zeigt sich, wie diese Arbeit aussehen kann:
„Das Reagieren auf unerwartete Situationen und eine sich ständig ändernde Umgebung ist eine der größten Einschränkungen“, führt Ott weiter aus. Menschen können instinktiv Halt suchen, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten, etwa indem sie ein Geländer greifen. Ein Roboter hat keine Reflexe und fällt im schlimmsten Fall einfach um. Geht er dabei kaputt, fehlt er als Arbeitskraft und muss repariert oder ersetzt werden.
Hohe Preise stellen Wirtschaftlichkeit in Frage
Noch ist das sehr teuer. Die von Amazon in Warenhäusern eingesetzten Roboter „Digit“ kosten je 250.000 Dollar, was laut Amazon einem Stundenlohn von 10 bis 12 Dollar entspricht. Sie gehen aber davon aus, die Kosten auf 3 Dollar drücken zu können (via Bloomberg).
Der Roboter „Apollo“, der von Mercedes getestet wird, soll irgendwann nur noch 50.000 Dollar kosten. Die Wirtschaftlichkeit solcher humanoiden Roboter in Fabriken hängt von vielen Fragen ab: Wie wartungsintensiv sind die Roboter? Wie lange hält der Akku? Was können sie ohne menschliche Aufsicht?
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„Man hat lange Zeit nach der ,Killerapplikation’ gesucht, die den großen Durchbruch bringt. Bisher hat man sie nicht gefunden“, sagt Ott. Deswegen werden humanoide Roboter als Alleskönner vermarktet, anstatt als Experten. In Werbevideos kochen sie Kaffee, falten präzise Wäsche und machen Rückwärtssaltos. In den aktuellen Testläufen in Fabriken sortieren und stapeln sie aber nur Kisten – im Schneckentempo.
Anstrengende und gefährliche Aufgaben
Die Fabriksbesitzer betonen, dass die Roboter kein Ersatz für Arbeiter*innen sind. „Das Design von Apollo ermöglicht ihm, mit Menschen zusammenzuarbeiten und die körperlich anstrengenden Aufgaben zu übernehmen“, teilt Mercedes der futurezone mit.
Die Testläufe sollen zeigen, ob humanoide Roboter in der Industrie sinnvoll sind. Trifft das zu, könnten sehr wohl Menschen gekündigt werden, deren repetitive und gefährliche Aufgaben zukünftig Maschinen erledigen. Die so eingesparten Stellen werden laut Ott durch höherqualifizierte Jobs ersetzt – schließlich muss jemand die Roboter warten und programmieren.
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Dass humanoide Roboter in Kürze Menschen in Fabriken vollständig ersetzen, ist für Ott unwahrscheinlich. Er schätzt, dass sich erst in 10 Jahren konkrete Anwendungsfälle herauskristallisieren. Ott sieht die Gefahr, dass die Geldgeber bis dahin das Interesse verlieren, weil ihre derzeitigen Erwartungen an Robo-Hackler zu hoch sind.