Wie sinnvoll ist es noch, einen VPN-Service zu verwenden?
Wenn es um das Wahren der Privatsphäre im Netz geht, hat sich ein Tipp über die vergangenen Jahre lange gehalten: Man solle doch einen VPN-Dienst verwenden, um den eigenen Internetverkehr vor den Augen neugieriger Internet-Provider oder Betreiber*innen von WLAN-Netzwerken zu schützen.
Anbieter gibt es jedenfalls zahlreiche. Eine Google-Suche nach “VPN Service” findet Dutzende verschiedene Unternehmen. Generell lässt sich sagen, dass man von kostenfreien VPN-Anbietern in jedem Fall die Finger lassen sollte. Aber es finden sich auch zahlreiche kostenpflichtige Dienste. Die Preise schwanken dabei grob von 3 bis 10 Euro im Monat - je nachdem für welches Unternehmen man sich entscheidet und für wie lange man ein Abo abschließt.
Was ist ein VPN überhaupt?
VPN steht für Virtual Private Network und kommt eigentlich vorwiegend in Unternehmen zum Einsatz. Es ermöglicht Mitarbeiter*innen, über das Internet von außen auf das firmeninterne Netzwerk zuzugreifen bzw. sich damit zu verbinden. Dazu wird eine sichere, verschlüsselte Verbindung zu dem Netz aufgebaut. Der Name rührt auch daher, weil man sich nicht physisch in dem Intranet verbindet, sondern nur virtuell Teil davon wird.
Werden VPNs zur Wahrung der Privatsphäre eingesetzt, wird das virtuelle Netzwerk als Zwischenstopp zum Zugriff auf das Internet genutzt. Man verbindet sich also mit dem VPN-Server, der sich dann wiederum mit Diensten im Netz (etwa Websites) verbindet. Der Gegenüber (also in dem Fall der Betreiber der Website) sieht dann die IP-Adresse des VPN-Servers unter seinen Zugriffen. Die wahre IP-Adresse des oder der Anwender*in bleibt verborgen. Besonders interessant ist das auch für Filesharer*innen, die sich so erhoffen, Abmahnungen wegen des Teilens urheberrechtlich geschützter Inhalte zu entgehen.
Auch sieht der eigene Internet-Service-Provider (ISP) bzw. die Betreiber*innen des WLANs, in dem man sich befindet, nicht, welche Anfragen man stellt bzw. welche Verbindungen vom eigenen Computer ausgehen. Für ihn sichtbar ist lediglich die verschlüsselte Verbindung zum VPN-Server.
Was bringt einem ein VPN-Service genau?
Diese Funktionsweise hat also theoretisch Vorteile für die Privatsphäre. Lediglich die Betreiber*innen des VPN-Services können - theoretisch - sehen, was man im Netz macht. In der Regel versprechen jene aber, keine Logs aufzuzeichnen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass man Websites oder Diensten vorgaukeln kann, dass man sich in einem anderen Land befindet, als es tatsächlich der Fall ist. So kann man Geoblocking umgehen und zum Beispiel in Österreich Medieninhalte ansehen, die eigentlich nur für User*innen in Deutschland freigeschalten sind. Dazu muss man sich lediglich mit einem VPN-Server in Deutschland verbinden. Gleiches gilt, wenn man etwa bei einer China-Reise auf dort gesperrte Google-Services zugreifen möchte oder wenn man einen Nachrichtenartikel eines US-Portals lesen möchte, das ihn für europäische Leser*innen gesperrt hat.
Und was ist das Problem an VPNs?
So weit die Vorteile in der Theorie. In der Praxis sieht die Sache aber etwas anders aus. Bei der Privatsphäre ist die IP-Adresse nur ein Faktor, der eine Identifikation einzelner User*innen ermöglicht. Tracking geschieht heutzutage auch über andere Wege, vorwiegend Cookies. Das heißt nicht, dass ein VPN sinnlos ist - man sollte es aber lediglich als ein Puzzleteil bei der Privatsphäre im Netz sehen, rät Martin Schmiedecker, gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für IT-Security und Obmann der Foundation for Applied Privacy.
Viele VPN-Anbieter sind zuletzt außerdem in ein schiefes Licht geraten. So wurden bekannte Provider, wie etwa ExpressVPN, CyberGhost, Private Internet Access oder Zenmate vom Unternehmen Kape Technologies aufgekauft. Gleichzeitig hat die Firma einige VPN-Review-Portale übernommen. Kape war früher als Crossrider bekannt, dem teilweise vorgeworfen wurde, Malware zu entwickeln. Andere Stimmen wiederum meinten, dass die Plattform von Dritten missbraucht wurde.
Die betroffenen Services versicherten jedenfalls eigenständig zu bleiben und pochten darauf, dass sich für Kund*innen nichts ändert. Auch haben sich Firmen wie ExpressVPN oder NordVPN im Rahmen von unabhängigen Tests überprüfen lassen, wie sie betonen. Abgesehen von der Übernahme fallen viele VPN-Anbieter auch immer wieder durch exzessive Werbung über Kooperationen mit YouTuber*innen auf.
Soll man jetzt einen VPN verwenden?
Schmiedecker sieht in der Nutzung von VPN-Diensten immer noch Vorteile: “Gerade wenn man viel in öffentlichen WLAN-Netzwerken unterwegs ist - etwa im Airbnbs, Hotels oder im Zug - kann es sich auszahlen”, sagt er auf Anfrage der futurezone.
Zwar biete das weitläufig genutzte HTTPS (damit werden die übertragenen Inhalte verschlüsselt) auch schon eine gewisse Sicherheit, mit einem VPN zieht man aber noch eine zusätzliche Ebene ein. Außerdem verrate man auch bei HTTPS, mit welchen Servern man sich verbindet, gibt der Experte zu bedenken.
Also sehen WLAN-Betreiber*innen und ISPs unter Umständen, ob man gerade Facebook, Amazon oder YouPorn ansurft, auch wenn sie den Inhalt der Kommunikation - also zum Beispiel was man auf diesen Seiten sucht durch HTTPs nicht auslesen können. "Ich kenne keine WLAN-Hotspot-Anbieter, die ausschließen, dass sie Daten weiterverkaufen, so Schmiedecker. Zuhause sehe die Sache etwas anders aus, da man den österreichischen ISPs in der Regel mit seinen Daten vertrauen könne, sagt der Sicherheitsexperte.
Wenn man Geoblocking umgehen möchte, hat man nicht viel mehr Möglichkeiten, als das über einen VPN-Dienst zu tun. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass Dienste wie der BBC iPlayer oder Netflix mit ausgeklügelter VPN-Erkennungssoftware arbeiten. Oftmals ist es ein Katz-und-Maus-Spiel: So funktionieren ein paar Server eines bestimmten Anbieters für einige Tage oder Wochen, bis sie geblockt werden. Dann geht die Suche von vorne los.
Und welchem VPN-Service kann man vertrauen?
Wenn man sich also für einen VPN entscheidet, sollte man auf jeden Fall bei der Anbieterwahl eher vorsichtig sein sein. Schmiedecker rät, gegebenenfalls auf einen Anbieter zurückzugreifen, der sein Geld nicht vorwiegend damit verdient. Konkret nennt er hier Mozilla oder F-Secure. Generell sei bei jedem Anbieter ein klassischer Check der Kund*innen sinnvoll, sagt Schmiedecker: "Gibt es die Firma wirklich, ist auf der Webseite eine Adresse angegeben, stimmt die auch?", seien demnach Fragen, die man stellen müsse. Generell solle man auch dann skeptisch sein, wenn VPN-Anbieter massiv via YouTube beworben werden.
Die New York Times empfiehlt etwa den Open-Source-VPN Mullvad. Alternativ genannt wird IVPN. Ebenfalls immer wieder empfohlen wird Windscribe.
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