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Tineco S15 Pro im Test: Wieso schreit mich die Frau im Staubsauger an?

AUSSCHALTEN! *BIEPBUB* AUFLADEN! … BITTE REINIGEN SIE REGELMÄSSIG DEN STAUBBEHÄLTER! Ich schwöre, ich habe dem Tineco S15 Pro nichts getan – trotzdem schreit er mich jedes Mal an.

Ich habe mich der lautstarken Frauenstimme aus dem Staubsauger dennoch tapfer gestellt, im Zuge dessen einen Disput mit der eigenen Frau angezettelt, und den S15 Pro getestet.

Kein Billig-Zeug aus China

Tineco, ein chinesisches Unternehmen, aber eine billige Kopie ist der S15 Pro mit einem UVP von 599 Euro nicht. Dass sich Tineco zumindest von der Konkurrenz inspirieren hat lassen, ist aber schwer zu leugnen. Sogar der Name erinnert an den Dyson V15 Detect Absolute (699 Euro UVP).

„Reiner Zufall“ kann man natürlich sagen. Genauso zufällig, wie das runde Display beider Geräte, die rotierende Bürste mit Beleuchtung und das mitgelieferte Zubehör, das verdächtig ähnlich ist. Austauschbar zwischen den beiden Herstellern sind die Bürsten übrigens nicht.

Bei der Verarbeitung ist der S15 Pro vorbildlich. Der schwarz-weiße Stormtrooper-Look ist ansprechend, das leicht angeraute Plastik fühlt sich hochwertig an. Die Spaltmaße sind angenehm gering, offensichtliche Plastiknähte findet man nicht – bei diesem Punkt kann der Dyson V15 nicht mithalten.

Praktische Ladestation

Der S15 Pro kommt mit einer Boden-Ladestation. Das heißt: Einfach zu einer Wand stellen, anstecken, fertig. Zum Aufladen wird der Staubsauger auf die Station gestellt, so, dass die Kontakte am Rohr mit den Kontakten der Station einrasten. Diesen Luxus hat man bei Dyson nicht: Die Wandhalterung des V15 muss man mit Schrauben und Dübeln selbst an der Wand anbringen. Dafür lässt sich die leichter in einem Schrank oder Abstellkammerl unterbringen, während die S15-Station etwas mehr Platz beansprucht, weil sie eben am Boden stehen muss. Durch die vorrangig weiße Farbe stört der S15 Pro aber optisch nicht, wenn er samt Station vor einer weißen Wand geparkt wird.

Die Station hat 3 Ablageplätze für die mitgelieferten Zubehörbürsten. So bleibt alles beisammen. Die 3 Bürsten sind die „Mini-Power-Bürste“, „2-in-1-Staubbürste“ und „Fugenbürste“. Beim teureren Dyson V15 ist noch eine große Bürste für Teppiche dabei, ein Flex-Adapter und eine Halterung, damit eine der kleinen Bürsten am Rohr angebracht werden kann.

Von der Mini-Power-Bürste des S15 Pro bin ich kein Fan. Diese hat 2 vertikal verlaufende Metallstangen. Auf meinem Sofa macht das unschöne Fahrer in den Stoff. Diese sind zwar bis jetzt nicht permanent, aber riskieren will ich es trotzdem nicht. Das Dyson-Gegenstück, die „Haarbürste“, kommt ohne Metallstreben aus, hat dafür aber härtere Borsten – was bisher noch kein Problem war.

Links die Tineco "Mini-Power-Bürste" mit Metallstangen, rechts das Dyson Gegenstück "Haarbürste"

Die große Bodenbürste ist für das Absaugen von Polstermöbeln und Matratzen aufgrund des Gelenks und der Bürstenrotation nach vorne nicht gut geeignet. Im Tineco-Shop gibt es keine Alternative zur Mini-Power-Bürste und das Absaugen mit der kleinen „2-in-1-Staubbürste“ ist langwierig und mühsam. Eine mögliche Lösung wäre, die Metallstreben rauszuschneiden. Da ich aber nicht das zur Verfügung gestellte Testgerät absichtlich beschädigen sollte, habe ich das nicht ausprobiert.

Hier zu sehen die Fahrer im Stoffbezug des Sofas, nach einmal Drüberfahren mit der Mini-Power-Bürste

Sinnloser Abzug

Die Bedienung des S15 Pro erfolgt über einen Abzug und eine Taste sowie einer berührungsempfindlichen Scroll-Leiste an der Oberseite, hinter dem Display. Den Abzug gibt es beim Dyson V15 auch – und dort ist ärgerlich, dass man ihn immer gedrückt lassen muss beim Staubsaugen.

Beim S15 Pro drückt man ihn einmal, um einzuschalten und dann wieder um auszuschalten. Das ist zwar besser als beim V15 aber nicht klug. Warum macht man nicht einfach einen normalen Knopf statt einen Abzug? Der Abzug hat auch keine Doppelfunktion, bei der nur temporär gesaugt wird, solange er gedrückt ist – es ist einfach ein Knopf im falschen Format.

Hinzu kommt, dass vor dem Abzug wenig Platz ist. Mit mittelgroßen Händen steht man mit dem Zeigefinger vorn am Gehäuse an. Alle 4 Finger unter dem Abzug geben klappt für Menschen mit kleinen Händen – bei mir ist es unangenehm. Die Alternative ist „Finger lang!“, also Zeigefinger raus aus dem Abzugsbügel und seitlich am Gehäuse anlegen. Ist jetzt nicht unbequem, weil man ohnehin nicht stundenlang staubsaugt, aber nötig ist es auch nicht, wenn Tineco einfach einen Knopf statt einem Abzug gemacht hätte.

Mit der Taste oben wird schnell durch die Leistungsmodi „Automatisch“ und „maximale Stärke“ geschaltet. Alternativ kann mit dem Finger auf der Scroll-Leiste nach oben oder unten gewischt werden, um die Saugleistung in 6 Stufen zu regulieren. Das funktioniert zwar, aber nicht besonders präzise. Will man exakt auf Stufe 3 staubsaugen, braucht es oft mehrere Versuche, bis man richtig hingewischt hat.

Fahrverhalten mit viel Zug nach vorne

Der S15 Pro hat einen starken Drang nach vorn. Das liegt an der Bauart, dem Gelenk der Bürste und der Gewichtsverteilung. Schwer ist er dabei nicht, aber man merkt, dass er nach vorn zieht – so als wolle er staubsaugen.

Der Dyson V15 ist im Vergleich dazu lenkfreudiger. Die Bürste folgt kleinen Bewegungen der führenden Hand mühelos, was es einfacher macht, in Ecken, unter Schreibtischen oder in anderen engen Situationen zu putzen. Während der S15 Pro eher ein Muscle Car mit Vorwärtsdrang ist, ist der V15 ein kurvenhungriger Drifter.

Bei der Beweglichkeit sind allerdings beide gleich. Mit den Bodenbürsten können sie flach hingelegt werden, um leichter unter Möbeln zu saugen. Es ist also Geschmackssache: Meine Frau bevorzugt das Fahrverhalten des S15 Pro, während ich das des V15 lieber mag. Ihr Argument ist, dass der V15 zu sehr „flattert“, also schwieriger kontrollierbar ist. Meine Antwort war, dass genau das das Gute ist, weil man damit einfacher an schwierigen Stellen saugen kann – ein taktischer Fehler, da dies beinahe einen größeren Disput auslöste, wer besser staubsaugt.

Bei der Frage „Licht gegen Laser“ gibt es allerdings keine Diskussion. Die Bodenbürste des S15 Pro hat LED-Lichter eingebaut, um Staub auf Hartböden sichtbar zu machen. Mit abgedrehter Zimmerbeleuchtung geht das halbwegs, bzw. in finsteren Ecken. Der grüne „Laser“ des V15 ist allerdings deutlich besser darin, Staub auf dem Parkett sichtbar zu machen.

LED-Licht in der Bürste

Saugleistung und Lautstärke

Standardmäßig läuft der S15 Pro im Auto-Modus. Erkennt der Sensor mehr eingesaugten Staub, wird die Saugleistung nach oben geschaltet, bis wieder weniger Staub erkannt wird. Zusätzlich zeigt ein Ring am Display die erkannte Staubmenge. Er färbt sich von Blau zu Violett bis hin zu Rot. Solange der Ring also nicht Blau ist, sollte man an dieser Stelle noch staubsaugen.

Wie beim Dyson V15, ist auch die Bürste des S15 Pro so ausgelegt, dass die meiste Saugleistung in der Vorwärtsbewegung passiert. Beim Zurückziehen kommt es vor, dass der Staub bzw. größere Teilchen einfach nur nach hinten geschoben werden. Mit einer höheren Saugstufe wird auch in der Rückwärtsbewegung besser gesaugt, generell sollte man aber immer daran denken, dass der S15 Pro nur nach vorn hin die maximale Putzleistung hat.

Ist man sich dessen bewusst, gibt es an der Saugleistung nichts auszusetzen. Der Auto-Modus ist verlässlich auf Fliesen- und Parkettboden. Einen Grund die Saugleistung manuell anzupassen gibt es hier nicht. Bei Polstermöbeln und der Nutzung anderer Bürsten sollte man allerdings eine höhere Saugstufe wählen (3 – 6), um eine gute Reinigung zu erzielen.

Die Lautstärke des S15 Pro ist typisch für ein Gerät dieser Kategorie. Allerdings fügt die Bodenbürste ein tiefes Rumpeln hinzu, was bei der Hartbodenbürste des Dyson V15 nicht zu hören ist. Leise ist der S15 Pro deshalb definitiv nicht, aber auch nicht unverhältnismäßig laut.

Die Akkuleistung gibt Tineco mit bis zu 40 Minuten an, was sich mit meiner Erfahrung im Test deckt, wenn der Auto-Modus verwendet wird. 100 Quadratmeter durchsaugen (Fliesen und Parkett, keine Teppiche) verbraucht etwa 25 Prozent Leistung. Bei gründlichem Saugen inklusive Polstermöbel auf höherer Stufe sind nach erledigter Arbeit noch 35 bis 45 Prozent Energie im Akku. Der Akku ist per Knopfdruck wechselbar, ein Ersatzakku ist um 99 Euro erhältlich.

Der Akku ist wechselbar

Behälter entleeren und Wartung

Der Staubbehälter wird nach unten geöffnet. Eine Schiebehebel dafür befindet sich im Abzugsbügel. Der Hebel schiebt einen Ring nach unten, der um den Filter angebracht ist. Dadurch werden Haare und Staub, die am Filter hängen, nach unten und damit raus aus dem Behälter gedrückt.

Wenn man mehrmals schnell den Hebel rauf und runter bewegt, bekommt man so den meisten Schmutz raus. Beim Dyson V15 hingegen muss man so gut wie immer den Staubbehälter komplett abnehmen, um dann die Haare um den Filter herum abzuziehen.

Der S15 Pro nutzt einen Vorfilter und HEPA-Filter. Beide können werkzeuglos ausgebaut und gereinigt werden. Bei Bedarf können sie mit kaltem Wasser ausgespült werden. Sie müssen komplett trocken sein, bevor sie wieder eingesetzt werden.

Smarte Funktionen und Rumgeschreie

Der S15 Pro unterstützt WLAN. So kann er Firmware-Updates bekommen, wenn die passende Begleit-App am Handy installiert wird. Über das Smartphone kann auch die Sprache der Sprachausgabe geändert werden. Was man nicht kann, ist, die Lautstärke ändern.

Und das ist ein Problem. Die Lautstärke ist sehr laut. Das macht Sinn, wenn der Staubsauger gerade läuft und das Betriebsgeräusch übertönt werden muss. Wenn die Ansagen aber kommen, wenn der S15 Pro nicht läuft, ist es fast so als würde die mechanisch klingende Frau im Staubsauger einen anschreien – oder zumindest sehr energisch Befehle geben. Ich frage mich mittlerweile, was sich die Nachbarn oder Leute auf der Straße denken, wenn das Fenster offen ist und in regelmäßigen Abständen „AUSSCHALTEN!“ und „BITTE REINIGEN SIE DEN STAUBBEHÄLTER!“ herumgeplärrt wird.

In der App kann man die Sprachausgabe nicht ausschalten. In der Anleitung steht auch nicht, wie das geht. Hier gibt es lediglich einen Hinweis darauf, bei den aufgezählten Sprachausgaben: „Ansagen deaktiviert“. Mit ein bisschen Herumprobieren, habe ich es schließlich herausgefunden. Erst muss man den Staubsauger mit dem Abzug einschalten. Dann lässt man die Taste an der Oberseite ein paar Sekunden gedrückt, bis das Menü am Display erscheint. Das Menü gibt es übrigens nur in englischer Sprache. Hier kann man dann „Voice Switch“ anwählen und dort den S15 Pro stummschalten. Optimal ist das aber auch nicht, weil ein paar der Störungsansagen schon relevant wären. Warum Tineco hier nicht eine Lautstärkeregelung eingebaut hat, wie bei einigen seiner anderen Geräte, ist ein Mysterium.

Hier ein Video, das den Prozess zeigt. Die zweite Hälfte des Videos zeigt, dass die Sprachausgabe nicht in der App deaktiviert werden kann.

Staubsauger mit dem Smartphone steuern

Ansonsten fällt die App eher unter „nett gemeint“ als „gut gemacht“. So gibt es etwa eine 3D-Ansicht des Staubsaugers, allerdings kann man nicht die einzelnen Teile antippen, um mehr darüber zu erfahren. Auch helfende Animationen fehlen. Es ist nicht mal die Betriebsanleitung in der App vorhanden. Dafür sehe ich, dass ich schon „4,6K“ insgesamt gereinigt habe, sowie einen Reinigungsbericht. Laut dem habe ich am Samstag  348 gereinigt. Was das heißen soll, erklärt die App nicht – vermutlich sind es Staubpartikel in einer unbekannten Maßeinheit.

Immerhin wird der Ladezustand und die Filterlebensdauer angezeigt. Leider ist hier viel verschwendetes Potenzial. Eine sinnvolle App hätte ich gerne für den Dyson V15, der ua. die eingesaugten Staubpartikel in verschiedenen Größen erkennt. Ich hatte gehofft, dass der S15 Pro dieses beim V15 fehlende Feature sinnvoller umsetzt.

Ein wenig bizarr ist, dass mit dem Smartphone der Betriebsmodus des S15 Pro gesteuert werden kann. Einschalten muss man ihn immer noch mit dem Abzug. Dann kann man in der Handy-App zwischen den Modi Auto, Max und Manuell wählen – bei Manuell ist die Stärke per Schieberegler einstellbar. Man macht also genau das mit dem Handy, was man mit den Tasten am Staubsauger macht. Es erscheint mir wenig logisch, mit dem Staubsauger in der rechten und dem Smartphone in der linken Hand durch die Wohnung zu gehen, um staubzusaugen.

Fazit

Der Tineco S15 Pro ist eine sehr gute Alternative zum Dyson V15. Er ist günstiger und hat praktische Features, wie die Bodenladestation und den Mechanismus zum Entleeren des Staubbehälters – ohne, dass man im Dreck herumstochern muss. Die Leistung und Optik passt ebenfalls.

Bei den smarten Funktionen per App muss Tineco allerdings nachbessern, damit diese sinnvoll genutzt werden können. Wenn möglich, wäre ein Firmware-Update angebracht, um die Lautstärke der Sprachausgabe zu regulieren oder diese zumindest in der App ausschalten zu können.

Bei der Hardware sind es Kleinigkeiten, die verbessert werden können, wie das Metallgitter der Mini-Power-Bürste oder dass es ein Abzug statt ein Knopf ist, um das Gerät einzuschalten. Beides sind keine Gründe den S15 Pro nicht zu kaufen, aber etwas ärgerlich sind sie schon, bei einem 600 Euro teuren Staubsauger.

S15 oder V15

Drängt sich noch die Frage auf: S15 Pro oder V15? Da beides teure Geräte sind, ist der 100 Euro Preisunterschied nicht ausschlaggebend.

Stattdessen ist es eine Frage, welches Gerät man vom Handling her bevorzugt. Der S15 Pro steuert sich etwas konservativer, während der agilere Dyson V15 samt Laser das Gefühl eines Präzisionswerkzeugs vermittelt.

Auch beim Aussehen ist der Vergleich „Haushaltsgerät versus Werkzeug“ zutreffend, mit elegantem Weiß versus Dunkelgrau mit oranger Schmuckfarbe.

Der ultimative Entscheider könnte die Bequemlichkeit sein. Beim S15 Pro wird die Ladestation einfach hingestellt und angesteckt. Beim V15 sollte sie mit Schrauben und Dübel in der Wand verankert werden.

 

Der Tineco S15 Pro ist erhältlich im Web-Store von Tineco und auf Amazon.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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