Blade Shadow im Test: Gaming-PC für die Hosentasche
Videospiele sind ein kostspieliges Hobby. Für einen vernünftigen Gaming-PC können rasch vierstellige Euro-Beträge fällig werden. Wer grafisch anspruchsvolle Titel stets in höchster Qualität spielen will, muss zudem regelmäßig neue Komponenten für mehrere hundert Euro kaufen, um mit der Entwicklung Schritt zu halten.
Ein Investment, das nicht jeder tätigen kann. Das französische Start-up Blade verspricht mit seinem Dienst Shadow eine Lösung für dieses Problem. Nutzer bezahlen mindestens 30 Euro pro Monat und können über das Internet auf einen High-End-PC zugreifen, auf dem aktuelle Titel in höchster Qualität gespielt werden können. Das Bild wird als Stream verzögerungsfrei auf das Gerät des Nutzers übertragen – egal, ob es ein leistungsschwacher Billig-Laptop, ein Android-Smartphone oder ein Linux-PC ist. Lediglich eine stabile und flotte Internetverbindung wird vorausgesetzt.
Dieser Cloud-Gaming genannten Technologie jagen neben Blade auch zahlreiche Technologie-Riesen hinterher, unter anderem Google (Stadia), Microsoft (xCloud), Sony ( PlayStation Now) und Chip-Hersteller Nvidia (GeForce Now). Während viele dieser Dienste nur einem eingeschränkten Publikum zur Verfügung stehen oder noch intern getestet werden, ist Blade Shadow bereits seit einer Weile auch im deutschsprachigen Raum zugänglich. Die futurezone hat den High-End-PC für die Hosentasche ausprobiert und versucht einzuschätzen, wie nahe das Ende der Spielkonsolen und Gaming-PCs tatsächlich ist.
Weltweit nutzbar – mit Einschränkungen
Shadow wurde bereits 2015 gegründet, Ende 2017 ging man erstmals in Frankreich an den Start. Derzeit betreibt man fünf Datenzentren weltweit, drei davon befinden sich in den USA, zwei in Europa (Amsterdam und Paris). Das ist auch der Grund, weswegen der Cloud-Gaming-Dienst offiziell noch nicht in Österreich verfügbar ist. Die Schweiz wird durch ihre Nähe zu Frankreich über Paris versorgt, Deutschland ist über das Nachbarland Niederlande angebunden. Inoffiziell lässt sich der Dienst aber hierzulande problemlos nutzen, auch wenn Shadow noch nicht die gleiche Qualität garantieren kann. Auf Geoblocking wird verzichtet, weswegen der Dienst auch auf Reisen problemlos verwendet werden kann.
Das Anlegen eines Kontos ist vergleichsweise simpel. Der Nutzer muss nach der Anmeldung warten, bis die virtuelle Maschine in einem der Datenzentren eingerichtet wurde, dann hat man einen vollwertigen High-End-Computer mit Windows 10 zur Verfügung. In unserem Fall dauerte das wenige Stunden, manche Nutzer berichten im Netz aber von Wartezeiten von mehreren Tagen. Da dieser frisch aufgesetzt wurde, muss man zu Beginn den normalen Prozess zur Konfiguration von Windows 10 durchlaufen, danach landet man bereits auf dem Desktop und kann frei über das Gerät verfügen.
Der virtuelle Computer setzt auf Server-Hardware, mit der sich alle aktuellen Titel in 4K-Qualität wiedergeben lassen. So greift man etwa auf acht Kerne einer Intel-Xeon-CPU, zwölf Gigabyte DDR4-Arbeitsspeicher sowie eine Grafikkarte, die leistungstechnisch mit der Nvidia GeForce GTX 1080 vergleichbar ist, zurück. Shadow verspricht, dass die Hardware regelmäßig kostenfrei getauscht wird, beispielsweise war die Vorgänger-GPU mit einer GeForce GTX 1070 vergleichbar.
Bitte nichts Illegales
Lediglich der Speicher ist mit 256 Gigabyte etwas knapp bemessen, gegen einen monatlichen Aufpreis lässt sich aber ein Terabyte an zusätzlichem Speicher erwerben. Besonders praktisch ist die flotte Internetanbindung: Daten können mit bis zu einem Gigabit pro Sekunde heruntergeladen und 100 Megabit pro Sekunde hochgeladen werden. Diese Geschwindigkeiten wurden im Zuge des Tests auch nahezu konstant erreicht. Das ist bitter notwendig, da man ohnedies lediglich Spiele über Anbieter wie Steam, Origin oder Uplay herunterladen kann und für diese oftmals zehn Gigabyte oder mehr Daten heruntergeladen werden müssen. Mit einer derartigen Leitung gelingt das oftmals binnen weniger Minuten.
Einschränkungen gibt es nur wenige. So ist es beispielsweise derzeit nicht möglich, ein anderes Betriebssystem als Windows 10 auf der virtuellen Maschine zu installieren. Auch bei Aktivitäten, die sich rechtlich im Graubereich bewegen, versteht Shadow keinen Spaß. Wer das Gigabit-Internet nutzt, um unerlaubt kopierte Inhalte, wie Filme oder Musik, herunterzuladen oder zu verbreiten, riskiert eine Sperre. Ebenso unerwünscht ist das Mining von Kryptowährungen. Auch Übertakten – das ohnedies für die meisten Titel sinnlos wäre – ist nicht erlaubt.
Der Einsatz von VPN-Programmen ist nicht verboten, kann laut Shadow aber zum Verbindungsverlust führen, weswegen davon abgeraten wird. Einige Nutzer berichten aber, dass VPN-Tools, beispielsweise Hamachi, problemlos verwendet werden können. Das ist insbesondere praktisch, um beispielsweise lokale Laufwerke und USB-Geräte, wie Gamepads, mit der virtuellen Maschine verbinden zu können. Diese Methode ist vor allem für Linux und macOS nützlich, lediglich unter Windows bindet der Client nativ lokale USB-Geräte in die virtuelle Maschine ein. Laut Shadow arbeitet man aber an diesem Feature für andere Plattformen.
Die App ist für alle gängigen Desktop- und Mobil-Betriebssysteme ( Android, iOS, Windows, macOS und Linux) verfügbar, die Oberfläche und Funktionalität ist stets gleich. Technische Mindestvoraussetzungen gibt es nicht, das Betriebssystem darf aber nicht zu alt sein. Auf Windows-Geräten wird beispielsweise zumindest Windows 7 vorausgesetzt, macOS wird bis Version 10.10 unterstützt. Die Linux-Version ist für Ubuntu (ab 18.04) optimiert.
Was kann der Cloud-PC?
Während Cloud-Gaming-Dienste wie Google Stadia und PlayStation Now oftmals als “Netflix für Videospiele” bezeichnet werden, weil man mit der Mitgliedschaft auch freien Zugriff auf eine Bibliothek an Videospielen bekommt, liefert Shadow lediglich die Hardware. Der Nutzer kann auf dem Windows-PC jedes beliebige Videospiel installieren, muss dafür aber selbst eine Lizenz erwerben. Dank Plattformen wie Steam und Origin sowie der flotten Internetverbindung ist das kein großes Problem. Lediglich bei alten Titeln, die man lediglich als physische Kopie auf CD oder DVD besitzt, muss man kreativ werden, beispielsweise die Daten mittels USB over IP übertragen.
Damit lassen sich auch Controller und andere USB-Hardware problemlos und verzögerungsfrei betreiben. Einzige Ausnahme: Die Maus kann auf diesem Weg nicht lokal auf dem Cloud-PC betrieben werden. Das ist vor allem für Gamer ärgerlich, die keine Profile konfigurieren können. Wer eine Maus mit integriertem Speicher für Profile besitzt, kann diese zumindest nutzen.
Shadow verspricht, dass bei einer Full-HD-Auflösung Bildwiederholraten von bis zu 144 Hz erreicht werden. Das konnten wir mit der uns zur Verfügung stehenden Hardware leider nicht ausprobieren, die versprochene Qualität dürfte aber an eine entsprechend hohe Bandbreite geknüpft sein. Bereits 60 Hertz waren trotz einer verfügbaren Download-Bandbreite von 150 Mbit/s nur mit gelegentlichen Qualitätseinbußen erreichbar. Da wir im Client ausgewählt haben, dass eine stabile Bildrate bevorzugt werden soll, wurde die Qualität des Streams reduziert und es kam zu leichter Artefaktbildung. Das ist bei einem Strategie-Titel wie Anno 1800 irrelevant, bei Shootern wie CS:GO kann ein unscharfer Pixel-Block aber bereits den Sieg kosten. Abseits vom Gaming fällt das aber kaum auf, höchstens bei kleinen Schriften. Die maximal mögliche Auflösung ist 3840 mal 2160 Pixel alias “4K”, auch hier verspricht man bis zu 60 Bilder pro Sekunde. Lediglich auf VR-Gaming muss man derzeit verzichten.
Wie gut funktioniert das Cloud-Gaming?
Schaltet man die App auf einem Windows-PC in den Vollbild-Modus, kann man durchaus kurz vergessen, ob man gerade auf dem lokalen oder dem Cloud-Gerät arbeitet. Die Darstellung war in unseren Tests meist makellos, bis zuletzt konnte ich aber nicht das Gefühl abschütteln, dass es eine leichte Verzögerung bei Mausbewegungen gab. Messbar war das allerdings nicht. Auch in eher flotten Multiplayer-Titeln, wie CS:GO, Overwatch und Apex Legends, kam es zu keinen Problemen. Hier dürfte die Latenz entweder dermaßen gering sein, dass sie menschlich kaum wahrnehmbar ist - oder es ist einfach meine persönliche Skepsis gegenüber Cloud-Gaming, das ich bereits seit dem früh gescheiterten OnLive verfolge.
Persönlich bereitet es aber die größte Freude, wenn man endlich auf Geräten, wie hoffnungslos veralteten Windows-Laptops oder MacBooks, moderne Titel in höchster Qualität spielen kann. Die besten Ergebnisse ließen sich erreichen, wenn das Gerät mit einem Ethernet-Kabel verbunden war. WLAN-Verbindungen sorgten bei ausreichender Bandbreite für keine Verzögerungen bei der Eingabe, aber die Qualität des Streams sackte häufiger ab. Wer also nicht zumindest einen Wifi-5-Router zuhause stehen hat, sollte am besten auf eine Kabelverbindung setzen. Am Smartphone und Tablet ist man - sofern man keinen Ethernet-Adapter verwendet - auf WLAN angewiesen. Die App reduziert aber ohnedies aufgrund der meist kleineren Bildschirme die Qualität, wodurch die erforderliche Bandbreite durchwegs geringer ist. Wer unterwegs auf den Cloud-PC zugreifen möchte, sollte aber dennoch auf sein Datenvolumen achten.
Den Traum vom Zocken unterwegs dämpft neben dem Datenhunger auch die Eingabe. Die Apps verfügen lediglich über rudimentäre Gesten (beispielsweise mit zwei Fingern tippen für Rechtsklick) sowie eine virtuelle Tastatur. All das ist für Videospiele unbrauchbar, weswegen man auf zusätzliche Eingabegeräte angewiesen ist. Der PlayStation-4-Controller lässt sich relativ einfach auch mit dem Android-Smartphone oder einem MacBook verwenden und ist bei vielen Titeln ein adäquater Ersatz. Und manche iPad-Nutzer verwenden ohnedies ein Tastatur-Cover. Dennoch war das Zocken auf iPad und Android-Smartphone im Test eher ein Reinfall. Selbst langsame Titel, die sich mit Maus und wenigen Tasten spielen lassen, beispielsweise Civilization, ließen sich nur mühsam bedienen.
Wer aber ein Smartphone mit Docking-Funktion besitzt, wie Huaweis Desktop-Modus und Samsungs DeX, kann Shadow durchaus sinnvoll unterwegs nutzen. Dazu benötigt man aber wieder ein entsprechendes Dock mitsamt Maus, Tastatur und Monitor - ein High-End-PC für die Hosentasche, der dann aber doch wieder nur an einem Ort verwendet werden kann.
Ist Cloud-Gaming günstiger als ein Gaming-PC?
Aus finanzieller Perspektive ist Cloud-Gaming derzeit noch eher kostspielig. Mindestens 29,95 Euro pro Monat werden für einen Zugang fällig, dafür muss man sich aber zwölf Monate an Shadow binden. Wer monatlich kündigen will, muss sogar 39,95 Euro pro Monat bezahlen. Der Anbieter argumentiert zwar damit, dass das im Verhältnis zu einem entsprechenden Gaming-PC deutlich günstiger sei, das Argument hinkt jedoch etwas. Insbesondere die Anschaffungskosten für die Komponenten, die auf dem Shadow-PC zum Einsatz kommen, sind nicht vergleichbar.
Die verbaute Intel-CPU Xeon E5 v3 kostet zwar weit mehr als 2000 Euro, ein Gamer würde sich aber dieses für Server und Workstations vorgesehene Modell eher nicht leisten. In Videospielen liefern bereits CPUs, die lediglich ein Viertel kosten, die gleiche Leistung. Das Gleiche gilt für die Nvidia-GPU Quadro P5000, die nur in wenigen spezifischen Bereichen, beispielsweise CAD-Programmen, Vorteile bietet. Wozu 1600 Euro ausgeben, wenn man für ein Drittel eine ebenso leistungsfähige GPU bekommt?
Auch viele andere Aspekte, wie der Wiederverkaufswert eines Gaming-PCs, die Kosten für den notwendigen Internetanschluss und flotte Netzwerkkomponenten sowie die zahlreichen Einschränkungen (zum Beispiel nur Windows und kein VR) machen aus dem vermeintlichen Schnäppchen eine Nischenanwendung. Zudem darf man in der Kalkulation nicht vergessen, dass man immer noch ein eigenes Gerät braucht, auf dem die Shadow-App läuft.
Fazit
Shadow zeigt bereits heute, was in naher Zukunft zumindest Spielkonsolen den Garaus machen könnte. Das Streaming funktioniert, sofern eine flotte Internetverbindung vorhanden ist, hervorragend. Ein PC-Spiel nahezu nahtlos auf dem Smartphone fortzusetzen ist ein Traum, dem viele Videospiel-Konzerne seit Jahrzehnten hinterherjagen. Shadow kommt dem derzeit am Nächsten. Auch die Apps sind gut gelungen und selbst für Laien intuitiv genug.
Zugleich hat mir der das französische Start-up aber auch gezeigt, dass man gewisse Dinge mit Cloud-Gaming nicht ersetzen kann. Wer einen Gaming-PC besitzt, hat diesen meist selbst zusammengebaut und schätzt es, ihn nach Belieben an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. Zudem dürfte es noch eine Weile dauern, bis die für vernünftiges Cloud-Gaming erforderlichen Bandbreiten wirklich allen zur Verfügung stehen.