Digital Life

KI-Backrezepte im Selbsttest: Zwischen Mehl, Milch und ChatGPT

Weihnachtskekse leben von Fett und Zucker. Etwas Mehl als Transportvehikel und vielleicht noch einige Gewürze, fertig ist das Gebäck.

Aber die Mischung entscheidet. Das perfekte Keksrezept wird in manchen Familien gehütet wie ein kleiner Schatz, den man einmal im Jahr ausgräbt und nostalgisch nachkocht. Ist das Familienrezept nicht zur Hand, erfordern moderne Zeiten moderne Lösungen. Und zurzeit heißt die Allzwecklösung: Künstliche Intelligenz.

Ich startete daher einen Selbstversuch und bat ChatGPT, mir beim Backen zu helfen. Von der Rezeptsuche über die Erstellung eigener Kreationen bis hin zum Retten missglückter Bleche war alles dabei.

Ein kleiner Teil der Weihnachtsbäckerei.

Unmut in der Redaktion

Nicht alle sind von der Idee angetan, sich von einer KI Rezepte generieren zu lassen. Meine Kollegin Jana Wiese fühlte sich persönlich angegriffen. Verständlich, schließlich betreibt sie in ihrer Freizeit einen eigenen Foodblog und fungiert auch als Jurorin beim deutschen Kochbuchpreis. 

Ihr Problem mit den KI-Rezepten ist nicht nur, dass die Künstliche Intelligenz den Erfolg der Rezepte nicht prüfen kann. KI schöpft nämlich aus einer Vielzahl von Rezepten im Internet, von denen die meisten nicht besonders gut sind. Das Ergebnis ist eine schlechte Zusammenfassung bereits schlechter Rezepte.

Künstliche Intelligenz macht seriösen Foodbloggern bereits zu schaffen. Durch die KI-Zusammenfassungen nehmen die Zugriffe auf ihre Webseiten stark ab, in die sie viel Zeit und Mühe investiert haben. In der Anfangszeit des Internets reichte es, ein simples Rezept und vielleicht ein Foto zu posten. In den vergangenen Jahren wurden die Rezept-Blogs immer ausführlicher, damit sie auch möglichst weit oben in der Google-Suche angezeigt wurden. Beschrieben wurden Kindheitserinnerungen an Omas Küche, die Herkunft der Zutaten und ein Bonmot zum neuen Standmixer, natürlich alles untermalt mit mehreren Bildern. Um zum eigentlichen Rezept zu kommen, muss man einige Zeit scrollen.

Künstliche Intelligenz kommt zumindest zum Punkt: Zutaten, Zubereitung und fertig. Vielleicht noch eine Nachfrage, ob man das Rezept in irgendeiner Form anpassen will. Für Betreiber von Rezeptblogs ist das zwar bitter, Kochrezepte an sich sind aber in der Regel nicht urheberrechtlich geschützt. Dass die KI die Rezepte auch korrekt wiedergibt, ist nicht selbstverständlich. Es kann hin und wieder vorkommen, dass Mengenangaben vertauscht oder Kochzeiten verfälscht werden. In meinem Test fand ich aber keine solchen Schnitzer. Einen “gesunden Menschenverstand” sollte man aber mitbringen, wenn es ums Kochen geht.

ChatGPT als Resteverwerter

Ich selbst koche zwar gerne und backe auch hin und wieder, bin aber kein Keksprofi. Perfekte Voraussetzungen, schließlich nimmt mir der Chatbot ja die Denkarbeit ab. Als Erstes steht Resteverwertung auf dem Plan: Eine Flasche Sanddornpüree im Kühlschrank soll weg. Die Idee der KI ist simpel. Püree, Zucker, Mehl, Kekse ausstechen und nach dem Backen noch mit einer Sanddornglasur bestreichen. Aus dem Ofen kommen gummiartige Gebilde, die man nur schwer kauen kann. Auch das erneute Backen auf Anraten der KI hilft nur bedingt. Die Glasur – viel zu wässrig – soll mit Speisestärke angedickt werden. Bereits hier lässt sich sagen: Die Kekse sind ein Reinfall. Bei der Fehlersuche fragt mich ChatGPT, ob es sich wirklich um Püree handelte oder doch eher um Saft. Das Etikett auf Ungarisch sagt nach der Übersetzung, dass es sich tatsächlich um Saft handelt. Ich habe mich vom Fruchtfleisch täuschen lassen.

Die Sanddornkekse wurden erst beim 2. Versuch etwas.

Das neue Rezept mit Saft statt Püree ist schnell generiert, und siehe da: Die Kekse gelingen deutlich besser. Die Konsistenz ist nicht mehr gummiartig, sondern eher wie ein harter Lebkuchen. Geschmacklich kommt die feine Säure des Sanddorns zum Vorschein, ohne gleich Überhand zu nehmen. Die Kekse sind zwar nicht weltbewegend, aber eine solide 6 von 10.

Der Klassiker: Das Vanillekipferl

Weiter geht es mit einem Klassiker: dem Vanillekipferl. Hier rät mir ChatGPT sogar, die fertig in Zucker gewälzten Kipferl mit einer halben (gebrauchten) Vanilleschote in die Keksdose zu geben und 48 Stunden ziehen zu lassen. Das Ergebnis sei ein “unglaublich runder, dichter Vanillegeschmack”. 

Das Resultat waren anständige Vanillekipferl. Ob es wirklich das beste Vanillekipferlrezept der Welt ist, nachdem ich ausdrücklich verlangt habe? Wahrscheinlich nicht. Punkten konnte die KI aber mit einer zuckerfreien, dafür bananenhaltigen Variante für meinen kleinen Sohn. Nicht nur bei ihm, sondern auch bei der 2-jährigen Nachbarstochter kamen die Kipferl gut an. ChatGPT hatte mich aber bereits vorgewarnt, dass das Rezept nicht mehr viel mit einem Vanillekipferl zu tun hat, sondern eher ein weiches Brötchen in Kipferl-Form ist. Das Verschluckungsrisiko sei bei einem mürben Teig für kleine Kinder zu groß.

Das babygerechte Vanillekipferl hat nicht mehr viel mit dem Original zu tun.

Verlorengeglaubtes Rezept

Ein weiterer Klassiker, zumindest in meiner Kindheit, sind die Haferflockenkekse meiner Oma. In den vergangenen Jahren versuchte ich immer wieder mit mäßigem Erfolg, das verloren gegangene Rezept zu rekonstruieren. Dieses Jahr habe ich aber ChatGPT, dem ich so genau wie möglich das Aussehen, Konsistenz und Geschmack der Kekse erkläre. Und siehe da: So nah am Original war ich bislang noch nie. 

Die Haferflockenkekse waren insgesamt ein Erfolg.

Laut KI gibt Natron statt Backpulver den Ausschlag. Dieses soll den Keksen mehr Knusprigkeit verleihen. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen. Die Haferflockenkekse überzeugten aber so sehr, dass ich 2 Wochen später noch eine zweite Ladung in den Ofen schob. 

KI ohne Kreativität

Schwieriger wird es aber, wenn man etwas Kreatives verlangt. Bei der Frage nach extravaganten, exotischen Keksen, zählt ChatGPT zwar einige Vorschläge auf – vom Hocker hauen die mich allerdings nicht. Ungewöhnlich viele Rezepte nennen zudem Pistazien als Zutat. Vielleicht liegt das am Dubai-Schokoladen-Trend, der schon im Vorjahr durch die sozialen Medien huschte und von dem sich ChatGPT “inspirieren” ließ. Geworden sind es am Ende Kekse mit Safran und Pistazie, das Orangenblütenwasser ließ ich mit Zitrone auswechseln. Auch diese Kekse waren essbar, meine Favoriten sind sie aber nicht.

Pistazienkekse, getoppt mit weißer Schokolade.

Besser funktioniert die Suche nach unbekanntem Weihnachtsgebäck aus anderen Ländern. Hier sollte man genau angeben, nach welchen Geschmäckern und Konsistenzen man sucht. Dann kommt man auf Backwaren, die man ohne Chatbot nie gefunden hätte.

Hochmut kommt vor dem Fall

Zu guter Letzt wollte ich mich auch noch an weihnachtlichem Gebäck abseits von Keksen versuchen. Als gebürtiger Italiener und vielleicht in einem Anflug von Größenwahn ließ ich mir ein Rezept für Pandoro-Muffins generieren – wohl wissend, dass der Weihnachtskuchen nichts für Anfänger ist. Und auch ChatGPT konnte daran nichts ändern. Mit dem luftig fluffigen “goldenen Brot” (Pan d’oro) hatten die Muffins nicht viel gemeinsam. Sie waren dicht und schwer, selbst im Vergleich zu normalen Muffins. 

Ein zu erwartender Reinfall: Pandoro-Muffins.

Fazit

ChatGPT ist kein Garant dafür, dass die Weihnachtsbäckerei gelingt. Bei etablierten Rezepten, die 1.000-fach im Internet zu finden sind, spuckt der Chatbot meiner Meinung nach gute, klare Ergebnisse aus. Selbst Kollegin Wiese erteilte dem Vanillekipferl-Rezept ein “OK”. Bequem ist auch, dass man Rezepte recht einfach auf Vorlieben oder Unverträglichkeiten anpassen kann. 

Wer sich echte Kreativität erwartet, wird enttäuscht. Künstliche Intelligenz mag aus vielen unterschiedlichen Quellen schöpfen, produziert am Ende aber einen Einheitsbrei mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Als Recherchewerkzeug, um fremde Kochkulturen kennenzulernen, hat KI aber durchaus Potenzial. Hier gilt: je genauer die Fragen, desto besser die Antworten.

Natürlich sind die Rezepte von KI-Chatbots – anders als in guten Kochbüchern – nicht getestet. Gleichzeitig ist es auch bei vielen Koch-Influencern auf Instagram und Co. Glückssache, ob ein Rezept funktioniert oder nicht. Dort kocht man immerhin vorrangig fürs Auge, und nicht für den Geschmack.

Bei Keksen kann man eher von vornherein grob abschätzen, ob ein Rezept gelingen wird oder nicht. Bei aufwändigeren Gerichten oder Rezepten mit vielen Schritten wäre ich mit KI-Anleitungen vorsichtiger.

 

Prompts mit Rezepten:
Vanillekipferl
Mini-Pandoros
Haferflockenkekse
Safran-Pistazien-Sablés
Gewürz-Pistazien-Kekse 

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

mehr lesen