Meinung

Querdenker ist nicht gleich Querdenker

Wissenschaft gegen Verschwörungstheorien – der große Kampf unserer Zeit: Hier Fakten, dort Fake News. Hier Argumente, dort Geschrei. Hier Evidenz, dort Renitenz. Das klingt nach großem Kino, aber es ist so nicht richtig. Die Wirklichkeit ist komplizierter.

Ja, die Wissenschaft hat ein Vertrauensproblem. Es gibt Gruppen, die der wissenschaftlichen Methode skeptisch gegenüberstehen, und das ist gefährlich. Aber diese Gruppen sind in sich völlig zersplittert und uneinheitlich. Man findet dort ganz unterschiedliche Leute – von kritischen Geistern, die manchmal echtes Fehlverhalten in der Wissenschaft aufdecken, bis hin zu demagogischen Lügner*innen. Man sollte nicht so tun, als wären sie alle gleich.

Von Klimawandel-Leugnern bis zu Energiewende-Skeptikern

Besonders auffällig ist das in der Klimadiskussion: Verblüffenderweise gibt es immer noch radikale Klimawandelleugner*innen – auch wenn die Erwärmung des Planeten wissenschaftlich längst außer Zweifel steht. Dann gibt es Leute, die zugeben, dass es wärmer wird, aber abstreiten, dass der Mensch daran Schuld trägt. Auch das ist wissenschaftlich nicht haltbar. Daneben findet man aber auch kompliziertere Meinungen – etwa dass der Mensch zwar den Klimawandel verursacht, dass wir aber derzeit die Konsequenzen falsch einschätzen oder mit den falschen Mitteln dagegen kämpfen.

All das sind völlig unterschiedliche Sichtweisen, die sich logisch nicht vereinen lassen. Trotzdem werden all diese Leute manchmal leichtfertig mit einem Begriff wie „Klimawandelleugner*in“ oder „Wissenschaftsgegner*in“ zusammengefasst.

Ähnliches haben wir auch während der COVID-Pandemie erlebt: Auch da gab es ein weites Spektrum ungewöhnlicher Sichtweisen: Radikale Virenleugner, mit wilden Verschwörungstheorien über die „wahre Ursache von COVID“, militante Impfgegner*innen, die jede Form von Impfung ablehnen – aber auch Leute, die wissenschaftliche Fakten ernst nehmen, aber unorthodoxe Meinungen über die Herkunft des Virus vertreten. Oder Leute, denen die Gefahr klar war, die sich aber trotzdem viel weniger gesetzliche Einschränkungen gewünscht hätten.

Teilweise sind die Unterschiede zwischen diesen Gruppen untereinander viel größer als der Unterschied zwischen ihnen und der Mainstream-Meinung der Wissenschaft. Trotzdem werden sie manchmal kollektiv als „Corona-Querdenker*innen“ zusammengefasst, als wären sie eine homogene Gruppe. Das ist teilweise vielleicht eine unfaire Zuordnung – teilweise ist diese Zuordnung aber auch selbstgewählt: Wer mit Extremist*innen auf Demos marschiert, darf sich natürlich nicht wundern, mit Extremist*innen in einen Topf geworfen zu werden.

Unterschiedliche Gruppen brauchen unterschiedliche Antworten

Trotzdem sollten wir hier stärker differenzieren. Wenn man so tut, als wären diese Strömungen alle gleich, stößt man einerseits Leute von der Wissenschaft weg, die eigentlich an einer rationalen Diskussion durchaus interessiert wären. Und andererseits verleiht man radikalen Strömungen viel zu viel Macht, wenn man sie gemeinsam mit gemäßigteren Leuten gedanklich zu einem großen Block zusammenfügt. Dann sieht dieser Block plötzlich aus wie ein ernstzunehmendes Gegengewicht zur Wissenschaft.

In Wahrheit haben wir es mit höchst unterschiedlichen Leuten zu tun: Mit Leuten, die durchaus berechtigte Einwände bringen, denen man tatsächlich wissenschaftlich nachgehen soll. Mit Leuten, die verständliche Sorgen haben und mehr Information brauchen. Aber eben auch mit Leuten, die Fakten mutwillig verdrehen, Falschmeldungen verbreiten und den Diskurs zerstören wollen. Für diese unterschiedlichen Gruppen braucht man unterschiedliche Antworten.

Die wissenschaftsorientierte Seite beschädigt sich also selbst, wenn sie so tut, als stünde ihr eine geschlossene Front von Fake-News-Fans gegenüber. So einfach ist die Welt nicht. Es mag emotional verlockend sein, sich selbst als einsame Stimme der Vernunft gegen eine irrationale Übermacht zu inszenieren. Aber Probleme löst man so nicht. Man muss genau zuhören und gezielt überlegen: Wer möchte hier sachorientiert diskutieren und wer nicht? Wer könnte von gut aufbereiteten Fakten profitieren? Und wer ist einfach nur ein boshafter Internet-Troll, an den man seine Zeit lieber nicht verschwenden sollte?

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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