Returnal im Spieletest: Bloß nicht die PS5 ausschalten!
Was kommt heraus, wenn man den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit „Avatar“ und „Prometheus“ vermischt und Gameplay-Elemente von „Dark Souls“, Metroidvania und Bullethell-Shootern einfließen lässt? Returnal (PS5, 80 Euro).
Returnal ist der erste echte PS5-Exklusiv-Titel. Es ist ein mutiger erster Exklusiv-Titel, den Sony hier herausgebracht hat. Nicht, weil Returnal ein schlechtes Spiel ist, aber weil er aufgrund des Schwierigkeitsgrades sicher nicht den Massengeschmack treffen wird. Alleine das Grundprinzip des Spiels schließt schon alle Casual-Gamer aus: Spieler, die gemütlich den Feierabend verbringen wollen oder nur zwischendurch 30 bis 60 Minuten zocken können, werden sich mit Returnal schwer tun.
Und täglich grüßt der Zyklus
Als Weltraum-Scout Selene stürzt man auf einem fremden Planeten ab. Beim Erkunden findet man eine Leiche eines Scouts: Es ist Selene. Dann stirbt man gewaltsam. Und danach stürzt man als Weltraum-Scout Selene auf einem fremden Planeten ab. Willkommen in Zyklus 2 von womöglich Dutzenden.
Dieses „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Prinzip ist Faszination und Frust zugleich. Denn mit jedem Mal sterben verliert man so gut wie alles: Jedes Health-Upgrade, jedes Power-Upgrade, gefundene Waffen, Artefakte, Gegenstände und die Hauptwährung. Nur ganz wenige Perma-Upgrades bleiben erhalten, sofern man sie zuvor mühsam freigeschaltet hat, und eine weitere Währung namens Äther.
Klingt ja nicht so schlimm, erinnert an die Dark-Souls-Spiele. Allerdings wird bei jedem Zyklus von Returnal auch die Karte zurückgesetzt, inklusive entdeckter Räume und Teleport-Punkte. Zudem verändert sich die Welt mit jedem Zyklus. Zwar wiederholen sich gewisse Elemente der Welt und Räume immer wieder, sie sind aber in jedem Zyklus anders angeordnet.
Es ist so, als wäre man wieder das erste Mal auf dem Planeten. Außerdem kann man, entgegen der vielen Dark-Souls-ähnlichen Games, die verlorenen Gegenstände nicht bergen. Es ist wirklich alles futsch.
Speichern gibts nicht
Als wenn das nicht schon Druck genug wäre, zu überleben, gibt es auch noch eine freundliche Warnung der Entwickler zu Spielbeginn: Es gibt kein Speichern. Sobald das Spiel beendet wird, egal auf welche Art, beginnt ein neuer Zyklus.
Empfehlung der Entwickler: Nicht die PS5 ausschalten, sondern nur in den Ruhemodus versetzen. Schaltet man sie doch aus oder gibt es einen Stromausfall, beginnt der Zyklus von vorne und alles hart Erarbeitete ist verloren. Doch selbst der Ruhemodus birgt Gefahren. Im Ruhemodus werden automatisch Updates installiert und heruntergeladen. Erscheint ein Update von Returnal – ihr könnt es euch vermutlich denken – heißt es zurück zum Anfang, weil sich das Game im Ruhemodus aktualisiert hat und dabei neu gestartet wurde.
Wer gerne verschiedene Spiele zockt, hat hier auch Pech: Startet man ein anderes Game auf der PS5 und wird Returnal beendet, steht man beim nächsten Starten wieder am Anfang eines frischen Zyklus.
Glück und Pech
Bis man es schließlich schafft das sechste Gebiet in einem Zyklus zu beenden, hat man insgesamt zwischen 12 und 25 Spielstunden investiert. Der starke Unterschied liegt nicht nur am eigenen Können, sondern hat auch mit Glück und Pech zu tun.
Bei jedem Zyklus ist die Welt anders aufgebaut, auch die Feinde und Gegenstände sind anders verteilt. Wenn man viel Glück hat und die richtigen Gegenstände zum richtigen Zeitpunkt findet, die zum eigenen Spielstil und zum Bekämpfen der Bosse der jeweiligen Gebiete passen, hat man es deutlich leichter Returnal durchzuspielen. Wenn man Pech hat, hat man vielleicht schon 2 Stunden in einen Zyklus investiert, nur um festzustellen, dass man mit der Ausrüstung dem Boss des zweiten Gebiets nicht gewachsen ist und nur verlieren kann.
Jeder Schritt ein Risiko
Hinzu kommt, dass jeder Schritt in Returnal mit Risiko verbunden ist. Selbst ein einzelner Treffer kann die Hälfte der Energie kosten, die sich nicht automatisch regeneriert. Und je nach Zyklus und Gebiet können Energie-Drops sehr selten sein. Wird man getroffen, wird zudem das zuvor aufgebaute Adrenalin zurückgesetzt, das in 5 Stufen Boni für das Kämpfen hinzufügt. Man wird also gleich doppelt bestraft, einfach nur, weil man einmal getroffen wurde oder einen falschen Schritt gemacht hat und in einen Abgrund gestürzt ist.
Selbst das Sammeln von Gegenständen ist mit Risiko verbunden. Es gibt verseuchte Items, die schwächende Fehlfunktionen auslösen können. Will man trotzdem die verseuchte Truhe öffnen und es riskieren? Dann gibt es noch Parasiten, die positive und negative Eigenschaften haben und nur mit speziellen Gegenständen wieder entfernt werden können. Auch hier kommt man ins Grübeln, ob die positiven Eigenschaften überwiegen.
Man weiß auch nie, was im nächsten Raum wartet. Hat man genug Energie übrig, um einen Blick in einen Raum zu werfen, der abseits des Hauptweges ist? Was, wenn dahinter ein starker Gegner lauert, anstatt hilfreiche Gegenstände? Manchmal muss man das Risiko auch einfach eingehen. Denn durch das Besiegen von Feinden und Sammeln bestimmter Kanister wird die Kampfkraft erhöht. Erst wenn diese das nächste Level erreicht, findet man stärkere Waffen. Wenn man nicht ein extrem guter Spieler ist, muss man also ohnehin das gesamte Gebiet durchlaufen, um sich so vor dem nächsten Bossfight mit einer möglichst starken Waffe rüsten zu können.
Bullethell
Die Kämpfe sind ein permanenter Adrenalinkick. Es ist immer hektisch, jeder Gegner feuert nicht ein Projektil, sondern mehrere bis scheinbar Hunderte. Sie gehen nicht in Deckung, sie greifen immer an. Einige fliegen, andere teleportieren sich und tauchen plötzlich hinter einem auf. Selbst, wenn man die Angriffsmuster der Feinde lernt, muss man seine Taktik in Sekundenbruchteilen anpassen, wenn mehrere Feinde verschiedener Arten gleichzeitig angreifen.
Durch das ständige Ausweichen von feindlichen Geschoßen erinnert Returnal stark an einen Bullethell-Shooter, was in Verbindung mit der „ein falscher Schritt, tot, alles von vorne“-Art des Spiels eigentlich absurd ist. Vermutlich ist es gerade deshalb höchst befriedigend, wenn man durch gezielte Dashes, Nahkampfangriffe und perfekt getimtes Nachladen einen Raum voller Gegner säubern konnte, ohne dabei getroffen zu werden.
Das Spiel läuft in 4K mit 60fps, butterweich und extrem flott reagierend. Auch wenn man immer wieder stirbt, sind die Kämpfe gegen die normalen Gegner so spannend und packend, dass man gerne bereit ist, noch einmal von vorne zu beginnen. Frust kommt nur auf, wenn man nach dem Grinden in mehreren Gebieten trotzdem wieder und wieder beim selben Boss stirbt und so das Gefühl hat, zahlreiche Stunden Spielzeit verschwendet zu haben.
Pandora, nur tödlicher
Bei dem ganzen Stress übersieht man manchmal, wie schön Returnal eigentlich ist. Das erste Gebiet erinnert durch die Flora und deren Glühen an eine unfreundliche Version des Planeten Pandora aus „Avatar“. Spätere Gebiete wecken Erinnerungen an den Stil des Films „Prometheus“.
Hinzu kommen Details, wie das Mondlicht, das durch das Blätterwerk scheint, Wind, der Sand aufwirbelt, Funken, die aus Kabeln sprühen, Nebel, der mystisch am Pfad liegt und sich teilt, sobald man durchläuft: Wenn gerade keine Feinde da sind, kann man sich einen Moment nehmen, um durchzuatmen und die Atmosphäre zu inhalieren. Stressig wird es ohnehin wieder beim Betreten des nächsten Raums.
Returnal nutzt auch die erweiterten Rüttelfunktionen des PS5-Controllers sehr gut, um die Atmosphäre zu verstärken. Das differenzierte Rütteln in den verschiedenen Situationen und der Widerstand in den Trigger-Tasten zeigt, wie die Fähigkeiten des PS5-Controllers in einem Triple-A-Titel sinnvoll eingesetzt werden können.
Fazit
Returnal ist das erste Dark-Souls-ähnliche Roguelike-Spiel, bei dem ich nicht den Drang habe, es nach den ersten paar Versuchen zu deinstallieren. Vielleicht ist es das Scifi-Setting, die dezente aber doch interessante Story, die potenziellen Geheimnisse, die es zu entdecken gibt oder einfach nur das gelungene Kampfsystem: Irgendetwas an Returnal lässt mich nicht los, egal der wievielte Zyklus es ist.
Das Spiel schenkt einem nichts. Es ist nicht da, um das Ego zu streicheln, oder den Feierabend zu versüßen. Returnal ist fordernd, aber auf seine Art fair. Bis auf das Fehlen einer Speicheroption. Der völlige Verzicht darauf ist Gameplay-technisch zwar verständlich, spätestens wenn man aber zwischendurch ein anderes Game spielen will, oder warum auch immer die PS5 abgeschaltet wird (danke für das Stromabdrehen Wiener Netze), ärgert man sich maßlos, wenn ein guter Zyklus zunichte gemacht wurde.