Angst oder Hoffnung: Wie kommunizieren wir die Klimakrise?
In Klimakreisen wird schon länger darüber debattiert, was die beste Art Kommunikation ist, um die Menschen von der Ernsthaftigkeit der Klimakrise zu überzeugen, ohne sie dabei in lähmende Angst oder gleichgültige Endzeitstimmung zu versetzen. Spätestens seit der Journalist David Wallace-Wells mit einem Worst-Case-Szenario in der Zeitschrift New York 2017 Aufsehen erregte, wird die Debatte auch breiter öffentlich geführt.
Wissenschaftliche Prognosen zur Klimakrise stellen in der Regel mehrere Szenarien dar: jene, die am wahrscheinlichsten eintreten werden und jene, die im besten und im schlimmsten Fall eintreten. Wallace-Wells baute aus den schlimmsten annehmbaren Szenarien das Bild eines unbewohnbaren Planeten. Der Artikel ging fast sofort viral und war bald die meistgelesene Story in der Geschichte des Magazins, die nicht nur viel Lob erntete, sondern auch viel Kritik einstecken musste – auch von Seiten der Wissenschaft.
Panic and Act!
Man müsse die Menschen erschrecken, damit sie sich beginnen, sich um unser Klima zu kümmern, sagen die einen. Andere wiederum kritisieren, dass ein Weltuntergangs-Framing wissenschaftliche Ergebnisse auf eine Weise übertreibe, die das Problem als unlösbar darstellt. Das führe nicht zu mehr Motivation, dagegen anzukämpfen, sondern zu einem Gefühl von Unausweichlichkeit. Man müsse die Hoffnung in den Vordergrund stellen.
Beide Seiten haben durchaus nachvollziehbare Punkte. Die Frage, wie wir am besten über die Klimakrise sprechen, beantworten wir jedoch nicht, indem wir die Klimabewegung in ein Hoffnungslager und ein Angstlager splitten. Wir brauchen beides: Panic and Act, um es mit einer Anleihe an den berühmten Worten Greta Thunbergs zusammenzufassen.
Kein einfacher Hebel
Verhaltensforscher*innen der University of Massachusetts-Amherst versuchten in einem in Nature Climate Change veröffentlichten Artikel, die Lehren der Psychologie in die Vermittlung der Bedeutung des Klimawandels einfließen zu lassen. Sie kamen zu dem Schluss, dass man Emotionen nicht wie einen Hebel betrachten kann, an dem man einfach zieht, um den jeweils gewünschten Effekt zu erhalten.
Dafür seien die psychologischen Mechanismen von Angst, Freude oder Sorge zu komplex. Statt auf einmalige schockierende oder besonders eindringliche Bilder, Texte oder Schlagzeilen sollte in der Klimakommunikation auf Wiederholung gesetzt werden, so die Autor*innen. Emotionale Botschaften und Erlebnisse müssen regelmäßig bei den Menschen ankommen, da es sich um ein langfristiges und facettenreiches Problem handelt.
Kognitive Dissonanz
Auch dort, wo die wissenschaftlichen Erkenntnisse eindeutig sind, warnen Forscher*innen vor vereinfachenden, populistischen Anwendungen. Der verantwortungsvolle Umgang mit solchen Informationen erfordert die kontinuierliche Anstrengung, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Und hier stehen sie im Sommer des Jahres 2022: Wir erleben auf persönlich unterschiedlich stark ausgeprägte Art und Weise seit mehr als 2 Jahren eine Zeit, in der eine Krise der nächsten die Klinke in die Hand zu drücken scheint.
Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben Auswirkungen, die viele Menschen vor so unmittelbare Existenznöte stellen, dass eine scheinbar mittelbare Bedrohung durch die Erderwärmung mit all ihren Konsequenzen bei ihnen in der Prioritätenliste nach hinten rutscht. Der ständige Krisenmodus versetzt uns zudem in einen permanenten Zustand kognitiver Dissonanzen, also widersprüchlicher Gedanken, Verhaltensweisen und Einstellungen. Es ist völlig natürlich, dass wir diese Dissonanzen auflösen wollen, und manchmal gelingt das durch Negieren, Ignorieren und Filtern.
This is fine
In diesem Dauerkrisenmodus, mit dem die Allgemeinheit konfrontiert ist, haben kürzlich Wetter-Apps mit ihren Worst-Case-Szenarios für eine in Europa anrollende Hitzewelle dem Kampf um die Aufmerksamkeit für die ernsten Auswirkungen Klimakrise wohl leider einen Bärendienst erwiesen. Denn in Zeiten, in denen wir nach rar gesäten guten Nachrichten lechzen und wir starke Coping-Strategien brauchen, um optimistisch zu bleiben, erscheinen „eh nur“ Temperaturen über 35 Grad Celsius statt der befürchteten 42 nicht wie drastische Hitze, sondern geradezu wie ein frisches Sommerlüftchen.
Auch wenn sich der Vergleich mit dem bekannten Meme aufdrängt – in allgemeinen Krisenzeiten den Rückzug in eine gewisse Gleichgültigkeit vor schlechten Neuigkeiten anzutreten, kann man der Bevölkerung kaum zum Vorwurf machen. Umso größer ist hingegen gerade deshalb jetzt die Verantwortung der globalen Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft, nicht nur auf kluge Klimakommunikation zu achten, sondern vor allem wirklich gute Neuigkeiten zu generieren: Indem sie überzeugende Taten zur Eindämmung der Globalen Erwärmung setzen, die echte Hoffnung machen.