Digital Life

Wiener Chatbot ibindo soll Liebeskummer heilen

Jeder hat es wohl schon einmal erlebt: Liebeskummer. Der Schmerz einer Beziehung, die in die Brüche geht, ist für viele Menschen eine große Belastung. Ein Wiener Team will nun mit einer ungewöhnlichen Technologie helfen, den Liebeskummer zu überwinden. Der Chatbot „ibindo“ (im Dialekt ausgesprochen „Ich bin da“) soll ein virtueller Gesprächspartner für jene Menschen sein, die an Liebeskummer leiden. „Beim Liebeskummer durchläuft man immer die selben vier Phasen. Deswegen können wir das gut mit therapeutischen Übungen behandeln“, erklärt Michael Nigsch, einer der Gründer von „ibindo“.

Liebeskummer während der Entwicklung

Die Funktionsweise ist relativ simpel: Der Nutzer erzählt dem Chatbot, wie man sich fühlt und worüber man sprechen möchte. Ein Gespräch kann auch sehr kurz gehalten werden, bereits drei Minuten täglich reichen aus. „Perfekt für Millenials, die am häufigsten von Liebeskummer betroffen sind“, meint Nigsch. Jährlich seien allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz sieben Millionen Millenials von Liebeskummer betroffen. „Wir konzentrieren uns allerdings auf die drei Millionen davon, die verlassen werden. Das tut am meisten weh.“ 

Neben der persönlichen Erfahrungen des Teams – „zwei Mitglieder des Teams litten während der Entwicklung selbst an Liebeskummer“ – liefert Therapeutin Melanie Walter die Methode hinter „ibindo“. „Der Chatbot spricht 30 Tage lang mit dem Nutzer und arbeitet mit Übungen an der Persönlichkeit, dem Selbstbewusstsein und Ängsten. Die größte Stärke des Chatbots ist es, dass er die richtigen Fragen stellt“, erklärt Walter. Vorerst soll der Chatbot kostenlos auf Facebooks Messenger-Plattform angeboten werden, später wolle man das Angebot aber in eine App verlagern – auch aus Datenschutzgründen.

Weg vom Messenger

„Wir können nicht garantieren, was Facebook mit den Daten macht“, sagt Nigsch. Der Chatbot fragt aber bewusst nicht nach Details und konzentriert sich auf das Wohlbefinden des Nutzers. „Ein Nutzer muss uns nicht seine Lebensgeschichte erzählen.“ Benutzern, die bereits Anzeichen einer Depression haben oder über Selbstmord nachdenken, rät der Chatbot, einen Therapeuten aufzusuchen und liefert entsprechende Selbsthilfenummern.

Obwohl der Chatbot vorerst kostenlos angeboten werden soll, will man später auf ein Abo-Modell umsteigen. Wie dieses genau aussehen wird, ist aber noch unklar. „Es wird aber sehr günstig sein, die Betriebskosten sind ja auch relativ gering“, erklärt Nigsch. Zunächst soll bis Juni die deutschsprachige Version des Chatbots veröffentlicht werden, im dritten und vierten Quartal folgen dann je eine englischsprachige Version sowie die App. Eine Monetarisierung soll frühestens 2019 erfolgen.

Teil von Elevate

„ibindo“ ist Teil des Chatbot-Accelerator-Programmes „Elevate“, das von „The Ventury“ ins Leben gerufen wurde. Dort werden Chatbot-Start-ups in einer frühen Phase von Experten betreut und können Kontakt zu Investoren und Partnern herstellen. Die Start-up-Agentur „The Ventury“ hat sich bereits früh auf Chatbots spezialisiert, bietet aber mittlerweile auch eine „Growthhacking Academy“ an. „The Ventury“ hat unter anderem Chatbots für A1 und Austrian Airlines umgesetzt und zählt mittlerweile mehr als 30 Mitarbeiter. „ibindo“ ist Teil der bereits zweiten Runde von „Elevate“, die Bewerbungsphase für die dritte Runde läuft bereits.

„ibindo“ ist der erste Chatbot, der sich auf die Behandlung von Liebeskummer spezialisiert. Forscher experimentieren aber bereits seit längerer Zeit mit text- und sprachbasierten Chatbots, die bei der Therapie helfen sollen. Bereits die 1966 veröffentlichte „Eliza“, einer der ersten Chatbots überhaupt, nutzte jene Gesprächsmuster, mit denen Therapeuten Patienten zum Reden ermutigten. Die Technik funktionierte dermaßen gut, dass viele Nutzer tatsächlich davon überzeugt waren, mit einem echten Menschen zu sprechen. Dank moderner Technologien, wie Machine Learning, können therapeutische Chatbots aber nun auch an den Nutzer angepasste Antworten geben. Die 2015 von der University of Southern California entwickelte „Ellie“ kann Patienten mit Depressionen und posttraumatischer Belastungsstörung behandeln und erfasst über Sensoren auch nonverbale Reaktionen.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

mehr lesen