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Star Wars Jedi Fallen Order im Test: Eintopf mit Lichtschwert

9 Jahre ist es her, seitdem Spieler das letzte Mal das Lichtschwert schwingen durften. Zwar gab es dazwischen Virtual-Reality-Games und Multiplayer-Spiele im Jedi-Universum – aber nach dem nur mäßig erfolgreichem Star Wars: The Force Unleashed II (2010) kam nichts mehr für Gamer, die sich Lichtschwert-Action, Abenteuer und eine Story im Star-Wars-Universum wünschten.

Gerade Electronic Arts, dass in Gamer-Kreisen gerne für den Untergang der guten Star-Wars-Spiele verantwortlich gemacht wird, könnte es jetzt richten. Ich habe Star Wars Jedi: Fallen Order (PS4, Xbox One, PC) auf der PS4 Pro getestet.

Da freut sich der Fanboy

Fallen Order spielt zeitlich nach Episode 3 und vor Rogue One (und damit natürlich auch vor Episode 4). Genauer gesagt sind es 5 Jahre, nach der Order 66, mit der der Imperator den Befehl gab, die Jedi auszulöschen. Man schlüpft in die Rolle von Cal Kestis, einem Padawan, der die Order 66 überlebt hat und sich seitdem versteckt. Die Tarnung fliegt auf, Rettung in letzter Sekunde, neue Freunde tauchen auf, Mission zur Wiederherstellung des Jedi-Ordens, usw.

Gerade weil diese Zeitspanne bisher nicht groß verfilmt wurde, ist sie für Hardcore-Star-Wars-Fans sehr interessant. Insbesondere richtet sich das Game an die Spieler, die die Animationsserien Clone Wars und Star Wars Rebels gesehen haben. Es gibt so viele Relikte aus den Klonkriegen, Aufzeichnung, Story-Häppchen und Anspielungen, dass es eine wahre Freude ist. Für gemäßigte Star-Wars-Fan (gibt es sowas überhaupt?), die nur die Hauptfilme kennen, wird Fallen Order etwas weniger spannend und verständlich sein.

Als Fan der beiden Animationsserien waren diese Spuren der Star-Wars-Vergangenheit für mich der Hauptgrund, Fallen Order zu Ende zu spielen. Denn ohne diesen ist das Game maximal Mittelmaß.

Mischmasch

Fallen Order ist ein Third-Person-Action-Adventure. Dabei bedient sich das Entwicklerstudio bei etlichen anderen Genres und Games. Das Haupt-Gameplay entspricht dem Metroidvania-Prinzip: Man kommt auf einen Planeten und muss zum Ziel. Dazwischen gibt es verschiedene Abzweigungen und Orte, die man erst besuchen kann, wenn man im weiteren Spielverlauf neue Fähigkeiten freigeschaltet hat.

Bei den Planeten handelt es sich um lineare Levels, mit den oben genannten Abzweigungen. Die Erkundungen erfolgen zu Fuß, mit zahlreichen Kletterpartien. Dazwischen gibt es ein paar Rätsel zu lösen – beides erinnert verdächtigt stark an die Games der Uncharted-Reihe.

Jedi-Schnitzeljagd

Wirklich Spaß kommt dabei nicht auf. Es ist frustrierend, wenn man einen Weg erkundet, nur um Ende draufzukommen, dass dort eine Wand ist, die man noch nicht aus dem Weg schieben kann. Außerdem wird man ständig zwischen den Planeten herumgeschickt, wie auf einer Jedi-Schnitzeljagd. „Hey, der Typ den du gerade zwei Stunden lang auf diesem Planeten gesucht hast, ist nicht hier. Fliegen wir doch auf den Planeten zurück, auf den wir vorher waren und machen etwas Anderes“. Natürlich bekommt man dann später die Nachricht, dass der Typ jetzt gefunden wurde und man wieder auf den vorigen Planeten zurück soll.

Ebenfalls frustrierend: Hat man auf einen Planeten das Ziel erreicht, muss man wieder zum Raumschiff zurücklaufen. Jedes. Verdammte. Mal. Auf einigen Planeten, besonders zu Beginn des Spiels, ist dieses Backtracking unglaublich mühsam. Die Karte ist zudem verwirrend, sodass man auf einigen Planeten kaum sinnvoll damit navigieren kann.

Mischmach Teil 2

Das Hin- und Herfliegen zwischen Planeten kennt man aus Mass Effect. Allerdings hat es dort besser funktioniert, dass das Raumschiff wie ein zuhause wirkt. In Fallen Order gibt es die Bemühungen ebenfalls, allerdings nur sehr halbherzig.

Etwa befremdlich wirkt, dass der Spielentwickler noch eine Prise Dark Souls miteingestreut hat. Was dort Lagerfeuer sind, sind hier Punkte zum Meditieren, die (relativ großzügig) auf den Planeten verteilt sind. Verweilt man dort, kann man Erfahrungspunkte für Fähigkeiten vergeben und sich ausruhen. Ausruhen stellt die Lebensenergie (regeneriert sich nicht nach Kämpfen), Health-Stims (Heilungs-Items) und Macht wieder her – und lässt alle Gegner auf dem Planeten respawnen. Auch die, die einen „überraschend“ an immer derselben Stelle packen und so immer dieselbe Quicktime-Sequenz auslösen, weil man diese Stelle nicht umgehen kann. Stirbt man, startet man beim letzten Meditationspunkt neu und hat die bis dahin gesammelten Erfahrungspunkte verloren.

Kampf und Krampf

Die Kämpfe in Fallen Order können unglaublich befriedigend oder nahezu frustrierend sein. Befriedigend, wenn man Sturmtruppler mit der Macht heranzieht und aufspießt oder gleich 3 Brüder der Nacht einen Abgrund hinunterstoßt. Frustrierend, wenn das Blocken und Ausweichen wieder Mal zu ungenau ist oder ständig die eigenen Angriffe von Gegnern unterbrochen werden, weil man nicht in der Herschlag-Animation zu einem Block wechseln kann.

Gerade am Anfang sind größere Gegnertruppen deshalb ein Problem. Oft muss man sich zurückziehen, warten bis die Machtanzeige minimal regeneriert ist (ganz geht nicht durch Warten), dann einen Gegner ausschalten und das Ganze wiederholen.

Ebenfalls frustrierend: Das Kampfsystem funktioniert mit einer Blockanzeige. Ist die Blockanzeige leer, nimmt man mehr Schaden – dasselbe gilt für Gegner. Eigentlich sollte man durch gut getimtes Blocken parieren, woraufhin der Gegner offen für Angriffe ist. Oft kommt es aber vor, dass die letzte Animation so lange dauert, dass der Gegner dann doch wieder blocken kann. Auch das gezielte Ausweichen, um einen Sturmtruppler von hinten den Todesstoß zu versetzen, funktioniert nicht immer. Manchmal haut man dann nur normal auf den Gegner ein und reduziert dessen Blockanzeige. Hier fehlt eindeutig das Finetuning.

Stichwort einhauen: Um das Game Disney-gerecht zu machen, werden keine Gliedmaßen oder Köpfe von humanoiden Lebensformen durchtrennt. Tiere und Droiden darf man hingegen spalten.

Mit Vollgas ins Schritttempo

Auch wenn das Kampfsystem von Fallen Order für Ärger sorgt, geben die Kämpfe, vor allem gegen mehrere Feinde, einen Adrenalinkick. Doch oft folgen Durststrecken. Fallen Order hat ein Pacing-Problem.

Es gibt großartige Highlights, wie sie so noch nie in einem Star-Wars-Spiel zu sehen waren. Und dann passiert einfach nichts, außer, dass man auf einem Planeten versucht von A nach B zu kommen. Und das zieht sich durch den Großteil des Spiels. Wer nicht Star-Wars-Fan ist, wird sich schwer tun, bis zum Ende motiviert dabei zu bleiben.

Das Pacing-Problem nimmt gegen Ende eigenartige Formen an. Gefühlt findet alles Wesentliche im letzten Viertel des Games statt. Dabei wirkt es dann so, als wäre der Entwickler draufgekommen, dass jetzt Schluss sein muss. So wird etwa jahrezehntelanger Groll mit einem einminütigen Dialog aus der Welt geräumt, was noch dazu einen Charakter komplett verändert.

Die Spielzeit beträgt in etwa 14 bis 18 Stunden, je nach Schwierigkeitsgrad. Will man alle Secrets und Sammelgegenstände finden, können nochmal gut 10 Stunden hinzukommen.

Fiepsstimme und Slowdowns

Probleme gibt es auch bei der technischen Umsetzung. Auf der PS4 Pro gibt es Slowdowns, schwarze Screens statt Ladebildschirme und einfach mal Standbilder, bis der nächste Level-Abschnitt geladen ist. Dafür wird man manchmal mit Levels und Details belohnt, die vermitteln, dass man nur ein kleiner Jedi in einer großen Welt ist. Technisch unsauber ist es dennoch.

Stichwort kleiner Jedi: Für die deutsche Synchronisation wurden professionelle Sprecher angeheuert. Allerdings wurden dabei ein paar schlechte Entscheidungen getroffen. Die Dialoge sind entweder grenzwertig übersetzt oder waren schon im Englischen mittelmäßig furchtbar.

In Rückblendesequenzen erinnert sich Cal Kestis an seine Ausbildung. Dabei wird er vom selben Synchronsprecher wie sein 5 Jahre älteres ich gesprochen – aber mit einer weicheren, höher verstellten Stimme. Das klingt unfreiwillig komisch. Ein bisschen unglücklich gewählt ist auch der Synchronsprecher des Captains. Nicht, weil dieser schlecht wäre, sondern weil er vielen Gamer noch als Stimme von Handsome Jack aus Borderlands im Ohr sein dürfte.

Disney lässt grüßen

Das heikelste Thema kommt zum Schluss: Star Wars. Abgesehen von den bereits erwähnten Fan-Services für Clone Wars- und Rebels-Begeisterte, gibt es noch zwei andere Dinge in Fallen Order, die in bester Disney-Manier die restlichen Star-Wars-Fans verzücken werden. Das eine ist der Droide BD-1, der den Spieler stets begleitet und dabei meistens auf seinem Rücken sitzt. Der wird an Niedlichkeit nur noch von Baby Yoda übertrumpft. Es wird wohl nicht lange dauern, bis BD-1 Merchandise im Internet auftaucht.

Das zweite ist, dass man sich das Lichtschwert selbst aus verschiedenen Teilen von anderen bekannten Star-Wars-Lichtschwertern zusammenbasteln kann – sofern man diese im Spiel gefunden hat. Auch die Lichtschwertfarbe lässt sich ändern (nicht auf Rot, buh), ebenso wie die Farbe des Griffs. Diesen Traum eines Selbstbau-Lichtschwerts kann man übrigens im Galaxy’s Edge, der neuen Star-Wars-Erweiterung des Disneyland in Kalifornien, in Real Life ausleben. Besuchern zufolge, ist das das einzige echte Highlight von Galaxy’s Edge.

Nicht mein Star Wars

Warum bei so viel Fan-Service das Thema heikel ist? Weil Fallen Order auch einiges verbockt. Das beginnt mit dem Hauptcharakter Cal Kestis. Er ist einfach nur gut und glatt. Sein einziges „Problem“ sind Schuldgefühle für etwas, woran er keine Schuld hat. Das ist nicht Star Wars: Wo ist der interne Konflikt, wo ist das Ringen mit der dunklen Seite der Macht? Das wird auf Nebencharaktere ausgelagert, was wiederum wie faules Storytelling wirkt. Wenn ich mich über 14 Stunden mit Cal Kestis beschäftige, will ich nicht nur der Zuschauer in der Story von jemand anderen sein.

Was auch überhaupt nicht geht, ist die Erklärung, wieso Cal Kestis seine Jedi-Kräfte erst erlernen muss: Es gibt keine. In den Rückblenden, die als Tutorial dienen, kann er das nämlich. Wie kann er innerhalb von 5 Jahren Force Push, Pull und das Springen verlernen, sich aber merken, wie man mit der Macht Dinge und Lebewesen verlangsamt?

Macht-Vampir

Die Macht ist wahrscheinlich der strittigste Punkt in Fallen Order. Die Machtenergie lädt sich auf, indem man tötet. Das ist so entgegen der Jedi-Grundphilosophie, das es fast schon weh tut. Um Obi-Wan aus Episode 4 (1977) zu zitieren: „Die Macht ist es, die dem Jedi seine Stärke gibt. Es ist ein Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugen.“ Ist Cal Kestis also ein Macht-Vampir, der durch Töten von Menschen und Kreaturen deren Energie bekommt? Eher unwahrscheinlich, wenn er von Grund auf gut und unschuldig ist. Er beschreibt sogar im späteren Spielverlauf die Jedi als „Friedensstifter“.

Jedenfalls hätte man die Sache eleganter lösen können, indem etwa das Blocken von Blasterschüssen, Paraden oder das richtig getimte Ausweichen die Machtenergie aufladen. Abgesehen davon gibt es immer wieder Kleinigkeiten, bei denen man als Star-Wars-Fan mit den Zähnen knirscht.

Fazit

Was machen Star-Wars-Fans lieber, als Star Wars anzuschauen? Über Star Wars reden. Insofern erfüllt Fallen Order seinen Zweck. Durch den Fan-Service für die Clone Wars- und Rebels-Seher, sowie die eigenwillige Interpretation der Machtenergie, gibt es genug Diskussionsmaterial und Konfliktstoff - etwa wenn Fallen-Order-Begeisterte wilde Theorien spinnen werden, um die Versäumnisse im Storytelling schön zu reden.

Wenn man nicht so tief in der Materie und dem Star-Wars-Kult drinnen ist, bleibt ein mittelmäßiges Action-Adventure über. Es fehlt der Feinschliff, die Raffinesse. Es wirkt, als wollte Electronic Arts das Game unbedingt zeitnahe zum Start des Streaming-Dienstes Disney+ und vor dem Kinostart von „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ in den Handel bringen. Ein halbes Jahr (oder mehr) Entwicklungszeit hätte Fallen Order gutgetan.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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