Künstlicher Regen: Wetter auf Knopfdruck gibt es nicht
Die Wüste um Dubai verwandelte sich in ein Überschwemmungsgebiet. Straßen wurden zu Flüssen, Autos wurden weggespült, innerhalb von 24 Stunden fiel Mitte April 2024 mehr Regen als sonst in einem ganzen Jahr. Und rasch entstanden merkwürdige Theorien dazu: Der Regen sei nicht natürlich gewesen, hieß es bald. Das Unwetter sei künstlich hervorgerufen worden. Dieselben Behauptungen hatte man auch im Februar schon gehört, als es in Kalifornien zu schweren Stürmen kam.
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Cloud Seeding mit Silberiodid
Tatsächlich ist es physikalisch möglich, Regen zu erzeugen, in verschiedenen Teilen der Erde wird daran geforscht. Die Grundidee ist einfach: Man transportiert winzige Partikel, zum Beispiel aus Silberiodid, ins Innere einer Wolke. Man kann das Silberiodid entweder mit Flugzeugen versprühen, oder es einfach am Boden verbrennen, sodass es mit dem Rauch aufsteigt. In der Wolke werden diese Partikel dann als sogenannte Nukleationskeime wirksam: An Ihnen können sich Wassermoleküle anlagern, dadurch fördern diese Partikel die Bildung von Eiskristallen oder Tröpfchen. Haben diese Kristalle oder Tröpfchen dann irgendwann eine bestimmte Größe erreicht, fallen sie nach unten – es schneit oder regnet.
Dieses Konzept, das „Cloud Seeding“ genannt wird, ist nicht neu. Seit Jahrzehnten arbeitet man damit, beispielsweise auch um in landwirtschaftlich genutzten Gebieten schwere Hagelschäden abzuwenden. Wenn ein katastrophaler Hagelsturm droht, kann man die Wolke durch Cloud Seeding dazu bringen, ihre Eislast möglichst früh loszuwerden, solange die Hagelkörner noch klein sind und relativ wenig Schaden anrichten.
Ohne Regenwolke kein Regen
Klar ist aber: Man kann auf diese Weise den Regen nicht nach Belieben kontrollieren. Wenn die Luft trocken ist, kann man mit Silberiodid daran nichts ändern. Nur wenn eine Wolke gerade an der Kippe steht, zwischen „Regen“ und „kein Regen“, oder zwischen „Schnee“ und „kein Schnee“, dann kann Cloud Seeding den entscheidenden Unterschied machen: Man kann dann den Niederschlag, den es ohnehin gegeben hätte, ein bisschen schneller oder früher vom Himmel holen.
Trockenen Regionen zu regelmäßigen Niederschlägen zu verhelfen, wird so aber natürlich nicht gelingen. Durch Cloud Seeding lassen sich keine Regenwassermassen aus anderen Gegenden herbeiholen und heftige Stürme zu verursachen, wie sie in Kalifornien aufgetreten sind, ist auf diese Weise schon gar nicht möglich.
Dass die Effektivität des „Cloud Seeding“ oft überschätzt wird, liegt wohl auch an der medialen Berichterstattung: So hieß es etwa, China habe bei der Start- und der Endzeremonie der Olympischen Spiele 2008 die Stadt Peking durch Cloud Seeding regenfrei gehalten. Ob das tatsächlich stimmt, ist aber schwer zu sagen: Wenn man Silberiodid versprüht und sich die Wolken dann so benehmen, wie man das geplant hatte, dann lässt sich prinzipiell nachträglich nicht sagen, ob sich der Niederschlag nicht auch ohne Cloud Seeding genauso entwickelt hätte.
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Wirksamkeit wird überschätzt
In der Wissenschaft wird die Effektivität von Cloud Seeding heute eher zurückhaltend beurteilt: Es gibt verschiedene Einschätzungen dazu, die von einer Steigerung der Niederschlagsmenge von 10 bis 15 Prozent ausgehen. Das kann zum Beispiel für ein Skigebiet schon einen wichtigen Unterschied machen – aber von „Wetter auf Knopfdruck“ oder „Regen auf Bestellung“ kann angesichts solcher Zahlen keine Rede sein.
Gerade in Zeiten, in denen wilde Verschwörungstheorien immer beliebter werden, sollte man bei solchen Themen vorsichtig sein. Wenn die korrekte Aussage „man kann in bestimmten meteorologischen Situationen die Niederschlagswahrscheinlichkeit technisch beeinflussen“ medial zu „die Regierung beeinflusst gezielt unser Wetter“ aufgebauscht wird, dann ist es nicht mehr weit zu wirren Spinnereien über dunkle Eliten, die uns angeblich im Regen ertränken oder völlig austrocknen wollen.
Unsinnsgeschichten über „Chemtrails“, giftige Substanzen, die angeblich von den Regierungen der Welt aus Flugzeugen versprüht werden, zirkulieren seit vielen Jahren – ohne jede faktische Grundlage. Solchen Verschwörungstheorien sollte man keine zusätzliche Nahrung liefern, indem man Technologien, die es tatsächlich gibt, mächtiger darstellt, als sie wirklich sind. Wolkenbrüche wie in Dubai sind dafür ganz gewiss kein Argument: Die gab es nämlich immer schon. Dass auf der Arabischen Halbinsel ein signifikanter Anteil des Jahresniederschlags innerhalb kurzer Zeit niedergeht, ist durchaus üblich – auch ganz ohne Silberiodid in den Wolken.