"Musk hat Angst vor China“: Ungewisse Zukunft für Supercharger
Die Entscheidungen von Multimilliardär Elon Musk waren für Außenstehende schon öfters rätselhaft. In den vergangenen Tagen wurden fast sämtliche Mitarbeiter*innen von Teslas Supercharger-Sparte gekündigt. Der plötzliche Kahlschlag passt so gar nicht zu den Erfolgen, die das Ladestellennetzwerk verbucht.
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Mehr als ein Werbemittel
2012 wurden die ersten Supercharger-Stationen eröffnet, um Tesla-Käufer*innen die Gewissheit zu bieten, auf langen Strecken genügend Lademöglichkeiten vorzufinden. Mittlerweile gibt es weltweit über 50.000 Supercharger. Sie werden besonders wegen ihrer hohen Ladeleistung und einfachen Bedienung geschätzt. Tesla-Fahrer*innen brauchen nur einen Stecker an ihr Auto anzuschließen und schon fließt der Strom. Eine Authentifizierung mittels Chipkarte, wie sie an den meisten anderen Ladestationen üblich ist, braucht es nicht. Die Abrechnung erfolgt über eine bei Tesla hinterlegte Kreditkarte - wenn das Laden nicht überhaupt gratis ist. Dieses Privileg genießen frühe Tesla-Kund*innen.
Supercharger sind für viele ein Synonym für Schnellladestationen. Teslas herstellerspezifischen Ladeanschluss NACS haben in Nordamerika mittlerweile alle anderen E-Automarken übernommen. Eine Werbeausgabe sind die Ladestationen für Tesla längst nicht mehr. Sie erzielen zunehmend Profite. Analyst*innen rechnen damit, dass Supercharging im Jahr 2030 für bis zu 20 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr verantwortlich sein wird.
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Interesse von Ölfirmen
Warum sollte Tesla dieses Geschäft aufgeben? „Elon Musk hat große Angst vor dem Wettbewerb mit China“, sagt Transportwissenschaftler Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuniversität Wien. „Von dort kommen immer mehr E-Autos mit ähnlich guter Qualität und niedrigeren Preisen. Jetzt versucht auch Musk, knallhartes Kostenmanagement zu machen.“
Auch wenn Musk angekündigt hat, weitere 500 Millionen Dollar in das Supercharger-Netz zu stecken, sei ihm der Ausbau offenbar nicht mehr so wichtig. „Es könnte auch sein, dass er die Sparte verkaufen will“, sagt Kummer. Interessenten gebe es genug, etwa BP und andere Ölkonzerne. „Wer das Netzwerk kauft, wäre mit einem Schlag Marktführer. Dementsprechend viel Geld könnte Musk verlangen.“
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Fachkräfte weg, Standorte aufgegeben
Diverse begonnene Bauprojekte des Supercharger-Netzes liegen nun auf Eis, weil Fachkräfte von Tesla vor die Tür gesetzt wurden. Beim Personal zu kürzen, sei gewagt, erklärt Ladeinfrastrukturexperte Daniel Stahleder vom Austrian Institute of Technology (AIT). Schnellladestationen, die mit Gleichstrom arbeiten, seien technisch sehr komplex und haben einen relativ hohen Wartungsaufwand.
Ebenso wenig Sinn hätte es, bereits ergatterte Standorte für Schnellladestationen wieder herzugeben. "Tesla hat mit dem Aufbau seines Netzwerks früh begonnen und strategisch an Autobahnen geplant", schildert Stahleder 2 wesentliche Alleinstellungsmerkmale.
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Lebendiger Wettbewerb
In Österreich müssten sich E-Auto-Fahrer jedenfalls keinerlei Sorgen machen, durch Veränderungen im Supercharger-Netzwerk Komfort einzubüßen, sagt Philipp Wieser von OLÉ – Österreichs Leitstelle für Elektromobilität bei der Bundesagentur AustriaTech. Gerade bei Schnellladestationen verzeichne man massive Zuwächse. „Von 2021 bis 2024 gab es eine Verfünffachung der kumulierten Ladeleistung“, so Wieser. Die heimischen Schnellladestationen stammen von einer Vielzahl von Anbietern. Es gebe einen lebhaften Wettbewerb und eine – für den Ausbau immer noch immens wichtige – gute Fördersituation.
Auch was den Bedienkomfort von Ladestellen anbelange, gebe es große Verbesserungen. So ist seit April eine EU-weit gültige Verordnung in Kraft, welche die Preistransparenz verbessert und flächendeckendes "Ad-Hoc"-Laden, ohne Tarifkund*in sein zu müssen, regelt.
Dass größere Anbieter kleinere „schlucken“ und sich damit eine dominante Position erarbeiten, sieht Wieser momentan nicht. „Es kommen derzeit eher viele kleine Mitbewerber hinzu.“ Früher oder später werde es wohl zu einer Konsolidierung kommen, sagt Kummer. Für Konsument*innen hätte das aber auch Vorteile, weil sich dadurch der Dschungel an unterschiedlichen Abrechnungsmodellen und Tarifen lichte.