König gegen Wissenschaft
Charles III wird sicher kein König sein, der bloß freundlich lächelnd in die Menge winkt. Schon als Prinz hat er zu vielen verschiedenen Themen klar Stellung bezogen. Er sprach sich etwa für den Klimaschutz und gegen die Abholzung des Regenwaldes aus – in diesen Punkten darf er zweifellos auf Unterstützung aus der Wissenschaft zählen. Etwas misstrauisch könnte man aber werden, wenn er erklärt, man müsse mit Pflanzen reden und ihnen auch zuhören. Und für viel Kopfschütteln sorgt sein Einsatz für sogenannte „Alternativmedizin": Seit vielen Jahren trägt Charles in diesem Bereich einen merkwürdigen Konflikt mit der Wissenschaft aus.
Homöopathie und Wundertinkturen
Die Liste der alternativmedizinischen Methoden, für die sich Charles in den letzten Jahrzehnten ausgesprochen hat, ist lang: Irisanalyse etwa, bei der man angeblich an den Augen eines Menschen Hinweise auf Erkrankungen ablesen kann – Belege dafür fehlen. Charles sprach sich auch für die Gerson-Therapie aus, eine esoterische Heilmethode mit strengen Diät-Regeln und kaffeehaltigen Einläufen. Wissenschaftliche Hinweise auf eine Wirksamkeit gibt es nicht. Trotzdem wird die Gerson-Therapie in Alternativmedizinkreisen sogar Krebspatienten empfohlen – was tragische Folgen haben kann, wenn dafür auf eine echte, medizinisch wirksame Behandlung verzichtet wird.
Charles ist ein enthusiastischer Anhänger der Homöopathie, bis heute ist er königlicher Patron einer Homöopathie-Lobbyorganisation in London. Außerdem gründete er eine eigene Firma für Bionahrung und Nahrungsergänzungsmittel, von der die „Duchy Herbal Detox Tincture“ vermarktet wurde – eine Entgiftungstinktur auf Artischocken- und Löwenzahnbasis. Dafür wurde Charles scharf kritisiert: Das esoterische Konzept der „Entgiftung“ widerspricht der Wissenschaft. Unser Körper entgiftet sich ganz von selbst – die Annahme, man könne mit speziellen Naturpräparaten Giftstoffe aus dem Körper holen, ist so nicht haltbar.
Prinz gegen Professor
Heftige Auseinandersetzungen hatte Charles immer wieder mit Edzard Ernst, Professor für Alternativmedizin. Ernst war ursprünglich selbst praktizierender Alternativmediziner, machte es sich dann aber zu seiner Aufgabe, die Wirksamkeit unterschiedlichster alternativmedizinischer Verfahren systematisch zu untersuchen – meist mit vernichtenden Ergebnissen: Sieht man von verschiedenen Pflanzenwirkstoffen ab, deren Wirksamkeit wissenschaftlich durchaus erklärbar ist, stellte sich bei Edzard Ernsts Studien immer wieder heraus, dass die angepriesenen Heilverfahren nicht besser wirkten als ein wirkstofffreies Placebo-Präparat. Edzard Ernst bezeichnete die Thesen des damaligen Prince Charles als „Quacksalberei“, das Entgiftungspräparat „Duchy Herbal Detox Tincture“ musste schließlich vom Markt genommen werden.
Der naturalistische Fehlschluss
Charles scheint hier einem Missverständnis aufgesessen zu sein, das leider sehr verbreitet ist – es handelt sich um den „naturalistischen Fehlschluss“. Selbstverständlich ist es rational, natürliche Dinge schön zu finden und sich für die Erhaltung der Natur einzusetzen. Aber das heißt eben noch lange nicht, dass alles gut und nützlich sein muss, was mit dem Etikett „natürlich“ versehen wurde. Nur weil „Aromatherapie“ irgendwie natürlicher klingt als „Chemotherapie“ ist sie nicht besser. Nur weil Irisdiagnostik sich naturnäher anfühlt als Magnetresonanztomographie muss sie keine sinnvollen Ergebnisse liefern.
Und genau dadurch richtet König Charles großen Schaden an: Er vertieft den bestehenden Aberglauben, dass man auf Chemie und Physik basierende Medizin irgendwie durch „uraltes Erfahrungswissen“ oder „natürliche Alternativen“ ersetzen könne. Und er setzt sein politisches Gewicht dafür ein, diesen Aberglauben weiter zu verbreiten – etwa in Reden vor der WHO, oder durch sein Engagement für die Verankerung von Alternativmedizin im britischen Gesundheitssystem.
Man kann alles testen
Aus medizinischer Sicht ist es völlig egal, ob ein bestimmter Wirkstoff von einer Pflanze oder im Reagenzglas erzeugt wird: Interessant ist ausschließlich, ob er wirkt. Wenn sich eine alternative „natürliche“ Methode als wirksam erweist, dann wird sie akzeptiert und eingesetzt. Sie ist dann keine „Alternativmedizin“ mehr, sondern einfach „Medizin“. Alternativmedizin ist daher definitionsgemäß bloß das, was entweder noch niemals getestet wurde, oder sich in Tests als wirkungslos erwiesen hat.
Ob etwas wirkt oder nicht, kann man nicht einfach „spüren“, egal ob man Arzt ist oder König. Man muss es in klinischen Studien herausfinden. Als neuer Herrscher sollte Charles diese Methoden dringend anerkennen. Vielleicht würde es helfen, häufiger mit Forscherinnen und Forschern zu reden – und weniger mit Pflanzen.